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Ist noch mindestens drei Jahre im Amt: Emmanuel Macron.

Foto: REUTERS/Philippe Wojazer

"Die schärfsten Kritiker der Elche waren selber früher welche": Ob Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Wahlspruch des deutschen Satirikers und "Titanic"-Mitbegründers F. W. Bernstein kannte, als er am Donnerstag seine lange erwartete – und wegen des Notre-Dame-Brands verschobene – Botschaft an die irritierte Nation überbrachte, ist ungewiss.

Fest steht aber, ein wacher Geist, wie Bernstein einer war, hatte wohl Politiker genau solchen Zuschnitts im Sinn, als er zur Feder griff. Ebenjenen Macron, der zwar die Rechtsextremistin Marine Le Pen besiegt, sonst aber zwei Jahre lang keinerlei Anstalten gemacht hat, die Spaltung der Gesellschaft zu verkleinern.

Umfragen zufolge hat bloß ein Viertel der Franzosen Vertrauen in Regierung, Nationalversammlung und den von den marodierenden Gelbwesten bedrängten Präsidenten – für Macron, der in seiner Antrittsrede vor zwei Jahren gelobt hat, dem Land "mit Liebe zu dienen", sind das dystopische Werte.

Und weil er die Zeichen der Zeit, zumindest was seine Umfragewerte betrifft, erkannt hat, ist er hinausgegangen aus dem Elysée-Palast, hin zu den Menschen, gezählte 92 Stunden hat er an dem von ihm selbst ins Leben gerufenen "grand débat" teilgenommen. Herausgekommen ist dabei vor allem, was schon bisher im Übermaß vorhanden war: heiße Luft, verpackt in hübsche Rhetorik. So sehen es auch die 76 Prozent der Befragten, die an einer Umfrage des Instituts Ipsos am Mittwoch teilgenommen haben.

Dass die Distanz zwischen "denen da oben" und "uns da unten", die in Frankreich traditionell groß ist, durch Macrons vorgebliche Wandlung nun verringert wurde, darf bezweifelt werden. Diejenigen, die sich bisher von der politischen Elite überhört, übersehen und ignoriert gefühlt haben, werden dies auch weiterhin tun – egal ob Macron, einst selbst Schüler der Kaderschmiede, die Verwaltungshochschule ENA nun schließen lässt oder nicht. Und damit sind nicht nur die zum Teil gewalttätigen "gilets jaunes" gemeint.

Wenn der einstige Investmentbanker, der dem einen oder anderen Bürger auch gerne mal vor laufender Kamera empfiehlt, erst selbst Geld zu verdienen, bevor er protestiert, nun beteuert, "gelernt" zu haben, braucht es wohl Satire, um nicht zu verzweifeln. (Florian Niederndorfer, 26.4.2019)