So soll Sollasina cthulhu einst über den Meeresboden gekrabbelt sein.
Illustration: Elissa Martin/Yale Peabody Museum of Natural History

Tentakelbewehrt, auf dem Meeresboden residierend und vor einigen hundert Millionen Jahren auf Erden aufgetaucht: Man kann sich in etwa ausmalen, warum britische Forscher das Fossil einer neuentdeckten Tierart nach Cthulhu benannt haben, der wohl populärsten Schöpfung des Horror-Autors H. P. Lovecraft.

Damit enden die Parallelen aber auch schon. Während es sich beim "Original"-Cthulhu um eine riesenhafte außerirdische Wesenheit mit gottgleicher Macht handelt, war Sollasina cthulhu nur etwa drei Zentimeter groß und damit selbst zu seinen Lebzeiten – dem mittleren Silur vor 430 Millionen Jahren – kein Riese. Gefunden wurden seine Fossilien in der Grafschaft Herefordshire in den West Midlands von England.

Das ergab die dreidimensionale Rekonstruktion des Fossils.
Foto: Imran Rahman/Oxford University Museum of Natural History

Ein Team um Imran Rahman vom Oxford Museum of Natural History untersuchte das Fossil Schicht für Schicht und konnte auf Basis der so gewonnenen Daten eine 3D-Rekonstruktion von Sollasina cthulhu anfertigen. Das ermöglichte auch Einblicke in das sogenannte Ambulacralsystem, ein für Stachelhäuter wie Seesterne, Seeigel und Seegurken typisches hydraulisches System von flüssigkeitsgefüllten Kanälen im Körper, mit dem die Tiere ihre kleinen Füßchen bewegen.

Symmetriefrage

Diese Füße oder Tentakel waren bei dem Tier aus dem Silur mit Reihen von übereinanderliegenden Platten gepanzert – ganz anders als bei ihren heutigen Verwandten. Eine nähere Untersuchung ergab, dass es am nächsten mit den Seegurken verwandt war, was man ihm nicht unbedingt ansieht. Die typische fünfstrahlige Symmetrie der Stachelhäuter wird bei den langgestreckten Seegurken von einer sekundären Bilateralsymmetrie überlagert.

Bei Sollasina cthulhu und seiner zeitgenössischen Verwandtschaft, den Ophiocistioidea, war die Fünfstrahligkeit hingegen noch offensichtlich. Das zeigen auch seine "Tentakel": Es waren 45 an der Zahl. Laut den Forschern dürfte das Tier diese zur Fortbewegung ebenso wie zum Aufgreifen von Nahrung eingesetzt haben.

Zum Vergleich: So in etwa hat man sich den Cthulhu aus der Literatur vorzustellen.
Foto: Titan Books

Kreativ bei der Namensvergabe mussten indes auch australische Forscher sein – alleine schon wegen der Zahl an Neuentdeckungen. Seit 2010 hatten sie über 1.660 noch nicht dokumentierte Insektenspezies beschrieben. Der jüngste im Fachjournal "ZooTaxa" vorgestellte Schwung umfasste zehn neue Arten von Wespen. Einige Spezies wurden nach Fachkollegen aus der Biologie benannt, doch dieser Vorrat war beizeiten aufgebraucht.

So erhielt Choeras zygon ihren Namen von den Zygonen, einem Volk parasitärer Aliens aus der Science-Fiction-Serie "Doctor Who", die die Gestalt ihrer Opfer annehmen können. Der Biologin Erinn Fagan Jeffries von der Universität Adelaide war das eine ausreichende Parallele zur Lebensweise der Wespe, die ihre Eier in Raupen ablegt, welche anschließend von der schlüpfenden Wespenlarve von innen her aufgefressen werden. Die Wespe Sathon oreo schließlich hat ihren Namen deshalb bekommen, weil sich Fagan-Jeffries von dem weißen Streifen auf den Fühlern der Wespe an die Füllung von Oreo-Keksen erinnert fühlte. (jdo, 22. 4. 2019)

Schokobraune Fühler mit einer dicken weißen Schicht in der Mitte: So kam die Wespe Sathon oreo zu ihrem Namen.
Foto: Erinn Fagan-Jeffries