"Report"-Chef Wolfgang Wagner wehrt sich juristisch gegen FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein.

Foto: ORF/Hans Leitner

Nach Peter Westenthaler kommt Hans-Jörg Jenewein: Wolfgang Wagner musste sich in seiner Funktion als "ZiB 2"- und "Report"-Chef schon öfter gegen Politiker zur Wehr setzen, allerdings erst zweimal auf juristischem Weg. Westenthaler, ehemaliger Klubobmann der FPÖ, kann ein Lied davon singen. Er bezeichnete Wagner und dessen ORF-Kollegen Stefan Jung in einem STANDARD-Interview im Jahr 2002 als "ein paar Irre". Anlass für die verbale Entgleisung war, dass Wagner als ORF-Redakteurssprecher eine Intervention Westenthalers öffentlich gemacht hatte. Der Schlagabtausch endete mit einem Vergleich – zuungunsten des damaligen Politikers.

FPÖ: "Gesinnungsjournalismus"

In der aktuellen Causa geht es um die Reaktion des FPÖ-Mediensprechers Hans-Jörg Jenewein auf ein "Report"-Interview, das Wagner am 5. Februar mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Rahmen seiner Israel-Reise führte. Laut Jenewein bestand das Ziel darin, Van der Bellen einen negativen Sager über die FPÖ zu entlocken. "Ich bin nicht wehleidig, das ist in diesem Job auch nicht angebracht, aber mein Ruf und der des 'Report' ist mir wichtig", sagt Wagner. Mit einer Kritik wie "plumpe Interviewführung" könnte er gut leben, ihm aber "Gesinnungsjournalismus" vorzuwerfen, der an die "ehemalige DDR-Nachrichtensendung 'Aktuelle Kamera'" erinnere, das gehe eindeutig zu weit, erklärt Wagner im Gespräch mit dem STANDARD seine Beweggründe, warum er – wie berichtet – auf Entschädigung klagt.

Üble Nachrede

Hier werde an den Grundfesten des Journalismus gerüttelt: "Ich bin und war nie parteinahe, habe meine Jobs nicht durch eine Partei bekommen. So diffamiert zu werden, das kann und möchte ich mir nicht gefallen lassen, auch nicht für meine Mitarbeiter im ORF, die über Politik berichten." Wagner hat Jenewein beziehungsweise den FPÖ-Klub als Urheber der Aussendung nach dem Mediengesetz wegen übler Nachrede auf Entschädigung geklagt. Der ORF bietet ihm den Rechtsschutz.

Jenewein schrieb in der Aussendung, das Interview füge sich "nahtlos in die sonstigen Entgleisungen mancher Mitarbeiter des ORF und zeigt deutlich, wie notwendig eine Reform an Haupt und Gliedern ist. Neben bestehenden strukturellen Defiziten muss es dringend auch eine personelle Neuausrichtung geben." Wenn Wagner seine "persönliche Meinung" transportieren wolle, dann "bitte nicht im Sold der österreichischen Gebührenzahler". Vor dem Hintergrund, dass die FPÖ derzeit mit der ÖVP das neue ORF-Gesetz erarbeitet, kann das durchaus als Drohung verstanden werden, dass Wagner auf der Abschussliste steht.

Verhältnis zur FPÖ von Relevanz

Wagner möchte aber nicht nur über die Klage reden, sondern seine Interviewführung begründen: "Ich finde es relevant, dass man beim Staatsbesuch des Bundespräsidenten in Israel die Frage stellt, warum dort niemand von der FPÖ empfangen wird. Auch nicht die Außenministerin, die kein FPÖ-Mitglied ist." Bereits beim Antrittsinterview nach Bildung der Regierung sei das Verhältnis zwischen der FPÖ und Israel Thema gewesen, wie auch die Frage, wann eine Normalisierung eintreten werde: "Kanzler Kurz hat gesagt, das wird sich in einem halben Jahr erledigt haben, und Vizekanzler Strache hat Außenministerin Kneissl die Latte so hoch gelegt, dass sie der neue Kreisky wird und im Nahost-Konflikt vermitteln soll."

Das "Report"-Interview mit Van der Bellen

Unterhaltung Sender

Nichts von alldem sei eingetreten, deswegen habe er diese Fragen aufs Tapet gebracht, erklärt Wagner. Zudem habe Van der Bellen am Tag des Interviews auch Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu getroffen. In einem Magazin wie dem "Report" müsse es innenpolitisch aufgearbeitet werden, wie die Regierung von Israel behandelt werde. Da Van der Bellen in seinen Antworten sehr vage blieb, habe er eben nachhaken müssen. "Jenewein hat es als Stakkato empfunden, ich versuche die Fragen möglichst kurz zu formulieren, um dann eher die eine oder andere Nachfrage machen zu können", so Wagner.

Langjähriger "ZiB 2"-Chef

Zur Zielscheibe machen Wagner seine exponierten Jobs im ORF. Vor dem "Report", dem der gebürtige Burgenländer seit knapp einem Jahr vorsteht, leitete er über zehn Jahre die "ZiB 2". Der 51-Jährige galt als Bollwerk gegen Versuche politischer Einflussnahme und als Blitzableiter, wenn sich Parteien, nicht nur die FPÖ, wieder einmal über kritische Beiträge oder die Interviewführung von Armin Wolf & Co echauffierten.

Die Frage nach Interventionen von Politikern komme bei fast allen Publikumsgesprächen, sagt Wagner: "Mit den allerallermeisten habe ich kein Problem, denn das ist meist nur ein anderer Begriff für scharfe Kritik." Sehr wohl ein Problem habe er, wenn es mit ORF-Politik verquickt und Druck auf ORF-Vorgesetzte gemacht werde: "Gegen diese Form der öffentlichen Kritik muss ich mich wehren, weil ein so unverhohlener Konnex zum ORF-Gesetz hergestellt wird." Im Fall Jeneweins habe das den Rang einer "kaum verhohlenen Kündigungsaufforderung".

ORF-Chef verteidigt Interview

Rückendeckung bekam Wagner von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Er schrieb auf Twitter: "In allen europäischen Demokratien (außer Ungarn) entscheiden Journalisten, was sie fragen, und nicht Mediensprecher von Regierungsparteien! Das muss so bleiben, auch bei neuem Gesetz! Gegen Diffamierung von Journalisten werden wir uns wehren!"

Jenewein selbst und sein Anwalt wollten mit dem Hinweis, dass es sich um ein laufendes Verfahren handle, nicht Stellung nehmen. Auch nicht, ob sie einen Vergleich – wie etwa Vizekanzler Strache nach der Klage Armin Wolfs – anstreben oder durch die Instanzen gehen werden. Das dürfte nicht einfach und wohl auch teuer werden.

Jenewein werde vor Gericht den Wahrheitsbeweis erbringen müssen, dass er in DDR-Manier agiere und Gesinnungsjournalismus betreibe, sagt Wagner. Die "Aktuelle Kamera" war von 1952 bis 1990 die tägliche Nachrichtensendung der DDR und wichtiges Propagandainstrument der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). (Oliver Mark, 3.4.2019)