Schon zu Studienzeiten Josef Farthofers wussten seine Kollegen: Der brennt alles, was ihm in die Finger kommt. Und zwar richtig gut. 28 Jahre später ist das immer noch so. Die Destillerie Farthofer im Mostviertel ist bekannt für ihre Obstbrände, der Wodka wurde 2012 als weltweit bester ausgezeichnet, und auch für Sänger Sido brennt der Mostviertler Gin: den Kabumm.

Das Körnchen Wahrheit: Auch Whisky ist Schnaps, aus Getreide destilliert und dann im Fass gereift.
Foto: Ingo Pertramer / Ruotkers

Und doch, aller Perfektion in der Umsetzung der vielen Ideen Farthofers zum Trotz: Als er das erste Mal die seltene Getreidesorte Nackthafer mälzen wollte, endete es in einem Fiasko. Einem von der Sorte, das die ganze Nacht lang anhält. Denn der Nackthafer hatte sich in der Mälztonne anstatt in Malz in zwei Tonnen Brei verwandelt, der sofort herausgeschaufelt werden musste.

Farthofer: "In den Büchern steht, Hafer soll man zwei Tage einweichen. Nackthafer ist dann eben doch etwas anderes." Aber es gehört dazu. Es ist Farthofers Preis, um seinen eigenen Weg zu gehen, und zwar in jedem Schritt der Produktion. In dem Fall der Nackthafer-Nacht handelt es sich um die Produktion von Whisky. Mostviertler Whisky.

Die Mälzerei war Josef und Doris Farthofers logischer nächster Schritt, um den Kreislauf der hauseigenen Whiskyproduktion zu schließen.
Foto: Jürgen Schmücking

Schon 2003, bei den ersten Brennversuchen von Getreide, das infolge im Fass zu Whisky reift, wusste der Schnapsbrenner: Ein Whisky aus dem Mostviertel muss etwas Besonderes sein. Er muss etwas bieten, das diejenigen aus Schottland, Irland, Japan und wie sie alle heißen nicht haben. Die Antwort liegt in 45 Hektar rund um den Produktionsstandort in Öhling: das Getreide aus eigener Produktion.

Josef Farthofer brennt Whiskys aus Getreide aus eigenem Anbau.
Foto: Daniel Schalhas

Das gibt es in der Form und in Bioqualität nur auf Farthofers Hof. Vom Schlägler Roggen über Brauweizen Hermann, Emmer und den bis dato ungemälzten Nackthafer. Warum man sich eine Mälzanlage anlegt, um Getreide in Malz zu verwandeln, um dieses dann zu Malt-Whisky zu brennen? Im Mostviertel, und das obwohl sogar die großen Brennereien in Schottland den Schritt des Mälzens für ihre Malts in der Regel auslagern, weil zu teuer und zu aufwendig? Schlicht, weil Josef Farthofer ein Fan von geschlossenen Kreisläufen ist.

Und Biomalz aus Roggen, aus den ursprünglichen Getreidesorten Emmer und Co von hauseigenen Äckern kann eben nur er herstellen. Außerdem hat der Destillateur somit jeden Schritt seiner Whiskyproduktion in der Hand. Die Mälztrommel beheizt er mit ebenso aus eigenem Anbau stammendem Elefantengras. Noch ein Kreislauf ist damit hergestellt.

"Wir wollen Kreisläufe schließen. Die Mälzerei war der nächste logische Schritt." Josef und Doris Farthofer, Destillerie Farthofer, Öhling
Foto: Farthofer / Daniel Schalhas

Der Energieüberschuss, der bei dieser nachhaltigen Methode des Anheizens entsteht, geht an die Schule im Ort. Seit Oktober 2018 schmückt die Mälzanlage aus Italien den ersten Stock der Destillerie. Den Whisky aus gemälztem, ursprünglichem Biogetreide gibt es ab 2021. So lange reifen diese Whiskys noch im Fass.

Whisky in Österreich

Bis dahin muss man sich also auch bei Farthofers noch mit Whiskys aus ungemälztem Getreide begnügen. Auch diese sind aus den ursprünglichen Sorten von Emmer bis hin zum Brauweizen Hermann gebrannt. Verzuckerung (und in der Folge durch Zugabe von Hefe Alkohol) entstehen dabei durch die Beigabe von Enzymen, den sogenannten Amylasen, beziehungsweise durch einen kleinen Anteil an gemälztem Getreide, das die Umwandlung von Stärke in vergärbaren Zucker startet.

Aber zurück zu Greifbarem: Der Whisky aus Schlägler Roggen aus dem Jahr 2014 und vom Feld "Obere Erlgrube" – auch das ist auf dem Etikett vermerkt – weht mir bei der Verkostungsrunde mit einem fein-brotigen Duft entgegen. Dieser Whisky erdet. Weihnachtsstimmung mit Orangenzesten und einem Hint Rauchigkeit macht sich breit.

Der Nackthafer-Whisky, vom Birdwiese-Acker, gereift im Weinbrandfass, und das seit 2015, kommt da schon offenkundiger daher: eine blumige Brise, dazu frisch gemähtes Gras in Kombination mit Exotik gibt es da. "Litschi", schießt es mir durch den Kopf. Nach hallt ein Gruß vom Omas Kletzenbrot. Auch das ist also Whisky – nur definitiv kein schottischer.

