Bild nicht mehr verfügbar.

Italiens Innenminister und Vizepremier Matteo Salvini bringt in seiner neuen Allianz Populisten und Rechtsnationalisten aus ganz Europa zusammen. Mit von der Partie sind auch die FPÖ und die AfD.

Foto: AP / Christophe Ena

An Zuversicht mangelt es Italiens Innenminister und Vizepremier nicht, wenn es um die bevorstehenden Europawahlen geht: In Brüssel, wiederholt Matteo Salvini seit Monaten wie ein Mantra, werde am 25. und 26. Mai kein Stein auf dem anderen bleiben. Deswegen seien zum Beispiel die Mahnungen des "Trinkers" Jean-Claude Juncker in Sachen Haushaltsdisziplin nicht wirklich ernst zu nehmen: "Nach den Europawahlen werden die Eurobürokraten und Erbsenzähler weggefegt sein", sagt der Chef der rechtsradikalen Lega.

Um dieses Ziel zu erreichen, hat Salvini in den vergangenen Monaten ein Bündnis Gleichgesinnter geschmiedet, das, wie am Montag auf einer Pressekonferenz in Mailand verkündet wurde, "Allianz der europäischen Völker und Nationen" heißen wird. Der harte Kern besteht aus Salvinis Lega und dem Rassemblement National (RN, früher Front National) der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen. Mit von der Partie sind auch die österreichische FPÖ sowie die niederländische Freiheitspartei (PVV) von Geert Wilders, die wie die Lega und der RN im Europäischen Parlament der rechtsextremen Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) angehören.

Neu zu Salvinis Allianz hinzugestoßen sind nun auch die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD), sowie die rechtsnationalen und rassistischen Parteien Nordeuropas: die Schwedendemokraten, die Wahren Finnen und die Dänische Volkspartei.

Meuthen da, Strache nicht

Der wichtigste Zugang ist zweifellos die AfD. Bei der heutigen Zusammenkunft in Mailand wird die Partei durch ihren Sprecher und EU-Spitzenkandidaten Jörg Meuthen vertreten sein. RN-Chefin Marine Le Pen und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache haben sich entschuldigen lassen. Insgesamt, hofft Salvini, könnten dem Bündnis Parteien aus bis zu zwanzig Ländern beitreten.

Einen Korb erhalten hat Salvini dagegen von Ungarns Premier Viktor Orbán und von Jaroslaw Kaczynski, dem Vorsitzenden der regierenden polnischen PiS-Partei. Von ihrer autoritären und chauvinistischen Ideologie her hätten beide Parteien zwar gut zur Salvini-Allianz gepasst, aber Orbán will mit seiner Fidesz zumindest vorläufig noch in der Europäischen Volkspartei verbleiben, während sich Kaczynski an Salvinis unverhohlener Sympathie für den russischen Präsidenten Wladimir Putin stößt. Sowohl Fidesz als auch PiS schließen jedoch eine Zusammenarbeit nach der Europawahl nicht aus.

Salvini ist der unbestrittene Anführer der ultrarechten Allianz: Erstens wird seine Lega bei den Europawahlen laut dem Eurobarometer vom 27. März ihre bisherige Sitzzahl mehr als vervierfachen und voraussichtlich mit 27 Abgeordneten als stärkste Kraft unter den Rechtspopulisten ins Europaparlament einziehen. Zweitens ist Italien das einzige europäische Land, das von einer reinen Populistenkoalition regiert wird – und ist damit das Sehnsuchtsland aller rechtsnationalen Bewegungen.

Als Programm für die Allianz wird ein "Manifest für mehr gesunden Menschenverstand in Europa" dienen, das Salvini am Montag vorstellte. Dem Lega-Chef schwebt eine Union vor, die "komplett anders ist als die, die uns die Europäische Volkspartei und die Sozialisten beschert haben". Salvini will ein Europa, in dem die Nationalstaaten mehr Gewicht haben, in dem die christlichen Wurzeln betont werden und das sich abschottet. Eine solidarische Flüchtlingsverteilung, wie sie Italien jahrelang gefordert hatte, will Salvini nicht mehr: Europa müsse dafür sorgen, dass es gar keine Menschen zu verteilen gebe.

"Türkei wird nie EU-Mitglied"

Salvini hat sich bei der Präsentation der neuen Allianz für die Beendigung der auf Eis liegenden EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ausgesprochen. "Die Beitrittsverhandlungen sollen endgültig abgebrochen werden. Die Türkei gehört nicht zu Europa und wird nie ein EU-Mitglied sein."

Salvini dementierte, dass er als Spitzenkandidat ins Rennen um den Posten des EU-Kommissionspräsidenten antreten wolle. "Ich hege keine persönlichen Ambitionen. Wir arbeiten an einem Plan für das Europa der nächsten 50 Jahre und es ist eine Ehre, dass dieses Projekt von Italien aus startet."

Der italienische Innenminister kündigte an, dass die Mitglieder der rechtspopulistischen Wahlallianz am 18. Mai in Mailand eine Großveranstaltung zum Abschluss der Wahlkampagne planen würden. Daran sollen sich alle Spitzenpolitiker der Allianz, darunter auch der FPÖ, beteiligen, erklärte Salvini, der sich selber im Wahlkampf engagieren wird. Er wird als Spitzenkandidat seiner Lega in allen italienischen Wahlkreisen kandidieren, berichtete der Innenminister.

Kritik aus Österreich

Die österreichischen Abgeordneten im EU-Parlament reagierten auf die Ankündigung der rechten Wahlallianz mit Kritik. Der ÖVP-EU-Delegationsleiter Othmar Karas sprach von einer "Koalition der Europa-Spalter und Europa-Zerstörer". Es gelte das Sprichwort: 'Zeig mir deine Freunde, und ich sage dir, wer du bist.' "Hier zeigt sich das wahre Gesicht von EU-Kandidat Harald Vilimsky", so Karas. Auch der EU-Spitzenkandidat der SPÖ, Andreas Schieder, warnte, dass der Zusammenschluss der europäischen Rechtspopulisten und Rechtsextremen in jeder Hinsicht eine "höchst bedrohliche Angelegenheit" sei. Die NEOS spotteten angesichts des Fernbleibens prominenter Rechtspopulisten bei Salvinis Pressekonferenz in Mailand: "Ein erfolgreicher Start sieht wohl ein bisschen anders aus".

Geringe Chancen auf Einfluss

Salvinis Reformambitionen scheinen freilich größer zu sein als die realen Erfolgsaussichten. Zwar müssen laut Eurobarometer die großen Fraktionen EVP und die Allianz der Sozialdemokraten (S&D) mit Verlusten rechnen, während sich die rechtsextreme ENF und die rechtspopulistische EFDD-Fraktion (Europa der Freiheit und der direkten Demokratie) im Aufwind befinden. Insgesamt werden die Rechten laut den Prognosen aber höchstens 150 der insgesamt 705 Sitze im Europaparlament gewinnen, inklusive der Sitze von Fidesz und PiS.

Das dürfte zu wenig sein, um entscheidenden Einfluss auf die aktuellen Reformbestrebungen in Brüssel zu nehmen. Anders wäre es, wenn Salvinis Allianz eine Koalition mit der EVP eingehen könnte, wie es dem Leader vorschwebt – doch diese Möglichkeit hat sich Salvini mit der Aufnahme der AfD selbst verbaut: Eine solche Koalition würde in der EVP am Veto der deutschen CDU scheitern. (red, APA, Dominik Straub aus Rom, 8.4.2019)