Seit seiner Wahl zum US-Präsidenten hat Donald Trump durch seine sinnlose nationalistisch-populistische Politik einen Pfeiler der durch die Pax Americana gesicherte Weltordnung nach dem anderen zum Einsturz gebracht. Der Politologe Daniel W. Drezder betont in der Debatte über die künftige Strategie in "Foreign Affairs" (2019/3), Trumps wiederholte Angriffe gegen die EU und Nato bedeuten einen größeren strategischen Fehler als die Invasion des Irak. Er sei gleichfalls ein Symptom wie auch eine Ursache der kränkelnden US-Außenpolitik. In einer anderen Studie wird darauf hingewiesen, dass seit 1995 bis heute der Anteil der USA und ihrer Verbündeten (bei Kaufkraftparitäten gerechnet) an der Weltproduktion von 60 Prozent auf 40 Prozent fiel. Bei den weltweiten Verteidigungsausgaben schrumpfte ihr Anteil in derselben Zeitspanne von 80 auf 52 Prozent.
Nach fast drei Jahrzehnten der Hegemonie sind die Vereinigten Staaten mit zwei geopolitischen Rivalen konfrontiert: mit einem revanchistischen Russland im wirtschaftlichen Niedergang und einem aufsteigenden China mit weltweiten Expansionsplänen. Trumps Rezept des nationalistischen Protektionismus und fremdenfeindlicher Abschottung gefährdet die Freiheit und den Wohlstand nicht nur der Amerikaner.
Keine Amtsenthebung
Vor diesem düsteren Hintergrund ist es verständlich, dass die bunte Auswahl von über zwanzig Bewerbern um die Präsidentschaftskandidatur bei den Demokraten bereits anderthalb Jahre vor dem Wahltermin einen ungewöhnlich starken Widerhall gefunden hat. Nach dem zurückhaltenden Bericht des Sondermittlers Robert Mueller über Trumps vermutete Russlandkontakte und seine Versuche, die Justiz zu behindern, scheint eine Amtsenthebung praktisch chancenlos.
Nicht der von den meisten republikanischen Abgeordneten und Senatoren unterstützte Trump und seine Partei, sondern die Demokraten scheinen sich in einer schwierigen Lage zu befinden. Wenn sie im Repräsentantenhaus mit ihrer Mehrheit nichts tun, schützen sie ihn; wenn sie mit großem Trommeln ein Amtserhebungsverfahren einleiten und durch die Ablehnung der republikanischen Senatsmehrheit scheitern, kann sich Trump wieder im großen Stil als Opfer einer Hexenjagd hinstellen. Die Außenpolitik der amerikanischen Weltmacht dürfte bis zur Wahlentscheidung ein Spielball im innenpolitischen Machtkampf bleiben.
Trotz den Warnungen der Meinungsforscher vor einer zu starken Fixierung auf Trump, verkündete der in den Umfragen führende 76-jährige Joe Biden, acht Jahre Vizepräsident Barack Obamas, in seiner ersten etwas bombastischen Erklärung: "Wir befinden uns im Kampf um die Seele dieser Nation." Sein derzeit größter Rivale, der um ein Jahr ältere Bernie Sanders, Senator aus Vermont, vertritt als "demokratischer Sozialist" im Gegensatz zum gemäßigten und erfahrenen Biden einen für amerikanische Verhältnisse radikalen Linkskurs. Ob einer dieser alten weißen Männer letztlich die Kandidatur in der von jüngeren Frauen und Minderheitenvertretern immer stärker geprägten Demokratischen Partei schaffen wird, bleibt ebenso offen wie der Ausgang der Präsidentenwahl selbst gegen den Amtsinhaber Donald Trump. (Paul Lendvai, 29.4.2019)