Es diskutierten: Hauptverbandsvorsitzender Alexander Biach, der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, Moderatorin und stellvertretende Chefredakteurin des STANDARD Petra Stuiber, der Salzburger Gesundheitslandesrat Christian Stöckl, der Geschäftsführer des Gesundheitsfonds Steiermark Michael Koren und der NÖ-Patientenanwalt Gerald Bachinger.

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Die neue Reform könnte mehr Probleme bringen als lösen, befürchten Experten.

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Geht es um das Verstehen des Gesundheitssystems, ist die Bevölkerung längst ausgestiegen", glaubt der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker. "Weil die Menschen es nicht mehr verstehen, gibt es auch so wenig Proteste", so Hacker bei einer Diskussionsveranstaltung im österreichischen Hauptverband. Sein Vorschlag: Die Versicherten fragen, was sie eigentlich wollen. "Sie zahlen immerhin den ganzen Betrieb." Mit dem Betrieb meint Hacker die Sozialversicherung, deren 21 Träger in einer Reform der Regierung auf fünf reduziert werden sollen. Auch dazu hat Hacker eine Meinung, die deutlicher nicht sein könnte: "Das ist eher ein ‚Reförmchen‘ bzw. eine Machtverschiebung mit hohem Zerstörungspotenzial." Viel sei unklar, etwa die Finanzierung der Spitäler. Hacker fordert, "alle Verantwortlichen an einen Tisch zu bringen", ansonsten mache das neue System künftig eher mehr als weniger Probleme.

"Regionale Bedürfnisse – zentrale Entscheidungen" war der Titel des STANDARD-Talks, bei dem die geplante Zusammenlegung der neun Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse diskutiert wurde. Moderiert hat Petra Stuiber, stellvertretende Chefredakteurin des STANDARD.

Gegenseitig zuschieben

Zusammenlegen und harmonisieren – dafür ist Christian Stöckl, Salzburger Landesrat für Gesundheit. Gerade in Grenzregionen zu anderen Bundesländern merke man: "Sobald man über die Grenze fährt, werden andere Leistungen bezahlt." Seine Diagnose zum alten System: "Es wird zu viel Energie und Geld damit verschwendet, sich Patienten gegenseitig zuzuschieben". Stöckl fordert von der Kasse, im niedergelassenen Bereich mehr zu bezahlen, damit Patienten nicht in überfüllte Ambulanzen ausweichen.

Mit einer anderen Zusammenlegung ist Michael Koren, Geschäftsführer des Gesundheitsfonds Steiermark, derzeit beschäftigt. Die Spitäler in Schladming, Bad Aussee und Rottenmann sollen geschlossen, dafür ein zentral erreichbares Spital in Liezen eröffnet werden. Grund: Die kleinen Krankenhäuser haben für eine qualitativ hochwertige Versorgung zu niedrige Patientenzahlen. "Wer Pech hat, kommt bei einem Kaiserschnitt zu einem Arzt, der so was nur einmal im Monat macht", so Koren. Dennoch ist der Widerstand in der Bevölkerung groß. "Mit Argumenten kommt man da nicht durch, alles dreht sich um Emotionen." Das kennt Stöckl auch aus Salzburg, aus der Bevölkerung heiße es dann: "Wir vom Land sind euch nichts wert." Obwohl das Gegenteil der Fall ist. Koren ergänzt: "In diesen Fällen darf man nicht umfallen und muss die Kritik aushalten."

Hacker sieht dahinter den "priesterähnlichen Glauben der Bevölkerung an Aussagen von Ärzten." Dadurch würden viele denken, das Spital um die Ecke gebe die größte Sicherheit. Auch aus Wien kennt er den Wunsch: Jeder will in seinem Bezirk ein Spital mit allen Abteilungen.

Wer stärker ist

Vor allem aber auf dem Land, so der Niederösterreichische Patientenanwalt Gerald Bachinger, hätten die Menschen große Angst davor, dass Strukturen wegfallen: "Die Post, die Polizei und die Greißlerei haben schon zugesperrt. Wenn auch das Spital oder der Arzt wegfällt, muss man eine echte Alternative bieten." Eine solche könnten Primärversorgungseinheiten sein, in denen unterschiedliche Gesundheitsberufe zusammenarbeiten. Doch Bachinger betont: "Diese Art der Primärversorgung darf nicht einfach nur ein Lückenfüller sein, weil Arztstellen nicht besetzt werden können. Primärversorgungszentren bringen ganz klar eine bessere Versorgung für Patienten – das muss der Antrieb für ihre Umsetzung sein."

Bachinger kritisiert, dass in der öffentlichen Debatte zu häufig institutionen- und zu selten patientenkonzentriert diskutiert wird. Alexander Biach, Vorsitzender des Hauptverbandes, dazu: "Die Diskussionen sind meist sehr persönlich getrieben, jede Institution tritt mit ihren Wünschen an. Oft geht es auch um Macht, etwa darum, ob der Bund oder die Länder stärker sind." Das soll sich künftig ändern. Wobei Biach in der geplanten Reform einen Etikettenschwindel sieht: So werden etwa einige der 21 Träger weiterbestehen, nur nicht mehr als Teil des Hauptverbands, erklärt er: "Wir dürfen uns nichts vormachen, es ist noch ein weiter Weg." Ein sehr weiter, wie es scheint. (Bernadette Redl, 8.4.2019)