Maria Katelieva ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der IMC Fachhochschule Krems.

Foto: IMC FH Krems

Was eine Region unverwechselbar macht, sind neben Landschaft und Architektur die speziellen Bräuche, Fertigkeiten und Kenntnisse ihrer Bewohner. Dieses immaterielle Kulturerbe ist mitunter schwer greifbar und verstärkt vom Verschwinden bedroht – wie etwa das uralte Wissen über Heilpflanzen und Wildkräuter. In ihrer vom Land Niederösterreich geförderten Dissertation beschäftigt sich Maria Katelieva mit der Erhaltung und touristischen Nutzung dieses kulturellen Kapitals der lokalen Bevölkerung.

"In meiner Arbeit untersuche ich die kulturellen Aspekte der regional sehr spezifischen Kenntnisse im Umgang mit der Natur", berichtet die gebürtige Bulgarin. "Es geht dabei darum, auf welche Weise solche traditionellen Kompetenzen die Kultur und Werte der Menschen in einer Region prägen und wie sie in der Gemeinschaft und nach außen weitergegeben werden."

Mohn im Waldviertel

So spiele etwa im Waldviertel das Wissen um den Mohn eine wichtige Rolle. "Seit den 1980ern wird diese Pflanze wieder vermehrt angebaut, verarbeitet und auch touristisch genutzt", so Katelieva. Ein gelungener Kulturtransfer in die Gegenwart und über die Grenzen der Region hinaus finde auch in der Gegend um Wiener Neustadt mit der "Pecherei" statt. "Hier hat sich im Laufe von Jahrhunderten eine ganz bestimmte Technik der Harzgewinnung aus Schwarzkiefern entwickelt." Dieses Wissen werde nicht nur in der lokalen Gesellschaft tradiert, sondern mit der Herstellung verschiedener Produkte oder einem Pecherei-Wanderweg auch wirtschaftlich oder touristisch genutzt.

Seit eineinhalb Jahren arbeitet die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der IMC Fachhochschule Krems im Rahmen ihrer Dissertation an der Universität für Bodenkultur Wien nun daran, nach solchen Vorbildern ein Konzept für die Erhaltung und die touristische Aufwertung von traditionellem Naturwissen in Niederösterreich zu entwickeln. "Wem dieses Wissen gehört und wer davon letztlich profitieren darf, ist bei seiner Vermarktung und touristischen Nutzung natürlich immer eine große Frage", sagt Katelieva. Da es darauf keine schlüssige Antwort geben kann, müssen die unterschiedlichen Interessen vieler Akteure – von der Unesco über die Tourismusverantwortlichen bis zur lokalen Bevölkerung – sorgfältig austariert werden. "Die verschiedenen Szenarien werden deshalb gemeinsam mit den diversen Stakeholdern erarbeitet."

Alle sollten profitieren

Dass diese Konzepte ökologisch und sozial nachhaltig sein müssen, versteht sich für die 32-Jährige, die 2012 aus Sofia neben einem Abschluss in Tourismuswirtschaft auch einen Master in Kultur- und Sozialanthropologie nach Wien mitbrachte, von selbst. "Das Wissen gehört allen, deshalb sollten möglichst auch alle davon profitieren." Wie Tourismus jenseits ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit aussieht, hat Katelieva am eigenen Leib erfahren, stammt sie doch aus einer Stadt an der zum Teil brutal vom Massentourismus geprägten Schwarzmeerküste. "So etwas kann und muss man vermeiden", sagt die Naturliebhaberin, die sich am liebsten in den Bergen und tauchenderweise im Meer aufhält – falls sie nicht gerade ihrer großen Leidenschaft, dem Zeichnen, nachgeht. (Doris Griesser, 28.4.2019)