Die SPÖ-Spitzen am 1. Mai in Wien.

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Den beinahe größten Beifall zollten die Besucher des Maiaufmarsches der SPÖ am Mittwoch auf dem Wiener Rathausplatz dem Wetter. Als der Spitzenkandidat für die kommende EU-Wahl, Andreas Schieder, in seiner Rede den Regen vom Vortag verteufelte und sich über die Sonne erfreut zeigte, feierte das Publikum die sommerlichen Temperaturen mit rasendem Applaus.

Mai-Aufmarsch der SPÖ in Wien – Rücktritts-Aufforderung an Strache.
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Das Wetter war also positiv gestimmt. Das half wohl auch dabei, den Platz in der Innenstadt gut zu füllen. Schon in den Morgenstunden machten sich die SPÖ-Sympathisanten aus den unterschiedlichsten Ecken Wiens auf den Weg in Richtung City. Unter den Klängen von Musikkapellen, die nicht nur Arbeiterlieder zum Besten gaben, sondern auch 1990er-Jahre-Dancehits wie beispielsweise "No Limits" aufspielten, wanderten die Genossen durch die Stadt. "So viele wie noch nie" seien es laut Stadtchef Michael Ludwig gewesen, die auf dem Rathausplatz mit Luftballons, roten Nelken und bunten Transparenten aufmarschierten. "Mehr als hunderttausend" zählte Schieder sogar. Für ihn wurden zwischen den roten Fahnen auch immer wieder mit blauen EU-Fähnchen heftig gewedelt.

Kritik an Regierung

Thematisch dominierte auf der Bühne wie auch auf den großteils selbstgemalten Bannern die Kritik an der türkis-blauen Bundesregierung. Auch wenn außer SPÖ-Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner niemand die Umfärbung der Partei von Schwarz zu Türkis ernst zu nehmen schien. "Was bedeutet Schwarz-Blau? Rassismus und Sozialabbau" war etwa auf einem Transparent zu lesen. "Unser Leben statt eure Profite. Nein zur 60-Stunden-Woche" stand auf anderen Schildern; oder auch: "Solidarität statt Hetze" und "Schwarz-Blau zeigt kein Erbarmen – spart immer bei den Armen". Dem blauen Innenminister Herbert Kickl widmete man sich mit dem Spruch "Nur Wickl mit Kickl".

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Die Basis verband die Kritik an der Regierung auch mit Forderungen an die eigene Partei. Allem voran nach klaren Positionen des roten Klubs. So fand sich etwa in der Menge auch die Forderung, dass die SPÖ nun klar "Op-Position beziehen" müsse; sich für die Vermögenssteuer sowie eine 30-Stunden-Woche einsetzen und gegen die Sicherungshaft auftreten solle.

Erster Auftritt für Bundeschefin

Für Rendi-Wagner war es der erste Auftritt bei einer Maikundgebung in Wien. Bei ihrem Gang zum Rednerpult hisste die Sozialistische Jugend mit Luftballons ein Banner: "Schluss mit dem Schweigen, her mit der Opposition", forderten sie von der Rednerin, der es just die Rede wegwehte.

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"Es macht einen Unterschied, wer regiert", sagte Rendi-Wagner, als sie ihre Zettel wieder beisammen hatte. Die ÖVP habe "jetzt nicht nur eine andere Farbe, sie wünscht sich auch eine grundlegend andere Gesellschaft". Die Partei von Kanzler Sebastian Kurz schaue weg, wenn die FPÖ "von einem Einzelfall zum nächsten torkelt". Dabei sei der blaue Vizekanzler Heinz-Christian Strache "selbst ein permanenter Einzelfall", sagte Rendi-Wagner und forderte Konsequenzen, nicht nur in der Bundesregierung: "Herr Strache, Frau Stenzel treten Sie zurück", rief Rendi-Wagner. Die nicht amtsführende Stadträtin der FPÖ Ursula Stenzel verglich vergangene Woche ein Interview im ORF mit dem FPÖ-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Harald Vilimsky, mit dem "Volksgerichtshof" des Dritten Reichs.

