Wer nicht rechtzeitig auszieht, soll laut St. Pöltner Behördenschreiben alle Ansprüche auf Unterstützung verlieren.

Foto: Imago / Haufe

St. Pölten – Ein Schreiben der dem niederösterreichischen Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) unterstehenden Koordinationsstelle für Ausländerfragen in St. Pölten sorgt unter Flüchtlingen und Betreuern in Niederösterreich für Beunruhigung. Adressiert ist es an subsidiär Schutzberechtigte, die in Asylgasthöfen oder anderen Grundversorgungseinrichtungen leben – und es stellt ihnen den Stuhl vor die Tür.

In dem Brief werden die aus Österreich nicht abschiebbaren Menschen, denen im Heimatland Gefahr für Leib und Leben droht, aufgefordert, ihr derzeitiges organisiertes Quartier bis 20. Juni zu verlassen und in eine private Unterkunft zu übersiedeln.

"Leistungen zur Gänze eingestellt"

"Sollten Sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, müssen die Grundversorgungsleistungen nach Ablauf der Frist zur Gänze eingestellt werden", steht in dem dem STANDARD vorliegenden Schreiben an einen in einer Flüchtlingspension lebenden Mann. Auch sein Quartiergeber wird "darauf hingewiesen, dass ab dem genannten Datum keine Leistungen mehr mit der Koordinationsstelle abgerechnet werden dürfen".

Laut einer Waldhäusl-Sprecherin gilt die Auszugsaufforderung für alle aktuell 740 in Landesquartieren lebenden subsidiär Schutzberechtigten im Bundesland. Dahingehende Briefe gebe es aber schon seit Jahren. Man wolle den Flüchtlingen zu "besserer Eigenverantwortung, Selbsterhaltungsfähigkeit und somit zu einer optimalen Integration" verhelfen.

Einzelfallprüfung bei Problemen

Im Fall von Problemen stehe privat Verzogenen "die Rückkehr in eine organisierte Unterkunft jederzeit frei". Zum Streichen jeglicher Unterstützung mit Fristende stehe das nicht in Widerspruch: "In diesem Fall gibt es eine Einzelfallprüfung, welcher Art das gegebene Problem ist".

Mit der Umzugsaktion würden die subsidiär Schutzberechtigten "in eine existenziell bedrohliche Situation" gebracht, sagt hingegen die grüne niederösterreichische Landtagsabgeordnete Silvia Moser. Die Summe, die privat wohnenden Grundversorgten zusteht, sei "zu gering, um am freien Wohnungsmarkt eine Wohnung zu finden", meint sie.

Grünen-Anfrage an Waldhäusl

Konkret erhalten Einzelpersonen in diesem Fall maximal 150 Euro Mietzuschuss und 215 Euro Verpflegungsgeld, Familien 300 Euro für die Miete sowie 215 Euro pro Erwachsenen und 100 Euro pro Minderjährigen für sonstige Bedürfnisse. Moser spricht von "Obdachlosigkeitsgefahr". Vergangene Woche hat sie im Landtag eine schriftliche Anfrage an Waldhäusl zu der Umzugsaktion gestellt.

Als "weiteren Vertreibungsversuch von Flüchtlingen nach Wien" interpretiert Christoph Riedl, Asylkoordinator der evangelischen Diakonie, die kollektive Auszugsaufforderung. Erst habe man subsidiär Schutzberechtigten in Niederösterreich im Jahr 2017 den Anspruch auf Mindestsicherung aberkannt und sie auf die niedrigere Grundversorgung herabgestuft. Nun schließe man sie aus den organisierten Quartieren aus, sagt er.

Mindestsicherungsreform

Tatsächlich dürfte die Bundeshauptstadt für die Betroffenen nun weiter an Anziehungskraft gewinnen: Wien gewährt subsidiär Schutzberechtigten nach wie vor Mindestsicherung. Noch – denn mit der am 24. April dem Nationalrat zum Beschluss vorliegenden bundesweiten Mindestsicherungsreform soll dieser Anspruch prinzipiell gestrichen werden. (Irene Brickner, 12.4.2019)