Noch mindestens zwei Gesetzgebungsperioden bräuchte die türkis-blaue Regierung, um aufzuarbeiten, was nach Rot-Schwarz zu tun sei, sagt die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ).

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Wien – Die dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) lobt die gute Regierungszusammenarbeit zwischen ÖVP und FPÖ. "Wir haben über 60 Prozent Zustimmung, und das ist nicht nur, weil wir die Themen richtig anpacken, sondern auch weil wir vorleben, wie man ein Land in Koalition und ohne zu streiten regieren kann", sagte Kitzmüller im APA-Interview.

Unterschiedliche Meinungen würden intern und nicht über die Medien ausgetragen. "Und es hält auch das, was wir ausmachen", so Kitzmüller. Der Reformbedarf sei weiter hoch. "Nach so einer langen Zeit einer rot-schwarzen Koalition ist überall anzupacken. Ich glaube, da brauchen wir mindestens noch zwei Gesetzgebungsperioden, um alle Themen und Wahlversprechen aufzuarbeiten und in den Griff zu bekommen." Die FPÖ-Politikerin kann sich 15 Jahre Türkis-Blau vorstellen: "Das wäre natürlich ideal – oder andersrum Blau-Türkis. Da wollen wir uns jetzt nicht festlegen."

Opposition "malt Teufel an die Wand"

Kritik übte Kitzmüller an der Opposition. "Die SPÖ hat ja jahrzehntelang an diesen Missständen mitgearbeitet, die wir jetzt aufdecken. Natürlich tut ihnen das weh. Sie sind nervös, weil sie die Oppositionsrolle nicht kennen und keine Themen vorgeben. In den Nationalratssitzungen gibt es nur ganz wenige Anträge der Opposition. Es kommt nichts. Es kommen nur Querschüsse und destruktive Meldungen, aber es gibt kein wirkliches Mitarbeiten-Wollen. Die Opposition malt den Teufel an die Wand, die Leute sehen dann, dass er nicht kommt." Als Beispiel nannte sie die Diskussion um Arbeitszeitflexibilisierung und 12-Stunden-Tag.

Punkto Sicherungshaft appellierte die Nationalratspräsidentin an die Opposition, sich dem Problem zu stellen. Es sei "unverständlich", dass man sich der Debatte über diese Zweidrittelmaterie verweigert. "Da sollte die Opposition konstruktiv mitarbeiten und nicht prinzipiell Nein sagen und irgendwelche Ausreden erfinden." In Sachen Ausländer und Asyl werde die Regierung jedenfalls weiter einen strengen Kurs verfolgen. Die Probleme seien zwar geringer als während der großen Flüchtlingskrise 2015, es gebe aber noch immer genug zu tun.

"Man darf die Augen nicht verschließen, wenn man sieht, was an Morden und Gewalttätigkeiten passiert. In Grieskirchen wurde am helllichten Tag in einer Unterführung einer alten betagten Frau von einem Ausländer die Handtasche geraubt. Das sind Dinge, die einfach nicht passieren dürfen. Da müssen wir weiter darauf schauen und unsere österreichische Bevölkerung gut schützen. Diese Koalition ist mit knapp 60 Prozent gewählt worden, um diese Missstände zu beenden. Diese Koalition macht eine ganz klare Ausländer- und Sicherheitspolitik und sie hat in den Umfragen stabil 60 Prozent. Offenbar ist das, was diese Regierung macht, das, was 60 Prozent der Bevölkerung wollen."

Kirche soll sich nicht einmischen

Kirchenkritik an der Flüchtlings- und Asylpolitik – Kardinal Chistoph Schönborn warf Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) unter anderem "Brutalität" vor – wies Kitzmüller zurück. "Egal, was unser Innenminister machen würde, es würde die Kritik der Kirche hervorrufen. Ich finde es nicht richtig, dass sich die Kirche in die Politik einmischt. Wir mischen uns nicht in die Kirche ein."

Nicht glücklich ist die Freiheitliche, die selbst evangelisch ist, über die jüngste Karfreitagsdiskussion. "Dass hier ein Atheist mit der roten Gewerkschaft klagt, ist absoluter Wahnsinn. Die Regierung musste deshalb eine Regelung schaffen, sonst kommen alle Religionsgemeinschaften daher und fordern ihren speziellen Feiertag." Die neue Karfreitagsregelung sei aber mit den Kirchen im Vorfeld abgesprochen gewesen. "Jetzt darf keine der Kirchen so tun, als wäre das nicht mit ihnen besprochen worden. Das nehme ich ihnen übel. Jeder Christ oder Protestant, der an einem Karfreitag in die Kirche gehen will, wird es können. Mir als Protestantin ist der Karfreitag sehr wichtig, und wenn ich dafür einen Urlaubstag nehmen muss, dann nehme ich mir den Urlaubstag."

"Wie weit müssen wir uns EuGH unterwerfen?"

Kritisch sieht Kitzmüller in diesem Zusammenhang die Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH): "Die EU ist wichtig, und keiner will austreten, aber es stellt sich die Frage, wie weit müssen wir uns einem Europäischen Gerichtshof unterwerfen. Die EU ist an sich eine gute Sache für Europa, aber ich finde es nicht gut, dass so viele Regelungen Auswirkungen auf Österreich haben, etwa beim Karfreitag, wo man unser Leben bestimmen will." Kitzmüller fordert mehr Eigenständigkeit für die Nationalstaaten.

Weiter warten heißt es unterdessen auf die Ergebnisse der nach der "Liederbuchaffäre" von der FPÖ eingesetzten Historikerkommission, die die freiheitliche Parteigeschichte mit Fokus auf "dunkle Flecken" aufarbeiten soll. Kitzmüller ist Mitglied dieser Kommission. Ursprünglich hieß es Ende 2018, ein Zwischenbericht sei fertig und werde Anfang 2019 präsentiert. Nun dürfte es erst nach der EU-Wahl so weit sein.

Kitzmüller: "Der Zwischenbericht wird mit Juni vorgelegt, mit Ende des Jahres müsste alles abgeschlossen sein." Zu den bisherigen Arbeitsergebnissen wollte die Nationalratspräsidentin nichts verraten. Nur so viel: "Wir werden auch kritisch mit der eigenen Vergangenheit umgehen. Das ist ja der Sinn, dass man sagt, man schaut, was war gut, was schlecht, und man bringt zutage, was gut und schlecht war." (APA, 24.3.2019)