Im Vorfeld der Abstimmung gab es Proteste gegen Uploadfilter.

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Nun ist es fix: Die heftig umstrittene Reform des EU-Urheberrechts hat am Montag die letzte Hürde genommen. Nach dem Europaparlament hat nun auch der EU-Rat – im Rahmen des Treffens der Landwirtschaftsminister – zugestimmt. Die EU-Staaten haben nun zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht zu verwandeln.

Interpretationsspielraum

Damit bleibt den einzelnen Ländern noch ein gewisser Spielraum, in welcher Schärfe sie die neuen Regeln umsetzen werden. So hat etwa Schweden bereits angekündigt, nur eine Minimalvariante verwirklichen zu wollen. Österreichs Regierung stand hingegen von Anfang an offensiv hinter den neuen Regeln – insofern ist auch davon auszugehen, dass diese hierzulande weitgehend vollständig umgesetzt werden. Im Vorfeld war zwar zu hören, dass es explizite Ausnahmen für Start-ups und kleine Unternehmen geben soll. Dies wollte das Büro des zuständigen Medienministers Gernot Blümel (ÖVP) auf Anfrage des STANDARD aber nicht bestätigen. Stattdessen verwies man allgemein auf die Frist, die Österreich nun zur Umsetzung bleibe.

Reaktionen

Ganz allgemein zeigt sich Blümel in einer ersten Stellungnahme aber begeistert von der neuen Richtlinie. Diese sei "nicht nur entscheidend für den europäischen Standort, sondern auch ein wesentlicher Schritt in Richtung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle", heißt es in einer Aussendung. Damit könnten jetzt "multinationale Onlinegiganten in die Verantwortung genommen werden". Weniger begeistert ist man bei den Neos: Claudia Gamon, Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl, spricht wörtlich von einer "zerstörerischen und innovationsfeindlichen Regelung". Zudem kündigen die Neos an, dass man vor den Europäischen Gerichtshof ziehen wolle, um die Regelung wieder zu Fall zu bringen.

Deutschland

Bis zur letzten Minute um die eigene Position zum neuen EU-Urheberrecht gerungen hatte die deutsche Bundesregierung. Zwischen den Koalitionspartnern CDU/CSU und SPD hat man sich schlussendlich darauf geeinigt, eine Protokollerklärung hinzuzufügen, in der festgehalten wird, dass man die Verpflichtung zu Uploadfiltern nicht in vollem Umfang umsetzen wolle. Konkret geht es dabei um die automatisierte Löschung von Inhalten, die wie eine Zensur für Inhalte wirken könne, wie man festhält.

Uploadfilter: unbeliebt, aber jetzt auch unausweichlich.
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Zudem wolle man auch sicherstellen, dass die Regelung nur für große kommerzielle Plattformen wie Facebook und Google gelte, nicht aber für Nischenangebote und Diskussionsforen. Namentlich als Ausnahmen genannt werden auch die Online-Enzyklopädie Wikipedia sowie die Softwareentwicklungsplattform Github – für diese sollen Uploadfilter ebenso wenig verpflichtend werden wie für den Messenger Whatsapp. Betont sei dabei, dass dies alles allerdings nicht viel mehr als eine Willenserklärung ist – ob das dann auch so umgesetzt wird, muss sich erst zeigen.

Ergebnis

Ganz generell fiel die Zustimmung zur neuen Regelung aber deutlich aus: 19 der EU-Staaten stimmten dem Vorschlag zu – darunter auch Österreich. Ablehnung gab es lediglich aus sechs Ländern, darunter Schweden, Polen und die Niederlande. Vertreter dreier Staaten enthielten sich ihrer Stimme.

Protest

Die geplante Reform des Copyrights hat bei Internetnutzern für massive Proteste gesorgt. Im Vorfeld gingen hunderttausende vornehmlich junge User auf die Straße, um gegen die Pläne zu demonstrieren. Hauptziel ihrer Kritik: Artikel 17, zuvor bekannt als Artikel 13 des Entwurfs.

Dieser schreibt nicht nur vor, dass sich Onlineplattformen im Vorfeld Lizenzen von Rechteinhabern sichern müssen – er sieht auch schwere Strafen für den Betreiber vor, wenn Nutzer trotzdem mit ihren Beiträgen Urheberrechtsverletzungen begehen. Eine unweigerliche Konsequenz dieser Regelung wären insofern Uploadfilter, die vorab kontrollieren, was hochgeladen wird.

Dies stelle eine massive Zensurinfrastruktur dar, beklagen Kritiker. Zudem könnten damit viele Inhalte wie Memes oder Parodien ausgefiltert werden – zumal die Plattformbetreiber allein schon aufgrund des Rechtsrisikos eher zu einer zu starken als zu einer schwächeren Filterung greifen werden.

Festgelegte Grenzen

Nach Kritik, dass dies gerade für kleine Plattformen den finanziellen Tod darstellen würde, sieht die EU-Regelung nun gewisse Mindestgrenzen vor. Der Einsatz von Uploadfiltern ist demnach nur für jene verpflichtend, die zumindest eines der drei folgenden Kriterien erfüllen: Sie machen mehr als zehn Millionen Euro Umsatz pro Jahr, haben mindestens fünf Millionen Nutzer pro Monat oder sind älter als drei Jahre.

Gerade Letzteres führt dazu, dass früher oder später sehr wohl auch kleine Betreiber in die Pflicht genommen werden – wie diese die Vorgaben technisch oder finanziell erfüllen sollen, ist derzeit vollkommen unklar. Eine Möglichkeit wäre hier, dass sich kommerzielle Filterdienste etablieren, die ihre Dienste dann anderen Anbietern zur Verfügung stellen. Dies würde dann natürlich jenen Kritikern recht geben, die im Vorfeld vor dem Aufbau einer zentralen Zensurinfrastruktur gewarnt haben.

Realität

Zweifel gibt es auch an der tatsächlichen Umsetzbarkeit einer solchen Vorabfilterung. Denn selbst Unternehmen wie Youtube, die schon jetzt sämtliche Uploads auf Copyrightverstöße kontrollieren, haben Probleme dabei, alle Verstöße aufzuspüren. Für andere Plattformbetreiber könnte dies komplett unmöglich sein, so die Warnung von Experten.

Der zweite umstrittene Punkt, Artikel 11 (im fertigen Text Artikel 15 genannt), sieht ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage vor. Demnach müssen Suchmaschinen und Nachrichtenaggregatoren für das Anzeigen von Artikelausschnitten – das können auch bloß Titel und Unterüberschrift sein – künftig Geld an die Verlage zahlen. Die Hoffnung dabei ist, dass dann Google und Co Lizenzen erwerben, um für solche "Snippets" zu zahlen. Allerdings scheiterten ähnliche Regelungen in der Vergangenheit bereits in Deutschland und Spanien. Die großen Verlage erteilten dort rasch Ausnahmen für Google News, da sie nicht auf die über Aggregatoren generierten Zugriffe verzichten wollten.

Widerspruch

Für Gegner der Urheberrechtsreform bleibt mit dem aktuellen Beschluss nur mehr der Gang zum Europäischen Gerichtshof (EuGH). Immerhin hatten Rechtsexperten schon im Vorfeld angezweifelt, dass Uploadfilter mit europäischen Grundrechten vereinbar sind. Solch ein Schritt ist allerdings langwierig und dürfte einige Jahre in Anspruch nehmen. Vor allem aber verhindert er nicht, dass das neue Gesetz zunächst einmal in Kraft tritt. (Andreas Proschofsky, 15.4.2019)