Die Russland-Reise von Harald Vilimsky, Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer und Johann Gudenus im Jahr 2016 – heute sind die Personen immer noch Delegationsleiter der FPÖ in Brüssel und jetzt Vizekanzler, Verkehrsminister respektive Klubobmann.

Foto: Strache/Facebook

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist vom internationalen Informationsfluss zwischen den Nachrichtendiensten weitgehend abgeschnitten. Mehreren Quellen zufolge haben niederländische und britische Dienste den Kontakt nach Wien fast komplett abgebrochen. Amsterdam und London "heben nicht mehr ab", sagten Insider dem STANDARD. BVT-Direktor Peter Gridling hatte zuletzt als Zeuge vor Gericht bestätigt, dass sein Amt nicht mehr an den Arbeitsgruppen des Berner Clubs teilnehme – so bezeichnet man das informelle Gremium, in dem europäische Dienste Informationen teilen.

Dass Österreich sogar wichtige Infos, die das eigene Land betreffen, nicht sofort erhält, wurde etwa rund um die Ermittlungen zu den Europa-Reisen des mutmaßlichen Attentäters von Christchurch sichtbar. Bevor dieser fünfzig Muslime in zwei neuseeländischen Moscheen ermordete, hatte er zwanzig EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, besucht. Das Innenministerium gab vier Tage nach dem Anschlag jedoch bekannt, "keine Hinweise" auf einen Österreich-Aufenthalt des Terroristen zu haben, obwohl wenige Stunden später Medien wie DER STANDARD über dessen Fotos aus Österreich berichteten.

Deutschland viel besser informiert

Ähnliches zeigte sich rund um die Spenden und Kreditkartenüberweisungen des Attentäters an die französische Génération Identitaire. Deutsche Behörden wussten deutlich mehr als das BVT. Das dürfte daran liegen, dass Wien über die europäische Polizeiorganisation Europol, aber nicht direkt von den Partnern informiert wird. BVT-Direktor Gridling weist jedoch auf Nachfrage zurück, "dass das BVT Informationen nur auf Umwegen" erhalte. Dem STANDARD sagt er, dass das BVT "nach wie vor Teil des europäischen Sicherheitsverbands" sei und "in den Informationsaustausch eingebunden" werde.

Doch für einen großen Vertrauensverlust sorgte schon die Hausdurchsuchung im BVT im Februar 2018 samt der temporären Suspendierung von BVT-Direktor Gridling. Besonders der lasche Umgang mit der Sicherheit vertraulicher Daten wurde genau registriert. So hieß es von einem BVT-Mitarbeiter im U-Ausschuss, dass während der Razzia nicht mehr kontrolliert werden konnte, wer ein- und ausging. Die Polizeieinheit EGS, die bei der Razzia im Einsatz war, war im Raum der Extremismusreferatsleiterin zugange. Dabei wurden auch Informationen zu Identitären mitgenommen, wie die "Washington Post" unter Berufung auf zwei europäische Nachrichtendienstmitarbeiter am Montag enthüllte. Nach der Aufhebung der Suspendierung von Gridling besserte sich das Verhältnis kurzfristig. Ein Bericht des "Falter" über die Isolation des BVT sorgte für weiteren Unmut, weil darin ein Geheimdokument zu sehen war. Die "Summe an Ereignisse" und Leaks an die Medien würde nicht zur Vertrauensbildung beitragen, so Gridling zum STANDARD – genau "wie immer wieder aufflammende Diskussionen und Spekulationen, ob oder wie die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Sicherheitsbehörden funktioniert".

Hauptproblem ist Flirt mit Moskau

Während sich die Debatte in Österreich vor allem auf die Frage der Verzahnung der FPÖ mit Rechtsextremen, etwa der Identitären Bewegung, konzentriert und etwa die von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geplante Berichtspflicht der Geheimdienste direkt mit den Identitären in Verbindung gebracht wird, ist der Hauptgrund für die internationale Isolation des BVT ein anderer: nämlich die Beziehungen der FPÖ zu Moskau. Das erklärt, warum besonders Großbritannien und die Niederlande gegen eine Mitarbeit des BVT in europäischen Geheimdienstgruppen lobbyieren – waren diese doch von mutmaßlichen Aktionen russischer Agenten am meisten betroffen. In Großbritannien fand im März 2018 ein Attentat mit Nervengift auf den ehemaligen russischen Spion Sergej Skripal statt; 2014 starben beim Abschuss des Passagierflugzeugs MH-17 in der Ostukraine über 190 Niederländer.

