Vernon Subutex (Jesse Inman) auf Herbergsuche bei Musikerfreunden (Vera von Gunten) von früher.

Matthias Heschl

So richtig geklappt hat es noch nicht, Virginie Despentes' Erfolgstrilogie über den sozialen Absteiger und ehemaligen Plattenverkäufer Vernon Subutex auf der Theaterbühne abzubilden. Sowohl die Uraufführung am Zürcher Neumarkttheater im Jänner wie auch Stefan Puchers Inszenierung an den Münchner Kammerspielen im März konnten die eigentümlichen Schlingen dieses Abgesangs auf die tief gespaltene Grande Nation nicht wirklich nachzeichnen.

Schauspielhaus Wien

Trotz heißen Dramaturgenbemühens, den Literaturhit in einen Bühnenhit umzumünzen, bleibt auch im Wiener Schauspielhaus, das nun in einer eigenen Fassung die österreichische Erstaufführung des Stoffes servierte, am Ende die Frage offen: Was will der Abend erzählen? Das Problem liegt womöglich schon bei Despentes' Romanen selbst: Auch sie flocken nach der grandiosen Exposition in Teil eins auf seltsamen Bahnen aus. Wobei das größte Rätsel der Titelheld selbst aufgibt, weil er an Stofflichkeit von anderen Figuren jederzeit übertrumpft wird und vielmehr eine Leerstelle bleibt.

Langgezogener Krimi

Wovon also erzählen? Davon, dass die analog erzogene, drogengeschädigte Punkgeneration der 50-Jährigen jetzt einfach abgeschrieben ist? Oder dass sich rechte und linke Bewegungen heute nicht mehr voneinander unterscheiden? Oder ist Das Leben des Vernon Subutex einfach nur ein langgezogener Krimi im Pariser Musikermilieu? Es wird immerhin viel unnatürlich gestorben.

All das kommt in Tomas Schweigens Vierstünder auch vor (inklusive integrierter Zwei-Klassen-Essenspause: Dreigangmenü drinnen, Suppe draußen). Doch am Ende dieser wie eine Serie aufgebauten und geschnittenen Inszenierung mit Filmzuspielungen und gewohnt herzhaften Figureninterpretationen (toller Neuzugang: Clara Liepsch) steht man vor nichts anderem als der Summe der einzelnen Erzählteile. Und so ähnlich rätselhaft wie im Roman machen dann auch am Schauspielhaus die alten Rave-Freunde auf Hippie-Truppe und verehren den passiv-entspannten Vernon Subutex wie einen Guru. Warum, das bleibt auch hier offen.

Zerlegung des Theaterraums

Man kann sich also in der von Tomas Schweigen und Tobias Schuster erstellten komprimierten Fassung der zwei ersten Bände (Teil 3 blieb vorerst ausgespart) vor allem an einzelnen, kleinen Dramen an der Rampe vor der großen Leinwand stattsehen. Der obdachlose Vernon (Jesse Inman) auf Tuchfühlung mit der Barmherzigkeit seiner Musikerfreunde; die verlangsamten Lebenstristesse von Patrice (Simon Bauer), die Schärfe der Privatdetektivin namens Hyäne (Ann Rot) oder der ganze wilde Haufen bei "Integrationsgesprächen" im Stammbeisl.

Diese seltsame Pariser Community in den Griff zu kriegen hätte für einen Theaterabend wohl schon gereicht. Schweigen aber möchte mehr und nimmt den Theaterraum wieder einmal auseinander für diverse Publikumsbewegungen, die aufwendig, aber wenig sinnstiftend sind. Am Ende ist das Publikum Gast eines psychedelischen Raves auf der Bühne. Leuchtstäbchen haltend. Erhellend war das nicht mehr. (Margarete Affenzeller, 29.4.2019)