Hinter den Fassaden alter Häuser treffen immer wieder unterschiedliche Interessen aufeinander: jene von Bewohnern und jene von Investoren.

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Manche Bewohner von Wiener Zinshäusern wohnen seit Jahrzehnten in ihrer Altbauwohnung. Den Eigentümer des Hauses kennen sie persönlich. Das Haus ist zwar mittlerweile vielleicht schon etwas in die Jahre gekommen, da und dort wäre eine Renovierung nötig – die Bewohner sind trotzdem zufrieden, weil die Mieten günstig sind.

Aber dann verstirbt der Eigentümer – und seine Kinder beschließen, das Haus zu verkaufen. Denn der Verkauf eines Zinshauses ist derzeit so lukrativ wie noch nie: Ein Haus im durchschnittlichen Zustand wird in ganz Wien heute nicht mehr unter 1550 Euro pro Quadratmeter verkauft. Gut für die Erben also. Und für die Mieter?

Rein rechtlich hat ein Eigentümerwechsel keinen Einfluss auf das Mietverhältnis. Viele Mieter machen sich trotzdem Sorgen, wenn sich die Kunde vom neuen Eigentümer beim Bassenatratsch verbreitet. Bei ihr würden sich "sehr oft" Mieter melden, die wegen eines Eigentümerwechsels beunruhigt sind, berichtet Elke Hanel-Torsch von der Wiener Mietervereinigung. Manchmal nicht zu Unrecht: Mitunter werde vom neuen Eigentümer versucht, Altmieter zum Auszug zu bewegen. Das Spektrum reiche von finanziellen Angeboten bis hin zu Schikanen. "Gerade große Investoren sind da oft nicht zimperlich", so die Mieterschützerin.

Begehrte Häuser

Auch Eugen Otto, Geschäftsführer des Maklerbüros Otto Immobilien, kennt solche Bedenken. Wenn ein Haus plötzlich einer Bank oder einem vermeintlichen "Spekulanten" gehöre, sei das immer mit Emotionen verbunden. "Aber eine solche Nervosität ist aus unserer Sicht unbegründet", so Otto. Er betont nämlich auch die positiven Effekte, die ein Eigentümerwechsel haben kann – etwa wenn der neue Besitzer mehr Geld in die Hand nehmen kann. Viele Mieter würden es zudem nicht einmal merken, wenn ihr Zinshaus verkauft wird.

Auch beim Maklerunternehmen Hudej Immobilien sieht man Mieterschikanen durch neue Eigentümer als "Randerscheinung". "Ausmietungen" und Ablösen würden aber schon immer wieder versucht, um die Häuser zu parifizieren und die Wohnungen einzeln abzuverkaufen.

Die alten Häuser sind bei Investoren heiß begehrt. Das hat erst vor wenigen Tagen ein Marktbericht von Otto Immobilien gezeigt. Im Vorjahr wechselten demnach Zinshäuser im Gesamtwert von 1,38 Milliarden Euro den Besitzer. Damit wurde die Milliardengrenze 2018 zum vierten Mal hintereinander geknackt – und zwar noch ohne Berücksichtigung eines gewissen Nachlaufs. Das sind Transaktionen, die erst nach dem Erhebungsstichtag, der Mitte Februar war, im Grundbuch eingetragen wurden.

Sinkende Renditen

Insgesamt gab es 2018 in Wien genau 449 Zinshaus-Deals, also um knapp sieben Prozent weniger als noch 2017. Weil das Angebot an Zinshäusern am Markt knapp ist, sind die Preise noch einmal gestiegen, die Renditen indes weiter gesunken. Eine Rendite von drei Prozent ist heute nur noch "in einigen Bezirken außerhalb des Gürtels erzielbar", so Richard Buxbaum, Wohnimmobilien-Chef beim Maklerunternehmen.

Bei den Käufern dominierten auch 2018 klar die Unternehmen, auf der Verkäuferseite überwiegen – noch – Privatpersonen. Beweggründe für Private, sich von ihren Häusern zu trennen, seien anstehende Renovierungen, aber auch eine veränderte Familiensituation, so Otto-Zinshausexperte Thomas Gruber: "Teilweise löst ein Verkauf Familienzwistigkeiten."

Seit 2009 sind der Stadt laut Berechnungen des Unternehmens elf Prozent ihrer klassischen Gründerzeit-Zinshäuser abhandengekommen. Zum Stichtag Mitte Februar gab es noch 13.980 davon. Den Rückgang führt man bei Otto Immobilien hauptsächlich auf Parifizierungen und Nutzungsänderungen zurück.

Appetit hält an

Bei der Vermarktungsdauer gibt es laut Eugen Otto "Rekorde in beide Richtungen", manchmal werde ein Haus innerhalb einer Woche verkauft, manchmal dauere die Vermarktung mehr als ein Jahr – meist dann, wenn es bei den Eigentümern keine Einigkeit gibt.

Das heurige Jahr sehen die Experten positiv: Eugen Otto erwartet zwar keine Preissteigerungen mehr wie in den letzten zehn Jahren, "aber eine stabile und positive Entwicklung". Starke Preissteigerungen seien am ehesten bei "Trophy-Immobilien" zu erwarten. "Aber der Appetit auf Wiener Zinshäuser hält weiter an", so Gruber. (29.3.2019)