"Wenn nicht jetzt, wann dann?" heißt das neue Buch des Physikers Harald Lesch. In seinen Vorträgen spricht er Klartext, er erklärt Dinge schlüssig und seine Vorschläge erscheinen machbar. Umdenken ist nötig, ja natürlich, auch in manch liebgewonnenen Punkten. Eine substanzielle Einschränkung an Lebensqualität bedeutet das nicht – im Gegenteil.

In der Ö1-Sendung "Punkt eins" diskutierten Ende März Helga Kromp-Kolb, Wissenschafterin, und Dieter Drexel von der Industriellenvereinigung über einen "Green New Deal". So sehr ich mich freute über das Gehörte von beiden Seiten, es ging mir dennoch etwas ab. Bei der Frage "Was könnte man tun?" blieben, neben der ermutigenden Aufzählung vieler laufender Initiativen und der Anmerkung von Anrufern, wir Europäerinnen und Europäer seien ja nur ein kleiner Teil der Weltbevölkerung und die größeren Umweltschäden träten in anderen Weltgegenden auf, zwei entscheidende Dinge unerwähnt.

Welche Schritte können wir für die Rettung des Klimas setzen? Und welche sind wir bereit zu setzen?
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1. Wir lenken mehr als wir denken.

Nicht zur Sprache kam wieder einmal, wie sehr wir diese Entwicklung aktiv mitsteuern. Als Konsumentinnen und Konsumenten, als Aktionäre und Investoren bestimmen wir, hier in Europa, die Richtung für einen erheblichen Teil der Weltwirtschaft. Als starke, große Konsumgesellschaft kaufen wir "billig" ein und finanzieren damit die mitunter umweltschädigende Produktion, weit weg von uns. Für uns ist das eine Win-win-Situation, allerdings mit zwei Hauptvorteilen auf unserer Seite. Es ist unser Wille, dass es so läuft, das bekräftigen wir mit jedem Kauf eines "billigen" Produktes.

2. Unser größerer Spielraum

Unerwähnt blieb auch, dass uns die Lebenssphäre in einem reichen Land einen Spielraum gewährt, den ärmere Menschen nicht haben. Diesen können wir nutzen. Wir steuern immer. Was Paul Watzlawick über Kommunikation sagte, gilt auch hier: wir können nicht nicht steuern. Dabei inspirieren uns Vorbilder, Menschen um uns und in den Medien, Angebote der Werbung, Weltbilder und Zukunftsvisionen. Wir können unseren Weg in Richtung mehr Nachhaltigkeit steuern.

Wenn wir überlegen, was wir uns wünschen – was ist es wirklich? Handy kurz weglegen und nachdenken hilft. Dann kommen wir drauf, welche nächsten Schritte wir gehen wollen. Diese Entscheidung kann uns niemand abnehmen. Entscheidunghilfen gibt es täglich in den Medien. Aktuell: Im Norden Alaskas ist es gerade 20 Grad wärmer als sonst um diese Jahreszeit.

Wir können etwas tun. Wer, wenn nicht wir?

Unser relativer Reichtum und das flexibelste Wirtschaftsmodell, das es je gab, räumen uns einen nicht zu unterschätzenden Spielraum ein. Wir können den Schwenk zur Nachhaltigkeit leichter einleiten als andere. Wir können, neben dem bewussten Umgang mit Rohstoffen und Energie im Haushalt, beispielsweise Produkte vermeiden, die sofort nach Ablauf der Garantie schwächeln und dann mit allen Rohstoffen entsorgt werden müssen. Wir können uns für bessere Produkte entscheiden, die Freude machen, wenn wir sie sehen oder in die Hand nehmen.

Wenn wir unseren Spielraum aktiv nutzen, können wir die Geschwindigkeit nach unseren Möglichkeiten wählen. Jeder Schritt macht Freude, so meine Erfahrung, auch jeder kleine Schritt. Die Wirtschaft kann diesen steten (nicht "disruptiven") Übergang ohne Schäden mitmachen. Um nachhaltige Fortschritte zu erzielen, müssen wir es allerdings schaffen, die Vorteile nachhaltiger Produktionsweise mit allen Beteiligten zu teilen. Einige Unternehmen sind schon auf diesem Weg. (Rudolf Schwarz, 18.4.2019)

Fortsetzung folgt. 

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