Die FPÖ knüpft schon seit einem Jahrzehnt intensive Kontakte nach Russland. Regelmäßig traf sich die Parteispitze mit russischen Politikern. Der jetzige Klubobmann Johann Gudenus war auch mit dem deutschen AfD-Abgeordneten Markus Frohnmaier vernetzt, den russische Geheimdienste laut Recherchen von "Spiegel" und BBC als steuerbare "Marionette" Moskaus einschätzten. Sein einstiger Mitarbeiter Manuel Ochsenreiter, dem ein Brandanschlag in der Ukraine vorgeworfen wird, war 2016 Redner beim rechtsextremen "Kongress der Verteidiger Europas" – genau wie der jetzige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Gudenus sagt auf eine Anfrage des STANDARD bezüglich der BBC-Recherchen, dass man wohl "zu viel James Bond geschaut habe", zur "Vertiefung" empfiehlt er "Die nackte Kanone".

Diese Liste lässt sich fortführen. 2016 wurde dann ein "Freundschaftsvertrag" zwischen der FPÖ und der Putin-Partei Einiges Russland abgeschlossen. Damals fanden sich in Moskau Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer, Johann Gudenus und Harald Vilimsky ein. Rund ein Jahr später waren die drei Erstgenannten dann jeweils Vizekanzler, Verkehrsminister und Klubobmann; Vilimsky blieb als Delegationsführer in Brüssel weiterhin von strategischer Bedeutung. Eine Anfrage an die FPÖ, welche Aktivitäten im Rahmen des Freundschaftsvertrags gesetzt wurden, blieb unbeantwortet. Ausgemacht waren ein "Austausch" und "Delegationen".

Mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ brach deren Kontakt nach Moskau nicht ab. Nach dem Anschlag auf Skripal, bei dem auch britische Zivilisten verletzt wurden, wiesen Großbritannien, die USA und zahlreiche Verbündete russische Diplomaten aus, etwa Frankreich, Deutschland, Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Irland oder Ungarn. Österreich beteiligte sich an dieser Aktion nicht. Nur fünf Monate nach dem Einsatz von Nervengift in Großbritannien, der "mit hoher Wahrscheinlichkeit" durch russische Agenten erfolgte, lud die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl hingegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich zu ihrer Hochzeit in die Steiermark ein. Dort passierte der mittlerweile berühmte "Knicks" vor Putin; außerdem drängten sich Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) und Strache um ein Selfie mit Putin.

Hochzeitseinladung als Affront

In internationalen Geheimdienstkreisen wurde das als eine Art Kriegserklärung an die EU-Partner aufgefasst. Schon die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll vor den Russland-Verbindungen der FPÖ gewarnt haben. Und ein Dokument der US-Geheimdienste zeigte im Herbst, dass diese inzwischen weniger Infos liefern.

Auch das BVT befürchtete, dass Russland in die heimische Politik eingreift. Jene Abteilung, die sich auch mit dem Einfluss Russlands beschäftigt, war von den Ermittlungen gegen das BVT direkt betroffen.

Zwar ist auch Italiens Lega Nord, die Partei von Innenminister Matteo Salvini, mit Russland verbandelt. In Rom werden die Geheimdienste allerdings direkt beim Ministerpräsidenten angesiedelt, derzeit also beim parteilosen Giuseppe Conte. Die US-Dienste sind zu wichtig, um ausgeschlossen zu werden. Außerdem attestiert man ihnen eine gewisse Autonomie von US-Präsident Donald Trump. Eine bloße Berichtspflicht der Nachrichtendienste gegenüber Kanzler Kurz dürfte daher nicht ausreichen, um die Skepsis der Partner zu besänftigen – vor allem, wenn das BVT unter Kickl umgebaut und mit neuem Personal versehen wird. Wenn, dann müsste die Regierung direkt auf das italienische Modell umsteigen. (Fabian Schmid, 8.4.2019)