Szene aus der Netflex-Serie "Glow". So soll es in feministischen Debatten auch zugehen, wollen sie denn vorkommen.

Foto: Beth Dubber/Netflix

Genderdiskurse werden seit einigen Jahren stärker vom Mainstream registriert als zuvor. Allerdings vor allem dann, wenn sie sich schrill und extrem undifferenziert verpacken lassen. Das ist nicht nur schlecht, aber auch nicht optimal. Zwar wurden feministische Themen zu einem wichtigen Bestandteil medialer Debattenkultur – allerdings in einer sehr abgespeckten Variante.

Doch das scheint offenbar der Preis dafür zu sein, dass Feminismus vorkommen darf. Es muss so richtig krachen – und das geht eben nur, wenn das Begriffsinstrumentarium möglichst kantig, die Art der Auseinandersetzung möglichst unterhaltsam ist.

"Leistung" statt Geschlecht

Womit wir bei der jüngst sehr strapazierten Formulierung "alte weiße Männer" sind, die die Kabarettistin und Poetry-Slammerin Lisa Eckhart zu einem Text über "junge weiße Gören" im STANDARD inspirierte. Die knackigen Begriffe hätten wir schon mal, die Form macht offenbar auch vielen Spaß: Ein junge Frau geht auf andere junge Frauen los. Konkret auf Stefanie Sargnagel und Sophie Passman, Letztere hat ein Buch über ihre Gespräche mit "alten weiße Männern" geschrieben.

Solche Herangehensweisen erscheinen Eckhart als eine Verfehlung der feministischen Frage, als Vernachlässigung der Klassenkonflikte – während sie selbst immer wieder "Leistung" als entscheidende Kategorie nennt, der sich Frauen allerdings mit Hinweis auf ihr Geschlecht entziehen würden. Es zeigt sich, dass Eckhart Feminismus im Grunde als obsolet betrachtet, weil alles eigentlich eh auch Männern passiert, von struktureller Diskriminierung bis Gewalt. Das alles sagte die Kabarettistin jüngst in einem "Falter"-Interview, die Wochenzeitung hat sie – nicht zuletzt als Reaktion auf Eckharts Text im STANDARD – um ihre Einschätzung hinsichtlich der "aktuellen Geschlechterdebatten" gebeten.

Das ist eigentlich erstaunlich, verfolgt Eckhart offenbar nur einige Spitzen dieser Debatten. Diese Spots führt sie dann zu einer simplifizierten Variante eines Feminismus zusammen, der neoliberal, unsolidarisch, ein Elitending sei. Es fehle an "Systemkritik", sagt Eckhart mit vollem Ernst. Man will verzweifelt rufen: Müssen wir denn wirklich immer wieder von vorn beginnen, sobald es um Feminismus geht?

"Systemkritik" als zweiter Vorname

Praktisch jede der feministische Errungenschaften, die für uns heute selbstverständlich sind, ist zu einem sehr großen Teil dem Kampf linker oder wenigstens sozialdemokratischer Feministinnen zu verdanken. "Systemkritik" war quasi der zweite Vorname dieser Feministinnen. Und das ist bei vielen noch immer so. Nur sind sie und ihre Themen nicht besonders präsent. Diese interessieren nun mal weit weniger als diskursives Frauencatchen oder Texte von Feuilletonisten, die in jeder feministischen Forderungen den sicheren Weg Richtung Diktatur sehen.

Die feministische Kritik an den Änderungen im Sozialhilfegesetz interessiert das Feuilleton weit weniger, als wenn eine junge Künstlerin die Arbeit einer jungen Autorin fetzig auseinandernimmt, während sie sich gleichzeitig noch nie bezüglich Überlegungen von Feministinnen über das Problem der Sorgearbeit zu Wort gemeldet hat. Oder über ein Frauenvolksbegehren, das jahrelang versuchte, sozialpolitische Themen aufs Tapet zu bringen – hierzu fehlen große Interviews mit Lisa Eckhart.

Das ist ja auch okay. Wenig glaubwürdig ist dann allerdings das Unbehagen mit einer Verknappung und Neoliberaliserung der Geschlechterdebatten, während man die eigenen Spontananalysen gerade an dieser Verknappung aufhängt und so kräftig daran mitarbeitet. (Beate Hausbichler, 27.3.2019)