"Die Fluktuation unter Callcenter-Mitarbeitern ist sehr hoch. Die meisten bleiben nur ein bis zwei Monate, dann haben sie die Nase voll. Mir macht die Arbeit aber irrsinnig viel Spaß. Der Umgang mit Kunden liegt mir. Schwierig sind die, die absolut keine Lust haben, mit mir zu reden. Das verstehe ich nicht, ich will ihnen ja nichts Schlechtes. Manche Leute kann man eben nicht zu ihrem Glück zwingen.

Über mich: Ich bin 28, lebe in Graz und arbeite im Callcenter eines Telekommunikationsunternehmens. Meine Aufgabe ist es, unsere Kunden anzurufen und sie über die neuesten Produkte zu informieren. Ehrlicher Verkauf ist mir sehr wichtig. Jemandem etwas aufs Auge drücken und zu sagen: Du brauchst das unbedingt, sonst stirbst du tausend Tode – das könnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.

Mangel an Perspektiven

Ursprünglich komme ich aus dem Burgenland. Mit 19 bin ich weggezogen, aus Langeweile und Mangel an Perspektiven. Ich habe Hals über Kopf die Schule abgebrochen und bin nach Graz gezogen. Dort habe ich meinen Abschluss an einer Modeschule gemacht. Mit Mode hatte ich nach der Schule dann gar nichts mehr zu tun: Weil ich Geld brauchte, habe ich in einem Callcenter angefangen.

Der Verdienst war allerdings wirklich schlecht. Wir haben für 30 Stunden pro Woche ein Fixum von 600 Euro bekommen und dann noch Provisionen für jeden Verkauf. Trotzdem reichte mein Verdienst kaum zum Leben. Zugutegekommen ist mir, dass ich mit meinem damaligen Freund zusammengewohnt habe – er hatte einen normal bezahlten Job. So ging es sich – mit nebenbei Kellnern – irgendwie aus.

Dann bin ich in eine andere Firma gewechselt, die orthopädische Schlafsysteme verkauft hat. Da war zwar die Bezahlung etwas besser, aber die Arbeit beschissen. Die Produkte und auch die Verkaufstechniken waren unseriös.

Bald zehn Jahre arbeitet unsere Gesprächspartnerin nun im Callcenter. "Der Umgang mit Kunden liegt mir sehr. Schwierig sind nur die, die absolut keine Lust haben, mit mir zu reden."(Symbolbild)
Foto: ho

Seit fünf Jahren arbeite ich für meinen jetzigen Arbeitgeber. Hier verdiene ich mehr als je zuvor. Ich bekomme für 35 Stunden pro Woche ein Fixum von 2.100 Euro brutto. Davon bleiben mir ungefähr 1.400 Euro netto. Jedes Mal, wenn ich Handyverträge oder Zusatzpakete verkaufe, bekomme ich eine Prämie. Damit kann ich mir im Quartal 500 bis 1.000 Euro brutto dazuverdienen. Brauche ich einmal mehr Geld, kann ich monatsweise aufstocken. Viele Kollegen machen das, und das rentiert sich. Viele können sich dann ein schöneres Auto leisten oder ein tolles Handy. Aber es ist natürlich auch anstrengend, acht Stunden pro Tag am Telefon zu sitzen und mit Kunden zu sprechen.

Unsere Dienste sind ganz unterschiedlich, was ich sehr schätze. Wir sind zwischen sieben und 22 Uhr besetzt. Das bedeutet für mich, dass ich entweder schon um elf Uhr Feierabend habe oder eben bis 22 Uhr Dienst. Dadurch bin ich total flexibel. Wenn ich Spätdienst habe, habe ich nach Ausschlafen und Frühstück genug Zeit, um einkaufen zu gehen und meine Wohnung auf Vordermann zu bringen. Ein freier Vormittag ist auch super für Behördengänge.

Meine Ausgaben

Für meine 50-Quadratmeter-Wohnung zahle ich 436 Euro, inklusive Heizung. Für Graz ist das extrem günstig. Ich habe vor kurzem mit einer Freundin gesprochen, sie zahlt um einiges mehr für die gleiche Größe. Ich hatte echt Glück, dass ich diese geförderte Wohnung bekommen habe. Sie ist zwar in einem Bezirk, in dem manche nie wohnen wollen würden, aber ich mag ihn sehr. Er ist multikulti und der Zusammenhalt unter den Nachbarn groß. Zum Beispiel kennen mich bereits viele Lokalbesitzer ums Eck, und auf dem Markt bekomme ich auch mal drei Äpfel geschenkt, wenn ich jemandem helfe, eine Kiste zu tragen.

Mein großes Hobby ist Reisen, an Wochenenden bin ich fast nie zu Hause. Aber auch da versuche ich, günstig davonzukommen. Ich buche mir alles selbst, das ist preiswerter. Wir hatten schon Wochenenden, die für vier Tage mit Flug 400 Euro gekostet haben. Worin ich mehr Geld investiere, ist Make-up. Meist sind es zwischen 50 und 100 Euro pro Monat. Vergangenen Monat war ich mit meiner besten Freundin in München, und da ist es komplett eskaliert: Wir haben knapp 500 Euro für Schminke ausgegeben.

Ob ich in meinem Job bleiben will? Das ist schon der Plan, zumindest für die nächsten Jahre. Mein ganzes Leben will ich aber nicht im Callcenter bleiben – dafür ist mir die Arbeit zu einseitig. Ich bin eher der kreativere Typ: Ich nähe und zeichne gerne." (Gehaltsprotokoll: Lisa Breit, 19.4.2019)