Rudi Anschober ist seit 2003 Landesrat in Oberösterreich.

Foto: Heribert Corn

Der grüne Zweibeiner und der parteifreie Vierbeiner: Landesrat Rudi Anschober mit seinem Hund "Agur"

Corn

STANDARD: Zur ersten Pressekonferenz Ihrer Kampagne "Ausbildung statt Abschiebung" kamen zwei Journalisten. Gut ein Jahr später verdanken Sie der Initiative Ihren zweiten politischen Frühling. Warum ist das so ein Erfolg?

Anschober: Noch ist es kein Erfolg. Erst dann, wenn wir Möglichkeiten schaffen, dass die jungen Lehrlinge hier weiter leben und arbeiten können. Aber wir haben ein sehr breites Bündnis geschaffen – von Oppositionsparteien über kirchliche Organisation bis hin zu vielen Unternehmern. 75.000 Menschen tragen diese Initiative.

STANDARD: Hängt der Erfolg nicht auch damit zusammen, dass man die Weltverbesserer-Schiene verlassen hat – und vor allem die Vorteile für die Wirtschaft ins grüne Licht gerückt hat?

Anschober: Absolut richtig. Natürlich geht es zuerst um das Schicksal der Betroffenen. Aber natürlich geht es auch darum, den Nutzen für die Gesellschaft, für jeden Einzelnen aufzuzeigen.

STANDARD: Einer, der davon wenig überzeugt ist, ist Bundeskanzler Sebastian Kurz. Ihr Gesprächstermin vergangene Woche war ein totaler Abbrenner.

Anschober: Durchaus. Ich habe viel Hoffnung in dieses Gespräch gesetzt. Und fast ein Jahr darauf gewartet. Aber es war furchtbar enttäuschend, weil der Bundeskanzler überhaupt kein Interesse an einer konkreten Lösung für diese Gruppe hat. Ich habe ihm Vorschläge unterbreitet – etwa die "3 plus 2"-Regelung, die in Deutschland für über 7000 Lehrlinge hervorragend funktioniert. Ich wollte eine Nachdenkpause von drei Monaten. Und dass in dieser Zeit ein gemeinsamer Arbeitsprozess gestartet wird, wie man das Thema lösen kann. Aber vom Kanzler kam nur ein Nein. Und das ist ein unglaublicher Affront den vielen Unternehmern gegenüber. Auch den vielen Leuten aus der ÖVP, die sich engagieren.

STANDARD: Medial wurde das grün-türkise Treffen im Kreisky-Zimmer aber völlig unterspielt ...

Anschober: ... was nicht meine Idee war. Der Kanzler wollte vorab Stillschweigen. Ich habe mich daran gehalten – und es war letztlich trotzdem ein Nullergebnis.

STANDARD: Internationale Medien haben Sie zuletzt als "Ein-Mann-Opposition" bezeichnet – fühlen Sie sich da geehrt; oder überwiegt das Gefühl der Bitterkeit, offensichtlich der letzte aktive Grüne zu sein?

Anschober: Geh bitte. Das Gegenteil ist der Fall. Die Grünen schaffen Schritt für Schritt das Comeback. Die Stimmung wird besser, die Kampflust kehrt zurück. Und wir sind einen Schuss humorvoller als früher. Die EU-Wahl kann ein großer Schritt werden. Und ich rechne ohnehin damit, dass wir in den nächsten zwölf Monaten Neuwahlen haben werden. Möglicherweise auch schon im Herbst. Die Fassade der Harmonie bröckelt derzeit ganz massiv.

STANDARD: Wurde es nicht von der grünen Bundespartei sträflich verabsäumt, Ihre aktuellen Erfolge auch für die Partei zu nutzen?

Anschober: Werner Kogler unterstützt das Thema. Darüber bin ich auch sehr froh. Aber es ist eben eine überparteiliche Allianz. Das ist auch Zukunft in der Politik.

STANDARD: Heißt, es sind nicht alle in Ihrer Partei glücklich, dass man für die Kampagne vor allem der ÖVP und der Wirtschaft den roten Teppich ausgerollt hat?

Anschober: Ich stehe hinter der Initiative. Ich bin der Antreiber. Und meiner Meinung nach braucht es ebendiese breite Allianz.

STANDARD: Oberösterreichs neuer Grünen-Chef Stefan Kaineder glaubt, den jungen Grünen fehle ein grünes Schlüsselerlebnis – Zwentendorf, Hainburg. Fühlen Sie sich da nicht irrsinnig alt?

Anschober: Ich habe dieses Schlüsselerlebnis Zwentendorf auch nicht gehabt. Damals war ich gerade 17 Jahre alt – und ein völlig unpolitischer Mensch. Bei mir war später vor allem Temelín meine politische Initialzündung. Heute ist es für viele Junge die Klimarevolution.

STANDARD: Die Frage nach der Politpension kann nicht ausbleiben: Nie das Gefühl nach so vielen Jahren, dass es Zeit wird zu gehen?

Anschober: Diese Momente gibt es nicht. Aber die totale Freude darüber, dass viele hochkompetente Leute nachwachsen. Da hat es ja bei uns lang schlecht ausgesehen.

STANDARD: Manche in der Partei sehen Sie als eitles Alphatier, das den Nachwuchs gerne in der zweiten Reihe hat.

Anschober: Stefan Kaineder ist nicht mehr in der zweiten Reihe, sondern Landessprecher und stellvertretender Bundesparteichef. Und zwischen den Stefan und mir passt kein Blatt Papier. (Markus Rohrhofer, 14. 04. 2019)