Touristen, die sich in Wien Sehenswertes zu Gemüte führen wollen, sparen in der Wiener Staatsoper einiges an Zeit. Besuchen sie eine Aufführung von Wagners Parsifal, genießen sie nicht nur das Haus am Ring. Die Inszenierung von Alvis Hermanis bietet auch Einblicke in die Eigenheiten des guten alten Jugendstils im Sinne von Otto Wagner. Die dahinsiechenden Ritter finden sich untergebracht in seinem kunstvoll verschnörkelten Spital auf der Baumgartner Höhe. Als Patienten harren sie des Erlösers. Allerdings wirkt auch Parsifal wie eine Art Don Quijote, der sich die Welt im Wahn erschafft und schließlich als eingebildeter König dasteht.

Eine verspielte Regiearbeit ist das und inhaltlich nicht sehr konsequent. Tenor Simon O'Neill wirkt in ihr szenisch denn auch etwas fremd. Er verfügt über ein interessantes Timbre, das an die Schellackzeit erinnert. In gewichtigen Passagen schafft er spitzentönige Intensität, die seine Performance als respektablen Kraftakt erscheinen lässt. Zusammen mit Elena Zhidkova (als Kundry) bringt er jedoch szenisch wenig; der Kuss der Erkenntnis bleibt als zentraler Augenblick behäbig gestaltet.

Narkotisch wirkende Elegie

Im Orchestergraben debütiert der Chef der Münchner Philharmoniker, der umtriebige Energetiker Valery Gergiev. Er ist an der narkotisch wirkenden elegischen Poesie der Partitur interessiert. Sensibel ausgestaltet klingt das, und es entfaltet Charme durch Noblesse. Das bis auf manche Blechpassage gut disponierte Staatsopernorchester zelebriert Intimität. Deftige Akzenten gibt es, jedoch dosiert und im Sinne des Dramas. Nur zum Schluss hin finden sich die Sänger etwas übertönt.

Besonders schade ist das bei René Pape (als grandioser Doktor Gurnemanz). Dem dunklen Charisma der Stimme von Zhidkova vermag dies gottlob nichts anzuhaben. Ergänzend: Niveauvoll Boaz Daniel (als Klingsor), szenisch packend, aber vokal doch etwas ramponiert Thomas Johannes Mayer (als kopfwunder Amfortas). (Ljubisa Tosic, 19,4,2019)