Bei den Anschlägen in Sri Lanka wurden am Ostersonntag 290 Menschen getötet.

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Colombo – Die Gewalt in Sri Lanka hat nur eine Pause gemacht. Zehn Jahre ist es erst her, dass der Bürgerkrieg zu Ende ging. Die Minderheit der Tamilen forderte damals einen eigenen Staat im Norden der Insel. Die Tamil Tigers (LTTE, Befreiungstiger von Tamil Eelam) kämpften seit 1983 gegen Regierungstruppen mit allen Mitteln, von der EU werden sie als Terrorgruppe eingestuft. 2009 griff der damalige Präsident Mahinda Rajapaksa hart durch. Hunderte tamilische Zivilisten sind in Internierungslagern verschwunden, andere wurden ermordet. Beiden Seiten werden Kriegsverbrechen vorgeworfen. Aufgearbeitet wurde das bisher kaum.

Was am Ostersonntag in dem boomenden Touristenland geschah, sind die blutigsten Anschläge auf der Insel seit damals. Wohl auch wegen der Geschichte der Gewalt war die Regierung mit der Zuordnung der Taten vorsichtig: Es dauerte mehr als 24 Stunden, bis sie Verantwortliche für die Anschläge nannte. Zu groß war die Angst, in dem krisengebeutelten Land mit zu schnellen Schlüssen Gewalt vom Zaun zu brechen.

Bisher Statuen angegriffen

Während zwar schnell von einem "terroristischem Vorfall" die Rede war, gab das Kabinett erst am Montag bekannt, dass die lokale islamistische Terrorgruppe National Thowheeth Jama'ath (NTJ) hinter den Attentaten stecke. Schon vor etwas mehr als einer Woche hatte der Geheimdienst vor geplanten Anschlägen gewarnt. Doch die singhalesische Regierung ist stark zerstritten. Erst vor wenigen Monaten konnte ein Machtkampf zwischen Präsident Maithripala Sirisena, Premier Ranil Wickremesinghe und dem Parlament beigelegt werden.

Die NTJ hat bisher vor allem damit Schlagzeilen gemacht, dass sie buddhistische Statuen in dem mehrheitlich buddhistischen Land zerstörte. Vor einigen Jahren wurde ihr Chef Abdul Razik laut New York Times inhaftiert, weil er Rassismus schürte. Die Gruppe hätte auch mit einem internationalen Netzwerk zusammengearbeitet. Mit welchem, ist bisher nicht bekannt.

Das religiös-politische Klima in Sri Lanka hat sich in den vergangenen Monaten ohnehin verschlechtert. Von den 22 Millionen Einwohnern sind 70 Prozent Buddhisten, etwa zwölf Prozent Hindus (zu denen sich die Tamilen hauptsächlich zählen), zehn Prozent Muslime und sieben Prozent Christen.

Radikale Tendenzen

Seit Jahren machen auch radikale buddhistische Gruppierungen auf der Insel Stimmung gegen Minderheiten. Sie begreifen Sri Lanka als rein buddhistische Nation. "In Südostasien schaukelt sich sehr viel auf", sagt die Historikerin und Asienwissenschafterin Dagmar Hellmann-Rajanayagam. Bis 2009 wurden in Sri Lanka Tamilen und dann Muslime Ziel der Attacken und Ausgrenzung. Vorherrschend sei die Angst, dass eine Mehrheit von einer Minderheit bedroht und überrannt werde. Berüchtigt ist dabei vor allem die 2012 gegründete "Buddhist Power Force" Bodu Bala Sena, die in sozialen Netzwerken Stimmung gegen Nichtbuddhisten macht.

Auch Christen sind in Sri Lanka immer wieder Ziel von Hetze und Diskriminierung. Die lokale Kirchenverwaltung NCEASL (National Christian Evangelical Alliance of Sri Lanka) etwa meldet, dass buddhistische Mönche immer wieder versuchen, christliche Gottesdienste zu stören.

Die aktuellen Angriffe schlagen ein neues Kapitel der Gewalt auf der Insel auf. "Die Anschläge richteten sich bewusst gegen Christen und Ausländer, nicht gegen Buddhisten", sagt Hellmann. Die Tamil Tigers hätten nie Christen angegriffen, und Christen hätten trotz Angriffen auf sie in den vergangenen Jahren nie zu Gewalt gegriffen. (Anna Sawerthal, 22.4.2019)