Die Eier von Fisch und Meeresfrüchten gehören zum Köstlichsten, was die Natur hervorgebracht hat. Manche werden am besten ganz frisch gegessen: Jene des Seeigels sind ein unvergleichlich cremiger und jodiger Genuss, wenn sie einfach so roh gelöffelt werden – am besten aus einem gerade vom Felsen gepflückten Igel, der nach dem Öffnen nur kurz mit Meerwasser ausgewaschen wurde. Kaviar-Connaisseure schwören ebenfalls auf nur wenige Tage alte, am besten nur ganz zart gesalzene Ware.

Zum großen Glück von Binnenlandbewohnern gibt es aber auch Fischeier, die erst mit Salz und Zeit so richtig gut werden: die Bottarga zum Beispiel. Die ganzen Eiersäcke von Fischen werden dafür gereinigt, eingesalzen, bis fast alle Flüssigkeit aus ihnen gesaugt ist, und dann in Wind und Sonne luftgetrocknet. Die Technik ist unter verschiedenen Namen und mit Eiern verschiedener Fischarten rund um die Welt verbreitet. In Japan und China werden die Eier von Meeräschen verwendet, das Ergebnis wird gern gegrillt als Snack oder auf Reis gegessen. Auch in vielen Mittelmeerländern werden Meeräscheneier eingesalzen. Als Königin der Bottarga gilt aber in Europa jene vom Thunfisch. Gut gemacht schmeckt sie schlicht fantastisch: tief, komplex, nach Fisch und Meer und Salz und Sonne – eine Art Parmesan oder Prosciutto aus dem Meer.

Foto: Tobias Müller

In Sizilien wird seit Jahrtausenden Bottarga gemacht. Jedes Frühjahr ziehen die Thunfische an der Mittelmeerinsel auf ihrer Reiseroute vorbei, bis vor wenigen Jahren wurden sie vor allem bei der traditionellen Tonnara gefangen. Ihre Eier einzusalzen und damit haltbar zu machen war immer schon Teil jener konsequenten Kopf-bis-Schwanzflossen-Verwertung, die in jeder traditionellen Esskultur selbstverständlich ist. Ich durfte für die aktuelle Falstaff-Sizilien-Ausgabe auf die Insel fahren und einen der berühmtesten Bottarga-Produzenten besuchen: Alfio Visalli salzt in der kleinen Küstenstadt Acireale noch händisch die Eiersäcke ein. Er hat mir seine Produktion gezeigt und mit mir Bottarga gekocht.

Zuerst gibt's ein paar Bilder vom Bottargamachen, dann kommt endlich das Rezept.

Foto: Tobias Müller
Foto: TObias Müller

Rohe Thunfischeier-Säcke sind ganz erstaunlich groß und schwer. Die stattlicheren Exemplare werden gut einen Meter lang und sind mit einer Hand nur mit Mühe zu heben – zehn Kilo können sie schon auf die Waage bringen.

Alfio streicht sie zunächst etwas aus, um Luftblasen aus dem Eiersack zu entfernen.

Foto: tobias Müller

Dann werden sie mit einer Mischung aus Meersalz und Zucker massiert und schließlich zwischen Holzbrettern zum Pökeln gelegt. Etwa 30 Tage darf das Salz seine Arbeit tun, dazwischen wird es immer wieder gewechselt.

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Wenn die Säcke die gewünschte Konsistenz erreicht haben – Alfio kontrolliert händisch –, werden sie zum Trocknen aufgehängt. Jeden Tag wird das Gestell für zwei Stunden in die sizilianische Sonne geschoben. Je nach Wind und Wetter dauert es weitere 40 Tage, bis die Bottarga reif ist. Am Ende soll sie ziemlich trocken, aber nicht ganz hart sein – ihre Konsistenz erinnert ein wenig an mit Sand gefüllte Turnmatten.

