Es hat sich etwas getan in Österreich, ohne Zweifel. Einen Kulturminister, der einen Journalisten vor laufender Kamera per "Blödsinn" anblafft, oder einen EU-Abgeordneten, der einem anderen Journalisten "Folgen" androht, das hat man in den vergangenen Jahren nicht gesehen und sieht man auch in vergleichbar zivilisierten Ländern so gut wie nie.

Österreichs Politiker haben ihren Freud gelesen. Sie wissen, dass es ein Unbehagen in der Kultur gibt, und arbeiten daran, es durch ein Behagen in der Unkultur zu ersetzen. Gut so! Es war eh überfällig, diesen zivilisatorischen Klimbim endlich über Bord zu werfen: "Umgangsformen", "Herzensbildung", "Dialogbereitschaft", "prinzipielle Akzeptanz des anderen".

Kein Mensch braucht das, schlechte Manieren sind wieder gefragt! Den linken ORF-Beidln gehört übers Maul gefahren, wenn sie blöde Fragen stellen anstatt unseren Herrschern die geziemende Ehrerbietigkeit zu erweisen.

Auch im Ausland wird der neue Tonfall interessiert wahrgenommen. Das heißt: Die Österreich Werbung muss reagieren und das Image des Landes als Hort überkommener Gschamster-Diener-Höflichkeit korrigieren. Neuer Claim: Österreich, Traumdestination für den Urlaub vom Ich. Spann aus vom lästigen Triebstau! Führ dich auf wie ein Politiker! Red den Ober an, wie es ihm gebührt ('Bring her den Einspänner, du Trottel')! Österreich, oder: Lass doch einfach mal die Sau raus. (win, 29.4.2019)