Merklich gut gelaunt spricht der Hedgefondsmanager Jim Rogers per Videokonferenz aus Singapur nicht nur über seine Kernthemen Wirtschaft und Veranlagung. Er gewährt auch Einblicke in sein Leben nach der gemeinsamen Zeit mit Starinvestor George Soros beim Quantum-Hedgefonds in den 1970ern. Etwa welche Rolle seine Weltreisen gespielt haben oder wie sich seine Einstellung zu Kindern gewandelt hat. Und warum er Cannabis eine große Zukunft vorhersagt, Kryptowährungen wie Bitcoin jedoch nicht.

STANDARD: Sie übersiedelten 2007 von New York nach Singapur. Was hat Sie dazu veranlasst?

Rogers: Ich wollte, dass meine Kinder Mandarin lernen. Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert Chinas, ob uns das recht ist oder nicht. Meine Kinder sollten Asien kennenlernen, damit sie auf das 21. Jahrhundert vorbereitet sind.

STANDARD: Wo ist der Unterschied zwischen beiden Städten?

Rogers: Singapur ist kleiner, es hat nur fünf Millionen Einwohner. Aber es funktioniert hier alles, während in New York nur recht wenig funktioniert. Singapur ist sauber, hat ein gutes Bildungs- und Gesundheitssystem. Das kann man über New York nicht behaupten.

STANDARD: Ist der Mehrheit der Amerikaner bewusst, dass das 21. Jahrhundert ein asiatisches wird?

Rogers: Sie werden sich dessen bewusst, das lässt sich gar nicht vermeiden. China ist zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt herangewachsen, und US-Präsident Donald Trump lässt keine Gelegenheit aus, China zu kritisieren. Die Amerikaner wissen also, dass in China etwas vorgeht.

Das 21. Jahrhundert wird aus Rogers' Sicht ein chinesisches. Im Bild verladen Arbeiter an einem Hafen in Qingdao Rohre für den Export nach Afrika.
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STANDARD: Welche Rolle wird Europa künftig spielen?

Rogers: Europa hat eine großartige Kultur und Gesellschaft. Aber unglücklicherweise hat Europa seine besten Tage bereits erlebt. Viele Länder, sogar Deutschland, haben hohe Schulden, es gibt demografische Probleme, es gibt wirtschaftliche Probleme. Ich fürchte, Europa ist auf dem absteigenden Ast.

STANDARD: Ihnen wird nachgesagt, schon seit Jahren eine globale Rezession zu prognostizieren, die bisher aber nicht kam ...

Rogers: Rezessionen wird es immer geben. Was ich gemeint habe, ist, dass die nächste Rezession die schlimmste meines gesamten Lebens wird. Schon 2008 hatten wir ein Problem wegen zu hoher Schulden, und die Pegel sind seither überall weiter gestiegen.

STANDARD: Wann befürchten Sie die nächste Rezession?

Rogers: Sie kommt näher. Diese Entwicklungen beginnen oft an Orten, die man weniger stark beobachtet. Als im Jahr 2007 Island pleiteging, hat sich niemand darum gekümmert. Aber ein Jahr danach war Lehman Brothers in New York bankrott. Es dauert, bis aus kleinen Problemen große werden. In der Türkei, Argentinien oder Venezuela hat diese Entwicklung bereits begonnen.

STANDARD: Haben Sie deshalb Ende des Vorjahrs ein Comeback von Rohstoffen vorhergesagt?

Rogers: Rohstoffe haben sich heuer stark entwickelt. Es geht um Angebot und Nachfrage, von Rohstoffen gibt es entweder zu viel oder zu wenig. Jetzt sind die Preise niedrig und die Erzeugung rückläufig, das kann zu Engpässen und höheren Preisen führen.

Börsenexperte Rogers besitzt eine nicht börsenotierte US-Cannabisfirma, er erwartet die weltweite Legalisierung von Hanf. Im Bild die maschinelle Ernte von medizinischem Cannabis in Ostdeutschland.
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STANDARD: Sie besitzen eine Cannabisfirma in Georgia. Die Branche haben Sie erst vor einem Monat als interessantes Investment bezeichnet. Aber sind die Aktien nicht schon extrem teuer?

Rogers: Die Kurse sind zuletzt sehr stark gesunken. Aber es war eine verrückte Blase, und die Unternehmen sind noch immer teuer. Aber wenn man die richtige Firma zum richtigen Preis findet ...

STANDARD: Weil der Markt wächst?

Rogers: Meiner Ansicht nach gibt es keinen Zweifel, dass Cannabis bald in der ganzen Welt legal sein wird. Es breitet sich aus und wird zu einem großen Geschäft.

STANDARD: Mitte der 1980er-Jahre hatten Sie die Wiener Börse aus ihrem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf erweckt. Welche Märkte würden Sie heute wachküssen?

