Andrea Czak von der Alleinerziehenden-Initiative ist mit Stadtrat Peter Hacker weitgehend einer Meinung.

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Eine Zigarette ist sich zwischen dem Termin der Soziallandesräte mit Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und Peter Hackers Pressekonferenz zwar noch ausgegangen, dennoch musste sich der Wiener Stadtrat (SPÖ) "erst fassen nach dieser Sitzung". Die "Kaltherzigkeit" der Koalition hätte ihn überrascht, Vorschläge der Landesräte seien "mit einem Federstrich vom Tisch gefetzt" worden.

Die Kärntner Landesrätin Beate Prettner (ebenfalls SPÖ) hatte überhaupt den Eindruck "die wissen nicht, was sie tun". Die Sozialministerin hätte Sachlichkeit eingefordert – genau das, was sie und ihre Kollegen seit einem Jahr täten.

Hartinger-Klein hatte im Vorfeld auf einen "positiven Dialog" gehofft, ließ aber schon da keine Bereitschaft erkennen, an der von der Regierung neu gestalteten Sozialhilfe, wie die Mindestsicherung künftig wieder heißen soll, noch Änderungen vorzunehmen. Hacker hatte im Vorfeld an die blaue Sozialministerin appelliert, nicht nur gesprächs-, sondern auch handlungsbereit zu sein. Gerade die Wiener hatten den Gesetzesentwurf in der Begutachtungsphase zerpflückt.

Zu kurze Frist

Das neue Gesetz soll laut Regierungsplan bereits am 15. April im Sozialausschuss des Nationalrats beschlossen werden. Die Kernpunkte der Kritik: Der Umsetzungszeitraum sei viel zu gering bemessen. Das Gesetz soll am 1. 1. 2020 in Kraft treten, die Zeit reiche nicht aus, um die sehr komplexen Vollzugsgesetze sowie den Vollzug umzusetzen. Eine Frist, die sich "schon rein technisch nicht ausgeht", kritisiert Hacker.

Nach Ansicht von Hacker sei das Gesetz verfassungswidrig und widerspricht geltendem EU-Recht. Es führe zu "unsachlichen Schlechterstellungen" und Beschränkungen der Leistungsbezüge bei bestimmten Gruppen – also etwa bei Kindern oder Asylberechtigten. Die vorgesehenen Kürzungen bei Familien mit mehreren Kindern seien "nicht akzeptabel", weil sie zu verstärkter Kinderarmut führen würden.

"Unsachlich und nicht praktikabel"

Hacker forderte Ausnahmeregelungen im Gesetz für Personen in allen Formen von betreuten Wohngemeinschaften. Hier dürfe es keine Deckelung geben und auch die Haushaltsdefinition nicht zum Tragen kommen.

Aufgaben aus den Bereichen Fremdenrecht, Arbeitsmarkt oder Integration würden vom Bund auf die Länder abgewälzt. "Auch die Finanzierung von Sprach- und Qualifizierungskursen soll den Ländern aufgebürdet werden", kritisierte Hacker. Als "unsachlich und nicht praktikabel" erscheint dem Stadtrat weiters die Regelung, dass nur aktuelle Deutschzertifikate für die Erfüllung der Voraussetzungen und Integrationsverpflichtungen herangezogen werden sollten.

Hacker hofft auf Abgeordnete

Prettner erklärte vor dem Termin, sie werde das Gesetz jedenfalls umsetzen, sie sei ja auf die Verfassung angelobt. Sie werde aber "die begründete Ablehnung" formulieren. Hauptkritikpunkt sei die mangelnde Gerechtigkeit betreffend der Kinder. Fraglich sei auch, was mit subsidiär Schutzberechtigten geschehe, die aus der Grundsicherung herausfallen.

Im Parlament hatte FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz das neue Sozialhilfegesetz unter dem Motto "Mehr Fairness für uns Österreicher statt Zuwanderung in das Sozialsystem" angepriesen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach von einem Kürzungsprogramm, das zu mehr gesellschaftlicher Spaltung, zu Lohndumping, zu Sozialabbau und zu Kinderarmut führen werde. Bei den Familien mit Kindern werden insgesamt 40 Millionen Euro gestrichen. Dies sei die gleiche Summe, die im letzten Jahr von den Kabinetten der schwarz-blauen Bundesregierung für PR ausgegeben wurde.

Appell an ÖVP

Hacker ließ offen, ob er das Gesetz in Wien umsetzen wird – er wisse nur, dass die SPÖ "nicht die Hände in den Schoß legen" werde. Er appelliert nun an das Gewissen der Nationalratsabgeordneten, vor allem jener der ÖVP: Er könne sich bei vielen kaum vorstellen, dass die Kürzungen mit deren Wertehaltungen vereinbar seien.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger, der bei der Gesprächsrunde mit den Sozialreferenten dabei war, lobte die Gespräche mit den Ländern allerdings als durch die Bank gut – bis auf Wien. "Von allen Ländern kamen konstruktive Vorschläge, außer aus Wien", sagte Wöginger der APA.

Hartinger-Klein selbst empfand ihr Gespräch mit den Soziallandesräten als "nur teilweise konstruktiv". Sie sprach – in einer schriftlichen Stellungnahme – von "Fehlinterpretationen". Diese seien "unglaublich", "entbehren jeglicher vernünftigen Grundlage" und dienten "nur zur bewussten Verunsicherung der Bevölkerung" – Der Ministerin missfiel offensichtlich die von SPÖ- und Grünen Landesräten vorgebrachte Kritik. (APA, sefe, völ, 8.4.2019)