Der dritte im Bunde der aktuellen Farthofer'schen Whiskypalette ist der aus Brauweizen Hermann gebrannte vom Kickingerfeld. Er ist seit 2015 im Mostello-Fass gereift. Mostello ist dabei eine Interpretation von Portwein, die Farthofer, ganz à la Mostviertel, mit Most von der Birne herstellt. Vanille, eine Menge Karamell und röstige Rosine habe ich schon beim ersten Reinriechen in der Nase. Am Gaumen gibt es fast den Kaiserschmarren dazu. Wie ein Dessert, nur schlanker und ohne Zucker, präsentiert sich dieser Mostviertler. Er verlässt den Gaumen auch nicht, ohne nochmals seine subtile Rauchigkeit im Vanillemantel zu erinnern.

Südoststeiermark

Ja, Whisky ist auch vom Festland gut. Das hat man gute 250 Kilometer weiter südlich in der Südoststeiermark ebenso erkannt. Ruotkers heißt die Whiskylinie, die David Gölles Anfang April erstmals präsentiert hat. Der Name Ruotkers leitet sich dabei von der Riegersburg ab, die in Sichtweite der Fässer liegt.

Im Juni ziehen David Gölles und Katharina Fleck mit ihren Whiskeys und Co. in das "Ruotker's House of Whiskey, Gin and Rum"
Foto: Ingo Pertramer

Urkundlich wurde diese nämlich erstmals als Ruotkers Burg erwähnt. Auch für David Gölles' Whiskey (er schreibt seinen Whiskey mit "e", siehe "Whisky-Wissen") gilt: Herkunft ist nicht imitierbar. Und daher gelangen auch hier die Getreide aus familieneigenem Anbau ins Fass. Um als "Ruotker 100 % Rye", übersetzt Roggen, "100 % Spelt", also Dinkel, und "100 % Wheat", Weizen, wieder aufzutauchen.

David Gölles ist begeistert: "Man kann mit Whiskey unendlich viel spielen." Dabei meint der junge Brenner nicht nur den Facettenreichtum, den die Getreidesorten beisteuern, sondern auch die Fässer.

Es bleibt abzuwarten, wie sich seine Schätze in Tequila-, Sherry- und sogar Shochu-, also japanischen Reisschnapsfässern, zeigen werden. "Ich liebe es, Dinge auszuprobieren", sagt der junge Brenner und verweist auf die vielen Einzelfassabfüllungen aus mehr als 1000 Fässern, die man aus diesem Haus in Zukunft noch erwarten darf.

Brexit gegen Malzbrände

Der erste in Whiskey gegossene Gruß des Sohnes David an seinen Vater, den Essighersteller Alois Gölles, lagert in heimischen Zwetschgenbrand-Fässern. Im Herbst kommt er auf den Markt, der "Alois I.", die Vater-Sohn-Hommage im Whiskey-Format. Gemeinsame Sache haben die beiden schon mit ihrem "Brexit"-Whiskey gemacht.

"Man kann mit Whiskey so wunderbar spielen." David Gölles und Katharina Fleck, Ruotkers, Lembach
Foto: Jürgen Schmücking

Der Name ist nicht der Sympathie mit dem Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU geschuldet. Vielmehr steht er dafür, dass eben auch andere Getreidesorten als die Gerste, die in der Regel für schottische Single Malts verwendet wird, feine Whiskeys ergeben. Noch dazu, ohne diese zu mälzen.

Im Juli beziehen David Gölles und seine Freundin Katharina Fleck gemeinsam mit ihren Edelbränden eine neue Location: das "Ruotkers House of Whisky, Gin and Rum". Ausgezogen und somit auf dem Markt erhältlich sind vorab schon die Ruotkers aus Weizen, Dinkel und Roggen.

Auch "Rüdiger I.", ein Blend, also Verschnitt, ist bereits in gutsortierten Bars und Haushalten vertreten. "Er ist ein Bourbon-Style-Blend", sagt David Gölles. Die Cuvée hat also, wie amerikanische Bourbons auch, einen Maisanteil von mindestens 51 Prozent. Der Rest setzt sich im Rüdiger aus guten 25 Prozent Roggen sowie Anteilen an Dinkel-, Weizen-, Gerste- und Dinkeldestillat zusammen. Gölles: "In der Nase spürt man die Süße vom Mais. Hinten raus am Gaumen kommt dann extrem dunkle Schokolade und verbranntes Karamell."

Der Rye-Whiskey ist der Strukturverliebte in Gölles' Sortiment: "In der Nase etwas zurückhaltender, dafür am Gaumen mit richtig Druck aus Roggen und Rauch", sagt Gölles. Lässt man Ruotkers Spelt, also Dinkel, etwas stehen, "wird er total Banane", ist der junge Brenner selbst von der Exotik in der Nase überrascht. Für ihn ist Dinkel vom Aroma her das brotigste Getreide: "Es erinnert mich immer ein bisserl an Mühlen und die mehlgeschwängerte Luft dort."

David Gölles liebt den Facettenreichtum von Whisky und spielt mit den verschiedensten Fässern im Ausbau.
Foto: Ingo Pertramer

Der vierte im Bunde, "Ruotkers 100 % Wheat" war sechs Jahre lang im Oloroso-Sherry-Fass. Gölles: "Der polarisiert total. Sehr nussig und dazu die argen Aromen vom Sherry." Auch auf dem Festland gibt es also Feines. Immer mehr Destillateure und Konsumenten kommen auf den Geschmack von österreichischem Whisky. Gebrannt aus eigens dafür angebauten Getreidesorten aus der Region. (Nina Wessely, RONDO, 21.5.2019)