Foto: tobias Müller
Foto: tobias Müller

Das Ergebnis ist ungemein köstlich und ziemlich luxuriös: Das Kilo von der guten Ware kostet etwa 280 Euro. Bottarga ist allerdings ziemlich intensiv und wird meistens zum Würzen verwendet – Sie brauchen also nicht viel davon, ganz ähnlich wie bei Trüffeln.


Foto: Tobias Müller

Natürlich muss niemand Thunfischbottarga kaufen. Auch Meeräsche kann hervorragend sein, und ich weiß von zumindest zwei motivierten jungen Köchen in Österreich (Lukas Nagl und Peter Troißinger), die wunderbare Ergebnisse mit Eiern von Süßwasserfischen erzielen.

Alfio hat sie uns bei unserem Besuch auf zweierlei Arten serviert: einmal als Vorspeise mit Mozzarella, Zitrone und Minze, einmal ganz klassisch als Pasta. (Und weil er ein sehr netter Kerl ist, hat er auch noch frische Seeigel und Schwertfischbällchen dazugestellt.)

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Die Variante mit dem Käse ist ein herrlich erfrischender, erstaunlich harmonischer Bissen, der salzige Fischgeschmack ergänzt den mild-cremigen Mozzarella ganz wunderbar. Falls sie gute Bottarga bekommen, probieren Sie das unbedingt aus: Einfach dünne Scheiben von der Bottarga und einer guten Zitrone (bio!) schneiden und gemeinsam mit einem Minzblatt in den Mozzarella stecken, wie bei einem Sandwich. Gutes Olivenöl drüber, und ab damit in den Mund.

Foto: Tobias Müller

Pasta con Bottarga nach Alfio Visalli

Nicht zu viel Wasser – gerade so, dass die Pasta reinpasst – zum Kochen bringen und die Pasta darin sehr al dente garen. Ideal sind lange, eher dünne Nudeln, etwa Linguine.

Währenddessen ein wenig Bottarga reiben und etwas mehr in dünne Scheiben schneiden. Die Menge richtet sich ganz nach Lust und Geldbeutel. Die Schale einer Zitrone abreiben, etwas Knoblauch, Chili und Petersil hacken.

Foto: Tobias Müller

Knoblauch, Chili, Zitronenschale, Petersil in jeder Menge sehr guten Olivenöls kurz braten, bis es duftet, dann die geriebene Bottarga zugeben und kurz mitbraten. Mit einem Schöpfer Pastakochwasser aufgießen und stark kochen, bis sich eine sämige Sauce bildet.

Foto: Tobias Müller

Die gekochten Nudeln zugeben und gut durchmischen. In vorgewärmten Tellern anrichten, pfeffern und mit der in Scheiben geschnittenen Bottarga garnieren. So einfach kann köstlich sein.

Foto: Tobias Müller

Ich habe nach dem Verfassen dieses Artikels gemeinsam mit den Gebrüdern S. Bottarga verkocht und Alfios Thunfischbottarga mit einer tunesischen Meeräschen-Bottarga gegenvergekostet. Die beiden sind nicht nur von der Größe grundverschieden, sondern auch geschmacklich kaum vergleichbare Produkte. Die Meeräsche war viel weniger salzig und pur genossen komplexer im Geschmack, wenn auch mit einigen störenden Nebentönen. Die Thunfischbottarga ist deutlich intensiver, potenter, und schmeckt sauberer. Pur war sie allerdings zu salzig, erst auf der Pasta bzw. auf dem Mozzarella hat sie ihren Zauber entfaltet. (Tobias Müller, 14.4.2019)

Anmerkung: Der Thunfisch liegt in seinen letzten Zügen und sollte nicht oder nur ganz ganz selten gegessen werden. Schuld daran sind allerdings nicht die sizilianischen Küstenfischer und Bottarga-Genießer, sondern große internationale Fangflotten und der Billigsushi-Wahnsinn. Es ist besonders bitter, dass kleine Produzenten wie Alfio dafür nun den Preis zahlen sollen. Die Tonnara, die traditionelle Thunfischjagd im Osten Siziliens, wurde jedenfalls bereits vor einigen Jahren verboten.