Wien – Richter Christian Gneist hat einen Rat für Angeklagten Nenad N. parat: "Im Kontakt mit Behörden sollten Sie Ihr Auftreten und Ihre Kommunikation überdenken. Unsere beiden Telefonate waren schon grenzwertig", zieht der gemeinhin recht entspannt verhandelnde Gneist gegenüber dem 32-Jährigen strengere Saiten auf. Der Unbescholtene, dem Stalking vorgeworfen wird, tendiert nämlich dazu, den Richter zu unterbrechen oder seine Fragen nicht zu beantworten.

Der ehemalige Mitarbeiter eines großen Telekommunikationsanbieters bekennt sich nur in einem Anklagepunkt schuldig: dass er möglicherweise während seiner Arbeit ohne Berechtigung eine Telefonnummer abgefragt hat. Dass er diese benutzt hat, um die Freundin einer Ex-Kollegin fernmeldetechnisch zu belästigen, bestreitet er. Auch dass er zuvor Telefonterror gegen Frau M., ebendiese Ex-Kollegin, ausgeübt hat.

Keine Beziehung nach einem Kuss

"Wie war das Verhältnis zwischen Ihnen und Frau M.?", will der Richter zunächst wissen. "Gut. Ich habe sie über den Leiter des Shops kennengelernt, in dem sie gearbeitet hat", erzählt der Angeklagte. "Hatten Sie eine Beziehung?" – "Nein. Nach einem Kuss hat man keine Beziehung", stellt N. klar. Jedenfalls keine Beziehung mehr habe nach der Sache mit den 600 Euro bestanden. "Ich habe sie ihr im November 2017 geborgt, sie wollte sie am 4. Dezember zurückzahlen. Erst Ende Dezember hat sie das Geld überwiesen."

Eigentlich könnte die Geschichte damit erledigt sein, seltsamerweise bekam Frau M. ab Jänner Botschaften von Wertkartenhandys und anonymen Konten sozialer Medien. Diese waren nicht nur nervtötend, sondern zum Teil auch bedrohlich. "Sie können davonlaufen, aber sie werden sich nicht verstecken können" war zu lesen, oder auch "Ich freue mich auf die Angst in Ihren Augen". Einem Bekannten von Frau M. wurde schriftlich angedroht: "Ich werde dir den Kopf einschlagen, du kleines Fötzchen, du."

Vermutungen über Verschwörung der Frauen

Der Angeklagte leugnet, dass diese Botschaften von ihm stammen. Und behauptet im Gegenzug, dass Frau M. ihn im Dezember 2017 und Jänner 2018 zweimal mit dem Tod bedroht habe. Warum sie das machen sollte, kann er sich nicht erklären. Überhaupt glaubt er an eine Verschwörung der beiden Frauen. Die würden versuchen, ihn durch falsche Indizien zu belasten.

Beispielsweise durch mangelnde Orthografie. Die zieht sich sowohl durch die anonymen Botschaften als auch durch N.s Eingaben an das Gericht. "Wie schaut es mit Ihren Rechtschreibkünsten aus?", will Gneist daher wissen. "Ganz ehrlich, ich achte nicht so drauf." – "Das merkt man." Die Staatsanwältin lässt mit unschuldiger Miene N. das Wort Psychiater buchstabieren. "P. S. Y. C. H. T. E. R", bemüht der Angeklagte sich. "Nein, da fehlt ein A", fällt ihm danach auf. "Und ein I", stellt der Richter korrekterweise fest. Ein "I", das auch in den Botschaften fehlte, in denen die Berufsbezeichnung verwendet wurde.

Unberechtigte Abfrage

Dass er nachgewiesenermaßen die Nummer der Freundin von Frau M. in der Datenbank seines Unternehmens abrief, sei ein Zufall, behauptet der Angeklagte. "Ich mache das dauernd!" Insgesamt ergebe sich ein seltsamer Eindruck, gibt Gneist zu bedenken. "Es schaut wirklich blöd aus, geb ich zu. Es könnte aber auch eine Falle sein", mutmaßt der Angeklagte. Denn er könne sich nicht mehr erinnern, von wem die Bitte um die Abfrage gekommen sei.

Für weitere Zeugen wird auf den 15. Mai vertagt. (Michael Möseneder, 16.4.2019)