Fragt man nach dem besten Science-Fiction- wie auch Fantasy-Roman aller Zeiten, ist in Umfragen ein Werk immer ganz vorne mit dabei: die Tetralogie "Das Buch der Neuen Sonne", entstanden in den Jahren 1980 bis '83. Ihr Schöpfer, Gene Wolfe, ist am Sonntag im Alter von 87 Jahren nach längerer Krankheit verstorben.

Gene Wolfe in einem Interview aus dem Jahr 2006.
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Geboren 1931 in New York, hat Gene Rodman Wolfe ein Ingenieursstudium an der Universität Houston absolviert. Seine bekannteste Leistung auf diesem Gebiet könnte – in Kontrast zu seinem schriftstellerischen Schaffen – kaum alltagsverbundener sein: Er war an der Entwicklung der Maschine beteiligt, mit der Pringles, eine Form von Kartoffelchips, hergestellt werden.

Beginn einer langen Karriere

Schon während seines Studiums und noch vor seinem Einsatz im Koreakrieg begann Wolfe versuchsweise mit dem Schreiben. Ende der 1960er Jahre steigerte sich sein Output, auf Kurzgeschichten folgte 1970 mit "Operation Ares" ("Unternehmen Ares") der erste Roman. Zwei Jahre später veröffentlichte Wolfe mit "The Fifth Head of Cerberus" ("Der fünfte Kopf des Zerberus") den ersten Titel, mit dem er sich dauerhaft in die Genregeschichte einschrieb.

Schon in diesem Buch, einer Sammlung von drei Novellen, zeichnete sich ab, was für Wolfes Werk typisch werden sollte: die Hinterfragung dessen, was man zu kennen glaubt. Der Erzähler ist ebenso auf der Suche nach seiner Identität wie andere Figuren und nicht zuletzt die Gesellschaften, in denen sie leben, als Ganzes – in diesem Fall die Bevölkerungen zweier Kolonialplaneten.

Kultstatus

Im "Buch der Neuen Sonne" arbeitete Wolfe das Motiv des unzuverlässigen Erzählers noch stärker heraus, eingebettet in eine Welt, in der Science Fiction und Fantasy miteinander verschmelzen. Vor dem Hintergrund einer fernen Zukunft schildern die Romane der Tetralogie den Lebensweg eines Folterers auf der sterbenden Erde. Das ursprüngliche Quartett wurde später mehrfach ergänzt, unter anderem durch die vierteilige Generationenschiff-Saga "Das Buch der Langen Sonne" (1994-96) und die daran anknüpfende Trilogie "Book of the Short Sun", (1999-2002) die nicht mehr ins Deutsche übersetzt wurde.

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Im Lauf seiner über 50-jährigen schriftstellerischen Karriere wurde Gene Wolfe mehrfach mit dem Nebula Award, dem World Fantasy Award und dem Locus Award ausgezeichnet. Seine Werke, insbesondere "Das Buch der Neuen Sonne", erlangten zwar keinen Bestseller-, aber Kultstatus und machten Wolfe zu einem der wichtigsten Genreautoren des späten 20. Jahrhunderts. Erfolgsautor Neil Gaiman betonte nach der Bekanntgabe von Wolfes Tod dessen Einzigartigkeit und nannte ihn schlicht "unseren Besten". (red, 16. 4. 2019)