Dreckschleuder Kohlekraftwerk (hier das deutsche Kraftwerk Mehrum): Durch einen Verzicht auf fossile Brennstoffe könnten nebstbei auch noch Millionen vorzeitige Todesfälle weltweit vermieden werden.
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Die jüngsten Fridays for Future geben Hoffnung: Hunderttausende Jugendliche in mehr als 100 Ländern gingen im März auf die Straße, um ihren Forderungen für den Klimaschutz Nachdruck zu verleihen. Es geht ihnen darum, die Ende 2015 in Paris beschlossene Radikalreduktion der Treibhausgasemissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts auch tatsächlich durchzusetzen. Denn nur bei Einhaltung dieses ambitionierten Ziels könnte die Erderwärmung um zwei Grad Celsius bis zum Jahr 2100 im Vergleich zur Temperatur vor der Industrialisierung gewährleistet werden.

Hoffnung zumindest auf einen baldigen Kohleausstieg macht aber auch eine neue Untersuchung aus den Vereinigten Staaten. Der Bericht kommt nämlich zu dem Schluss, dass mittlerweile rund 75 Prozent der Energieerzeugung auf Basis von Kohle teurer sind als die Erzeugung der gleichen Menge Energie durch Solar- und Windkraftwerke.

Ein Problem bei all den Prognosen ist, dass die Klimaforschung bei den Zukunftsszenarien mit Schätzungen operiert. Doch auch diese Schätzungen werden immer zuverlässiger. Die jüngste Modellrechnung hat ein Forscherteam um Jos Lelieveld (Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz) angestellt, das nicht nur die Klimafolgen eines Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen abschätzte.

Ende der Erderwärmung?

Die Forscher rechneten auch die gesundheitlichen "Nebenwirkungen" hoch und kamen dabei zu einem beeindruckenden Ergebnis: Pro Jahr gäbe es weltweit 5,5 Millionen Todesfälle weniger, wenn sich der menschengemachte Schadstoffausstoß vollkommen vermeiden ließe. Die Folgen für das Klima wären durch einen Stopp beim Gebrauch fossiler Brennstoffe natürlich ebenfalls positiv. Die Erderwärmung würde aber deshalb nicht gleich völlig gestoppt werden.

Wie Lelieveld und seine Kollegen im Fachblatt "PNAS" hochrechneten, würde die globale Durchschnittstemperatur trotzdem um 0,36 Grad steigen. Ohne das Verheizen fossiler Energieträger würden nämlich kaum mehr Aerosole in die Atmosphäre geblasen, die heute für rund 70 Prozent des Kühlungseffekts sorgen würden.

1,5-Grad-Ziel ist kaum mehr erreichbar

Sehr viel stärker wiegen aber die klimatischen Vorteile: Man würde bei einem radikalen Emissionsstopp bis zum Jahr 2050 zumindest das Zwei-Grad-Ziel erreichen können. Um die Erwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, müsse es zur aktiven Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre kommen. Bei einer Beschränkung auf das Zwei-Grad-Ziel würde es immerhin wieder zu vermehrten Niederschlägen in von Trockenheit besonders betroffenen Regionen in Afrika, China, Indien und Zentralamerika kommen.

Bisher wenig beachtet sind aber die Vorteile für die Gesundheit der Menschen rund um den Globus, sollte die Vermeidung anthropogener Emissionen tatsächlich gelingen. Wie stark sich die Luftschadstoffe, die durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen entstehen, auf die Gesundheit auswirken, wurde erst in den letzten Wochen – speziell durch eine rezente Studie im "European Heart Journal" – öffentlichkeitswirksam thematisiert: Epidemiologen kamen dabei zum Schluss, dass es durch die Luftverschmutzung zu mehr frühzeitigen Todesfällen käme als durch Zigarettenqualm. In Europa würde Feinstaub die durchschnittliche Lebenserwartung um 2,2 Jahre verkürzen.

5,5 Millionen Tote weniger

Dem entsprechen die Zahlen, die Lelieveld und sein Team errechneten: Durch die radikale Vermeidung fossiler Brennstoffe wären weltweit 3,6 Millionen Todesfälle jährlich vermeidbar. Könnte man auch noch alle anderen Luftschadstoffe – etwa in der Landwirtschaft – einsparen, käme man auf die bereits erwähnten 5,5 Millionen vermeidbaren Todesfälle. Davon betroffen wären vor allem China und Indien.

In den rot eingefärbten Gegenden gibt es besonders viele vorzeitige Todesfälle durch Luftverschmutzung.
Grafik: Max-Plank-Institut für Chemie

Nicht an der Studie beteiligte Experten wie Gunnar Lederer (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) oder Nino Künzli (Präsident der Schweizer Kommission für Lufthygiene) bestätigen, dass die Studie die besten derzeit verfügbaren Informationen heranziehe. Sie geben aber auch zu bedenken, dass durch alternative Energieträger – wie Biomasse – neue Emissionen und Schadstoffe entstehen können. (Klaus Taschwer, 25.3.2019)