Linz – Der Rechnungshof (RH) hat die Linzer Aktenaffäre geprüft und kommt zu einem harten Urteil: Von 2010 bis 2017 seien 3.023 Akten verjährt. In 1.985 Fällen sei die Behörde "gänzlich untätig" geblieben, in den restlichen habe sie "zwar erste Schritte gesetzt, diese aber nicht weiterverfolgt". Die Höhe der entgangenen Strafen wird mit 382.374 Euro beziffert. Hinzu kommen 377.000 Euro Anwaltskosten.

"Der Linzer Magistrat war nicht in der Lage, Verwaltungsübertretungen und damit Strafen so zu verfolgen, wie es das Gesetz vorschreibt", fassen die Prüfer, die auf Ersuchen der oö. Landesregierung tätig wurden, ihre Erkenntnisse zusammen und kritisieren: Weder der Bürgermeister noch Spitzenbeamte hätten das Amt dementsprechend organisiert.

Der RH empfiehlt künftig ein Vier-Augen-Prinzip bei Einstellungen von Verwaltungsstrafverfahren sowie mehr Kontrollen. Auch sollte man Vorgaben für die Bearbeitungszeit einführen und diese auch kontrollieren.

Die vom RH ermittelte Höhe der entgangenen Strafen ergibt sich aus einer durchschnittliche Strafsumme je Gesetz und Akt. Von den 382.374 Euro hätten demnach 149.310 Euro dem Arbeitsmarktservice, 31.495 Euro der Wirtschaftskammer Oberösterreich, 21.378 Euro der ASFINAG, 5.306 Euro dem Verkehrssicherheitsfonds und 1.561 Euro dem Land Oberösterreich weitergeleitet werden müssen. Der Rest wäre großteils der Stadt Linz geblieben.

Der RH kritisiert auch, dass es die Stadt trotz mehrmaliger Beschwerden der Finanzpolizei – die erste im Juni 2016 – und einem entsprechenden Bericht des Linzer Kontrollamtes im Februar 2017 nicht schaffte, die bestehenden Defizite abzuklären oder zu beheben. Im Mai 2017 hat die Finanzpolizei eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Linz übermittelt.

Vertrauen in Bürgermeister geschrumpft

Nach der Präsentation des Rechnungshofberichts zur Linzer Aktenaffäre hat die Opposition heftige Kritik an Stadtchef Klaus Luger (SPÖ) geübt: "Unser Vertrauen in die Kompetenz des Bürgermeisters den Magistrat zu managen ist beschränkt", so ÖVP-Klubobmann Martin Hajart sowie die Gemeinderäte Ursula Roschger (Grüne) und Felix Eypeltauer (Neos) in einer gemeinsamen Aussendung am Freitag.

Der RH-Bericht sei noch deutlicher ausgefallen als der Linzer Kontrollamtsbericht und bestätige, dass Luger "nicht auf Warnungen, Hilferufe und latente Probleme" in der zuständigen Abteilung reagiert habe, so die selbst ernannte "Aufklärer-Allianz", die "ein klassisches Beispiel für Missmanagement" sieht. Luger habe das direkt zu verantworten. Bereits am Montag werde sich der Kontrollausschuss, dem Eypeltauer und Roschger vorstehen, wieder mit der Causa auseinandersetzen.

Hajart geht sogar noch etwas weiter als seine Grünen und pinken Kollegen: "Der Rechnungshofbericht spricht eine eindeutige Sprache des politischen Versagens. Wir werden uns als ÖVP nun mit den Details des Berichtes auseinandersetzen und alles Weitere in den nächsten Tagen bekannt geben."

Stadt: 75 Prozent der Empfehlungen umgesetzt

Die Stadt Linz hat nach der Präsentation des Rechnungshofberichts zur Aktenaffäre am Freitag darauf hingewiesen, dass sie bereits seit dem Vorliegen des Rohberichts im Herbst 75 Prozent der Empfehlungen umgesetzt habe. Auch ein externer Berater habe festgestellt, dass die gesetzten Maßnahmen "viele Problemstellungen der Vergangenheit nicht mehr zulassen" würden. Das Personal sei aufgestockt, die IT verbessert und das vom Rechnungshof geforderte Vier-Augen-Prinzip bei der Einstellung von Verwaltungsstrafverfahren umgesetzt worden, hieß es in einer Stellungnahme.

Die Kontrollmechanismen seien "zielgerichtet weiterentwickelt und neue zusätzlich implementiert" worden, zudem strebe man eine gemeinsame IT-Lösung mit Bund und Land an. Auch wehrt sich die Stadt gegen den Vorwurf, der Bürgermeister, die Magistratsdirektorin oder die Geschäftsbereichsleitung hätten die Verzögerungen mit verursacht: Man habe "seit vollständiger Kenntnis der Sachlage alles Denkbare getan".

Seit August 2017 erfolge eine korrekte Bearbeitung, seit Anfang September 2017 sei es zu keiner Verjährung wegen Untätigkeit der Behörde mehr gekommen. "Kein einziger der Ende 2018/Anfang 2019 von der Finanzpolizei geäußerten Vorwürfe wegen neuerlichen Verjährungen aufgrund von Untätigkeit der Behörde hat sich als richtig herausgestellt", hieß es in einer Aussendung der Stadt am Freitag.

Luger verteidigt Vorgehensweise

Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) hat sich am Freitag nach der Präsentation des Rechnungshofberichts zur Aktenaffäre verteidigt: "Zum gegebenen Zeitpunkt und mit dem damaligen Wissensstand sah ich für mich keine Veranlassung weitere Handlungsschritte zu setzen als jene, die ich veranlasst habe", so der Stadtchef in einer Aussendung. Der Schluss der Prüfer, dass die Stadt ab Mitte 2016 anders handeln hätte können, sei zwar "objektiv nachvollziehbar", aber "im Nachhinein ist man immer klüger".

Der RH habe eine Verantwortung der Stadt Linz festgestellt, sehe es aber nicht als seine Aufgabe an, die individuelle Verantwortung einzelner handelnder Personen zu prüfen, betonte Luger. Diese Frage müsse die Staatsanwaltschaft beurteilen. Er bedaure jedenfalls den entstandenen Schaden.

Aus dem Finanzministerium hieß es, der Rechnungshofbericht habe gezeigt, dass "tatsächlich großer Schaden vor allem für den Wirtschaftsstandort und die Steuerzahler entstanden" sei. Nun gelte es rasch die gravierenden Missstände zu beheben. Man halte das Angebot aufrecht, "auch in Zukunft dem Magistrat Linz gerne bei der Aufarbeitung der Fälle behilflich zu sein".

FPÖ-Landesparteisekretär Erwin Schreiner sieht einen "Totalausfall" der Stadtverwaltung. "Die roten Genossen müssen sich ihrer Verantwortung stellen", so Schreiner. Er griff den ehemaligen SPÖ-Vizebürgermeister und Finanzreferenten Christian Forsterleitner an, der "interessanterweise zwei Monate nach der Anzeige der Aktenaffäre durch die Finanzpolizei in die Privatwirtschaft wechselte".

"Wir haben es hier mit klarem Missmanagement zu tun", steht für den Grünen Klubobmann im oberösterreichischen Landtag, Gottfried Hirz, fest. Neben dem Gesamtschaden von über 380.000 Euro für die Jahre 2010 bis 2017 seien fast die gleichen Kosten noch einmal für Anwälte angefallen. Das "wäre vermeidbar gewesen, hätte man diesen Betrag sofort in die Verbesserung der Abteilung Verwaltungsstrafen investiert", so Hirz. (APA, 29.3.2019)