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Begeisterte Anhänger von Indiens Premier Narendra Modi, dessen Maske ein Fan trägt, bei einer Kundgebung in Uttar Pradesh. Nicht alle Wähler sehen den Premier so positiv.

Foto: AP / Altaf Qadri

"Wir sind darüber hinweg", sagt Abdul Wahid in Muzaffarnagar knapp, als er aus dem Wahllokal herauskommt. Die Welle der Gewalt, die hier begann, liegt nun sechs Jahre zurück. Laut Polizei hat damals ein Verkehrsunfall zu den Ausschreitungen geführt. Andere Berichte erzählen von sexueller Belästigung einer muslimischen Inderin. Ihre Verwandten töteten aus Rache zwei Hindus. Was immer im August 2013 in Muzaffarnaggar geschah, bis zum Ende des Jahres waren über 60 Menschen tot, in blutigen Zusammenstößen zwischen Hindus und Muslimen, die sich auch auf andere Teile des Bundesstaates Uttar Pradesh (UP) ausbreiteten, ums Leben gekommen. Die "alliance" möge gewinnen, sagt Wahid. Er meint die Allianz zweier Oppositionsparteien, die in UP gegen die BJP antreten.

Die BJP, Indiens hindunationalistische Partei, hat ein halbes Jahr nach den Ausschreitungen, bei den Wahlen 2014, mit einem Erdrutschsieg 72 von 80 der Parlamentssitze UPs erobert. BJP-Politikern wurde vorgeworfen, Gewalt angestachelt zu haben, um daraus politischen Profit zu schlagen.

Der Weg nach Delhi führt durch Uttar Pradesh – so sagt man in Indien. UP ist der "battleground state" schlechthin, das Florida Indiens. Mehr als 200 Millionen Menschen leben hier. Wäre der Bundesstaat ein Land, wäre es das bevölkerungsmäßig fünftgrößte der Welt. Wegen der Größe des Staates wird in Etappen gewählt, die erste hat schon begonnen. Und wer im Parlament in Delhi die Mehrheit haben will, muss in UP vorlegen.

"Oppositionelle von Virus befallen"

In Muzaffarnagar leben mehr als 40 Prozent Muslime – im Vergleich zu 14 in ganz Indien. In UP gelten eigene Regeln. So hat auch die größte indische Oppositionspartei, der Indian Congress (IC), keine Siegchance. Zu korrupt, zu elitär, zu arrogant sei die Partei, hört man. Die Kongresspartei hat ihre Hochburgen eher im tendenziell säkulareren Süden Indiens. In UP haben sich auch Muslime und Dalits, die Unberührbaren, an die Spitze gekämpft. Bei den aktuellen Wahlen hat sich die Opposition – anders als 2014 – zur Allianz zusammengeschlossen. Es war UP, wo Dalit-Ikone Mayawati jahrelang Chief Minister war. Doch seit 2017 wird der Staat vom BJP-Politiker und Hindu-Mönch Yogi Adyityanath regiert. Er fordert, den Taj Mahal in "Ram Mahal" umzubenennen, und den Bau eines Hindu-Tempels statt einer Moschee in Ayodhya. Wenn "sie" einen Hindu töten würden, würden "wir" 100 Muslime töten, sagte er bei einer Rede vor Anhängern 2014. Und erst vor einer Woche merkte der Yogi an, Oppositionsparteien seien vom "grünen Virus" der Muslimliga infiziert.

"Hal hal Modi, khal khal Modi" tönt der Sprechgesang dutzender Männer durch die enge Straße von Meerut – ein urbanes Zentrum, nur eine halbe Stunde Fahrtzeit von Muzaffarnagar entfernt. Die Straße führt zum Wahllokal in dem Ort. An dem Haus, vor dem ein BJP-Anhänger die orange Fahne schwingt, muss jeder vorbei. Als wäre die Luft nicht schon heiß genug, stimmen immer mehr begeisterte Anhänger von Premier Narendra Modi in den Sprechgesang ein, strecken die Fäuste in die Luft: "Modi überall, Modi in unserem Haus."

Modi, er habe endlich Gaszylinder gebracht, man müsse nicht mehr mit Holz heizen. Die Straßen seien besser, und: Endlich gibt es Toiletten. Die 19-jährige Shaloon hält viel vom Premier. Außerdem habe die Entwertung der 500-Rupie-Scheine Geldflüsse der Terroristen gebrochen. "Die BJP hat maximale Chancen hier, weil wir alle Modi wählen", sagt der 24-jährige Bankaj Yadav. Er arbeitet in Noida, dem "Silicon Valley" Delhis, für Amazon. Modi habe die Armee stark gemacht und Indien sauber.

Nur die Versprechen zählen

Kein einziges Mal habe sich der BJP-Abgeordnete in den vergangenen fünf Jahren in seinem Heimatdistrikt Baghpat blicken lassen, schildert hingegen der Ortsvorsteher des Nachbarwahlkreises von Meerut. Der Distrikt wird von Bauern dominiert. Die Preise für ihr Zuckerrohr wären zu niedrig. Und: Ja, Modi habe Gaszylinder ausgeteilt. Aber die Leute haben kein Geld, um sie aufzufüllen.

"Natürlich gibt es Probleme", sagt Narendra Taneja, Sprecher der BJP. In einem großen Land müsse man Schritt für Schritt vorgehen. In sechs Jahren werde die extreme Armut ausgelöscht sein. "Nur die Versprechen zählen beim Wähler, nie, ob sie eingehalten werden", sagt dazu Journalist Abeer Kapoor. Prognosen für UP sehen eine geringe Wahlbeteiligung, aber eine hohe unter Muslimen vorher. Für die BJP nicht optimal. (Anna Sawerthal aus Meerut, 15.4.2019)