Neos-Mandatar Gerald Loacker wollte Lücken in der neuen App aufzeigen, als er seinen Wohnsitz im Wirtschaftsministerium meldete. Dafür kassierte er eine Anzeige der Burghauptmannschaft. Und die Wirtschaftsministerin höchstpersönlich rügt im Gastkommentar: "Vorsätzliche falsche Angaben sind weder in der analogen noch der digitalen Welt ein Kavaliersdelikt."

Digitalisierung schafft mehr Möglichkeiten und Freiräume. Für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und den Staat. Diese Vorteile in Anspruch zu nehmen ist die Entscheidung jedes Einzelnen, und die Wahlfreiheit muss immer gewährleistet sein. Dafür braucht es die entsprechenden Fähigkeiten, um digitale Anwendungen sicher bedienen zu können.

Digitalisierung zum Vorteil zu nutzen, ohne mögliche Schwächen auszunutzen, setzt mündige Bürgerinnen und Bürger voraus, die sorgsam mit neuen Technologien umgehen. Auch die Politik muss auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung und den korrekten Umgang vertrauen. Der Staat muss sich bei digitalen Amtswegen auf denselben maßvollen Umgang der Bevölkerung verlassen wie bei analogen Behördengängen. Zumal die Anwendung digitaler Angebote im privaten Bereich weitverbreitet ist. Die Menschen kaufen online und erledigen den Steuerausgleich sowie persönliche Finanztransaktionen bequem von zu Hause aus. Sie sind den Umgang mit sensiblen Daten gewohnt und können in der Regel auch die damit verbundenen Konsequenzen einschätzen.

Vertrauensvorschuss

Wie viel Eigenverantwortung man der Bevölkerung bei der Digitalisierung zugesteht, muss jede politische Partei für sich selbst beantworten, und für einige mag weniger staatliche Kontrolle kein Wunschszenario sein. Dass sich zuletzt ausgerechnet die Neos, eine Partei mit betont liberaler Ausrichtung, über zu wenig Kontrolle in Zusammenhang mit elektronischen An- und Ummeldungen von Wohnsitzen beschwert haben, verwundert dann doch. Digitalaffine Bürgerinnen und Bürger sind genauso wichtig und verdienen denselben Vertrauensvorschuss wie jene, die ihre Amtsgeschäfte lieber offline erledigen. Wir treiben den digitalen Wandel der Verwaltung voran, um das Leben der Bevölkerung zu erleichtern. Technologie ist nicht grundsätzlich gut oder böse, es ist die Anwendung, die den Unterschied macht.

Menschliches Fehlverhalten

Missbrauch ist kein Fehler der Technik, sondern bewusstes menschliches Fehlverhalten. Vorsätzliche falsche Angaben sind weder in der analogen noch der digitalen Welt ein Kavaliersdelikt. Die digitale Welt ist kein rechtsfreier Raum, und Verstöße gegen gesetzliche Regelungen werden auch bei der Nutzung von Online-Instrumenten geahndet, auch wenn das vielen vielleicht noch nicht bewusst ist. Durch die Digitalisierung ist es sogar leichter geworden, die schwarzen Schafe zu identifizieren. Die Bestätigung jedes elektronischen Amtsweges mit der Handysignatur, immerhin eine rechtsgültige Unterschrift, macht erstmals nachvollziehbar, wer wann und wo einen Amtsweg durchgeführt hat und wer für die Dateneingabe verantwortlich ist. Wie bisher können die Behörden die Eingaben überprüfen, unverändert ist auch das Strafmaß für Übertretungen. Egal ob sie online oder offline passieren.

Von der Angst- zu einer Chancendebatte

Wir stehen am Beginn der digitalen Transformation. Diesen Weg werden wir gemeinsam nur erfolgreich gehen, wenn wir von der Angst- zu einer Chancendebatte kommen. Wir sollten nicht den Fehler machen, neue Technologien von Anfang an zu verteufeln, und wir müssen nicht blind vor lauter Zukunftseuphorie sein. Was es braucht, ist eine digitale Vertrauensgesellschaft.

Unser Rechtsstaat fußt in weiten Teilen auf Vertrauen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten sich zu Recht, dass der Staat mit ihren Informationen sorgsam umgeht und dass die Verwaltung das Leben grundsätzlich erleichtert. Im Gegenzug dürfen Behörden davon ausgehen, dass die Menschen mit und nicht gegen die Verwaltung agieren und dass Angaben von Antragstellern korrekt sind, was diese übrigens sowohl beim elektronischen als auch beim analogen Amtsweg bestätigen müssen. In der analogen Welt vertrauen wir auf mündige Bürgerinnen und Bürger, die sorgsam mit ihren Daten und dem vom Staat entgegengebrachten Vertrauen umgehen. Vielleicht sollten wir hier Anleihen für den digitalen Raum nehmen. Die Bevölkerung verdient unser Vertrauen, unabhängig ob online oder offline. (Margarete Schramböck, 3.4.2019)