Am Dienstag wird dann wirklich alles präsentiert.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Die Regierung hat sich ordentlich ins Zeug gelegt – auch kommunikationstechnisch. Was da in den letzten Tagen häppchenweise zur Steuerreform präsentiert wurde, war nicht von schlechten Eltern. Die Flut an Vorspeisen hat den Appetit freilich eher gestillt als angeregt. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Entlastung nach derzeitigem Wissensstand – die letzten Häppchen werden heute, Dienstag, präsentiert – für die Bürger spürbar sein wird. Und darüber, dass die Regierung die Arbeitnehmer stärker profitieren lässt, als man das von einer ÖVP-geführten Koalition erwarten könnte.

Die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge im kommenden Jahr und die Reduktion der Steuertarife 2021 werden die Abgabenlast von Angestellten und Arbeitern mit knapp 3.500 Euro Monatsbrutto um 1.000 Euro jährlich verringern. In Haushalten der Mittelschicht, die auch vom Familienbonus profitieren, kommt es somit zu einer kräftigen Stärkung der Nettolöhne. An die fünf Milliarden Euro der Entlastung kommen Arbeitnehmern zugute, womit sie doch anständig bedient werden.

Wenig Entlastung für Niedrigverdiener

Weniger rosig sieht es bei Niedrigverdienern aus. Jene, die gar keine Steuern zahlen, haben recht wenig von der Entlastung. Zwar kommen auch sie in den Genuss der reduzierten Sozialbeiträge, allerdings macht hier die Regierung verhältnismäßig wenig locker. Wer etwa teilzeitbeschäftigt ist und 800 Euro brutto verdient, muss sich mit einer Abgabensenkung von 200 Euro begnügen.

Womit schon die größte Schwachstelle der Reform genannt ist: Österreich hat ein viel größeres Problem mit den Sozialbeiträgen als mit der Lohnsteuer. Die Finanzierung von Pensionen, Kranken- und Unfallversicherung, Wohnbauförderung oder Arbeiterkammer erfolgt faktisch über die Löhne. Das reduziert nicht nur das Nettoeinkommen, sondern erhöht die Arbeitskosten und wirkt folglich beschäftigungshemmend. Verschärft wird die Problematik dadurch, dass die Sozialbeiträge schon ab der Geringfügigkeitsgrenze voll zuschlagen.

Wenig Anreiz für Arbeitslose

Dadurch wird der Anreiz für Arbeitslose reduziert, einen Job im Niedriglohnbereich anzunehmen. Gerade die mit Anspielungen auf die soziale Hängematte vertraute Regierung hätte viel mehr in die Reduktion der Sozialbeiträge investieren sollen, um den Arbeitsmarkt nach dem Boom der letzten Jahre auch in Zeiten nachlassender Konjunktur zu stützen und der Digitalisierung offensiv zu begegnen.

Dazu hätte es eines weit größeren Volumens für die Entlastung bedurft, selbst wenn dann Gegenfinanzierungen notwendig geworden wären. Spielraum bei Erbschafts-, Vermögens- und Ökosteuern gäbe es ja ausreichend. So bleibt die Steuerreform deutlich hinter den Ankündigungen von ÖVP und FPÖ im Wahlkampf zurück. Potenzial für stärkere Akzente gab und gibt es ausreichend: Die gesamten Staatseinnahmen sind seit der letzten Entlastung 2016 um knapp 20 Milliarden Euro gestiegen. Ein Teil davon entstammt der kalten Progression, auf deren Ausgleich die Bevölkerung noch länger warten darf.

Völlig entbehrlich sind das Marktgeschrei von der größten Entlastung aller Zeiten und das Kleinrechnen früherer Reformen. Dass der Spielraum für eine Steuerreduktion jetzt größer ist als 2015 oder 2009, ist nicht das Verdienst dieser Regierung. Offenbar will sie übertönen, dass die Wahlkampfversprechen nicht eingelöst werden. (Andreas Schnauder, 29.4.2019)