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Forschern ist es gelungen, Nervenzellen in Schweinehirnen Stunden nach dem Tod der Tiere wieder zu reaktivieren (rechts).

Foto: AP

Wie definiert man den Tod, und wenn er einmal eingetreten ist: Wie tot ist tot? Es sind große Fragen, die Wissenschafter mit einer Erfolgsmeldung aus der Hirnforschung beflügeln. Erstmals ist es in Versuchen gelungen, in Gehirnen großer Säugetiere mehrere Stunden nach dem Tod Zellfunktionen wiederherzustellen. Die möglichen Implikationen dieser Ergebnisse sind aus wissenschaftlicher Perspektive aufregend, aus ethischer Sicht aufreibend.

Vorweg: Die Experimente, die Nenad Sestan und Kollegen von der Harvard Medical School in New Haven an toten Schweinen aus einem Schlachthof durchgeführt haben, haben keine unmittelbare klinische Relevanz und sind noch meilenweit von potenziellen Anwendungen am Menschen entfernt. Die Forscher konnten aber zeigen, dass einige der Abbauprozesse im Gehirn, die unmittelbar nach einer Unterbrechung der Sauerstoffversorgung beginnen und rasant zum Hirntod führen, nicht ganz so irreversibel sein dürften wie gedacht. Für Schlaganfallpatienten könnte das von großer Bedeutung sein.

Genaue Auswirkungen bleiben offen

Offen bleibt aber, welche genauen Auswirkungen eine zelluläre Wiederbelebung im Gehirn haben könnte. Eine normale Hirnfunktion oder gar Anzeichen für ein Bewusstsein wurden im Rahmen der Studie zu keinem Zeitpunkt festgestellt. Auf ein solches Szenario, auch wenn es sehr unwahrscheinlich sein mag, muss sich die Wissenschaft aber vorbereiten, ehe ein weiterer Schritt in die Richtung gesetzt wird – und ethische Leitlinien dafür erarbeiten.

Was bedeutet eine Reanimation auf zellulärer Ebene für die Endgültigkeit des Hirntods? Wie heikel schon diese Frage ist, zeigt ein Blick in die Intensivmedizin: Die Diagnose Hirntod markiert in der medizinischen Praxis die harte Grenze zwischen Lebenden und Toten. Ob ein Mensch noch behandelt werden muss, ob Spenderorgane entnommen werden dürfen, hängt von dieser Diagnose ab.

Die neuen Forschungsergebnisse stürzen Ärzte in Österreich aber in kein Dilemma. Hierzulande definiert der oberste Sanitätsrat den Hirntod als "Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstammes". Um diese Unumkehrbarkeit sicherzustellen, sind zahlreiche Untersuchungen nach einem genauen Protokoll über einen Beobachtungszeitraum von mindestens zwölf Stunden zwingend erforderlich.

Künftige Versuche könnten anders verlaufen

Aus medizinischer Sicht waren die Schweinehirne, die vier Stunden nach dem Tod der Tiere chirurgisch entnommen und mithilfe eines künstlichen Durchblutungssystems behandelt wurden, mausetot. Zwar konnten einige Zellfunktionen und der Zellstoffwechsel wieder angeregt werden, das Absterben von Nervenzellen verlangsamte sich. Gehirnfunktionen blieben jedoch vollständig aus. Was aber, wenn es in künftigen Versuchen nicht so wäre und neuronale Netzwerke, die Empfindungen zulassen, in einem isolierten Gehirn reaktiviert würden?

Die Forscher um Sestan haben bei ihren Experimenten penibel auf die Einhaltung vorhandener ethischer Richtlinien geachtet. Doch für einen solchen Fall gibt es keine klaren Regeln. Die wird es aber brauchen, denn es gibt gute Gründe, in diese Richtung weiterzuforschen: Die therapeutische Regeneration von Nervenzellen könnte vielleicht eines Tages Hirnschäden von Schlaganfallpatienten minimieren. Es muss ja nicht gleich die Auferstehung sein. (David Rennert, 19.4.2019)