Rogers: Venezuela. Ich kann zwar dort als Amerikaner nicht investieren (wegen der US-Sanktionen, Anm.), aber andere können es. Die Erfahrung lehrt mich, dass es normalerweise ein guter Zeitpunkt ist anzulegen, wenn Länder kollabieren. Man muss zuerst eine schwere Zeit durchmachen, aber in fünf, sechs Jahren werden sich die Dinge sehr gut entwickeln. Ich würde jetzt Venezuela empfehlen.

Nachdem Jim Rogers die Wiener Börse im Jahr 1985, damals noch im alten Gebäude am Schottenring ansässig, zum Kauf empfohlen hatte, stiegen die Kurse bis 1990 um durchschnittlich 130 Prozent. Die Handelsumsätze versechsfachten sich in dieser Periode.
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STANDARD: Was denken Sie heute über die Wiener Börse?

Rogers: Derzeit habe ich keine Aktien in Wien. Weil ich zu bequem bin, um zu verfolgen, was sich dort tut. Sagen Sie es mir.

STANDARD: Auf das Rekordhoch von vor der Finanzkrise fehlt viel ...

Rogers: Die US-Börsen sind nahe ihren Hochs, aber Märkte wie China sind um 60 Prozent oder Japan um 50 Prozent darunter. Das können gute Gelegenheiten sein. Ich steige nicht gern in Märkte ein, die nahe an Rekordhochs notieren.

STANDARD: Wieso erwarten Sie, dass Kryptowährungen wie Bitcoin wertlos und verschwinden werden?

Rogers: Eine Regierung gibt nicht gern die Kontrolle über Geld auf. Wenn sie Kryptos als Bedrohung empfindet, wird sie diese für illegal erklären. Die Krypto-Leute denken, sie sind klüger als die Regierung. Vielleicht sind sie das auch, aber die Regierungen haben die Macht. Wenn sie Kryptowährungen verbieten, werden sie die Leute nicht mehr verwenden, weil sie nicht ins Gefängnis wollen.

Rogers gibt Kryptowährungen wie Bitcoin auf Dauer wenig Chancen, weil sie den Regierungen ein Dorn im Auge sind – und diese am längeren Hebel sitzen.
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STANDARD: Wann war die spannendste Zeit in Ihrem Leben? Der Quantum-Hedgefonds gemeinsam mit George Soros in den 1970ern oder die Weltreisen in den 80ern?

Rogers: Die Weltreisen und die Kinder, die ich eigentlich nie haben wollte, sind die aufregendsten Dinge in meinem Leben.

STANDARD: Sie haben bisher sieben Bücher geschrieben. Arbeiten Sie an weiteren?

Rogers: Ich schreibe an einem Buch über die Zukunft Koreas.

STANDARD: Was wird die Kernaussage sein?

Rogers: Korea wird sich bald vereinigen. Der Kommunismus hat den Norden zerstört. Es wird sehr spannend, wenn er sich öffnet, weil er über gut ausgebildete, disziplinierte und billige Arbeitskräfte und natürliche Ressourcen verfügt. Der Süden versteht sich in Management und hat viel Kapital. Wenn man das zusammenschließt, entsteht ein Land mit 80 Millionen Leuten an der Grenze zu China. Das wird dann für zehn oder 20 Jahre ein extrem aufregendes Land.

STANDARD: Aber Diktator Kim Jong-un wird wohl kaum freiwillig zurücktreten.

Rogers: Es gibt viele Möglichkeiten, wie das gelöst werden kann, darüber bin ich nicht besorgt. Er will es, der Süden will es, China will es und Russland auch. Nur Japan ist dagegen, weil es mit einem vereinten Korea nicht mithalten könnte – wird es aber nicht verhindern können. Ein Problem sind derzeit noch die US-Truppen im Süden, weil Amerika sie nicht zurückziehen will.

STANDARD: Sie sind jetzt 76 Jahre alt. Haben Sie schon daran gedacht, sich zur Ruhe zu setzen?

Rogers: In gewisser Weise habe ich mich schon 1980 zur Ruhe gesetzt (nach dem Ausstieg aus dem Management des Quantum-Fonds, Anm.). Danach habe ich keinen Job gefunden oder behalten, weil ich reisen und andere Sachen machen wollte. Ich war also immer sehr geschäftig im Ruhestand. (Alexander Hahn, 4.4.2019)

Jim Rogers ist Hedgefondsmanager, Weltreisender und siebenfacher Buchautor. Derzeit arbeitet er an seinem achten Werk über die aus seiner Sicht rosige Zukunft Koreas. Das Gespräch fand über Vermittlung des Veranstalters des 4Gamechangers-Festivals statt, wo Rogers am 9. April in Wien auftreten wird.
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