Rücktrittsforderung auch intern

Aber nicht nur von FPÖ-Politikern wurde der Rücktritt an diesem 1. Mai gefordert. Im Zug der SPÖ Döbling forderte die Jugend auf einem Banner dass sich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda zurückziehen solle: "Drozda, hast du auf die Uhr geschaut? Zeit zu gehen!"

Auch die Sektion 2 in der SPÖ Neubau wandte sich schriftlich an Drozda. "Auch auf deiner Rolex ist es 5 vor 12, Genosse!" stand auf rotem Stoff neben einer funkelnden Uhr. Und: "Vermögenssteuer jetzt." Ein junger Roter, der unter dem Banner eingezogen war, sagte später: "Rendi-Wagner hat gesagt, dass sie bei der rassistischen Politik der Regierung nicht wegschauen will. Ich erwarte, dass sie dieses Versprechen auch einlöst und die Opposition aktiver wird."

Die erste 1. Mai-Rede von Pamela Rendi-Wagner.
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Eine weite Anreise hatte ein älteres Ehepaar, das auf den Sitzplätzen neben der Bühne Platz genommen hatte. Aus Köln seien sie mit einer rund 200-köpfigen Reisegruppe der SPD angereist, erzählt die Frau mit blauer Windjacke beeindruckt. "Bei uns können sie nur Karneval." Begeistert zeigte sich die Pensionistin vor allem über "die vielen gutaussehenden und intelligenten Frauen an der Spitze. Das haben wir nicht."

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Für Beifall sorgte auch die Ankunft von Altbürgermeister Michael Häupl. Dieser zog gemeinsam mit seinem Bezirk Ottakring am Rathausplatz ein. Aber auch – besonders unter den Jüngeren – erhielt die neue Frauenvorsitzende, die Ex-Vorsitzende der Sozialistischen Jugend in Wien, Marina Hanke Zuspruch. Sie bezeichnete die Politik der Regierung als "Klassenkampf von oben".

Kritik von Regierung

Die Regierung wiederum kritisierte die SPÖ, weil nicht erlaubte Symbole der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Umfeld des Maiaufmarschs gesichtet worden sein sollen. Deren Erkennungszeichen sind in Österreich inzwischen verboten. Laut Polizei wurden jedoch keine Übertretungen des Symbole-Gesetzes registriert.

Kurz forderte ein "völliges Kappen aller Verflechtungen der SPÖ mit extremistischen Organisationen wie der stalinistischen PKK", Strache eine "sofortige Distanzierung" Rendi-Wagners.

Der Wiener Rathausplatz war am 1. Mai rot dekoriert.
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Regierung attackiert SPÖ

Die Regierung hatte sich am Mittwoch zu einem ungewöhnlichen Feiertags-Ministerrat getroffen. Kurz und Strache (FPÖ) lobten dabei noch einmal ihre Steuerreform und die sinkende Arbeitslosigkeit und ritten nebenbei Attacken auf SPÖ, die zu diesem Zeitpunkt wenige hundert Meter weiter ihre traditionelle Feier startete.

Für Kurz ist es dank Steuerreform und sinkender Arbeitslosigkeit "ein freudiger 1. Mai". In den letzten Jahrzehnten sei unter vorwiegend sozialdemokratischer Führung die Abgabenbelastung im Bund ebenso gestiegen wie in Wien die Gebühren. "Wir senken die Steuer- und Abgabenbelastung", so Kurz – und das ohne neue Schulden und neue Steuern.

Die Regierung am Mittwoch anlässlich des Ministerrats.
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Ähnlich Strache, der den Sozialdemokraten vorwarf, einen "politischen Scherbenhaufen" mit "Höchststeuerbelastung" und "Rekordarbeitslosigkeit" hinterlassen zu haben. Seit dem Regierungseintritt der FPÖ sinke die Arbeitslosigkeit dagegen. "So gesehen sind wir heute die Partei der Arbeitnehmer", befand der FP-Chef.

Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) verteidigte die Stückelung der Steuerreform auf mehrere "vernünftige Etappen", "damit wir sicherstellen können, gleichzeitig Überschüsse zu erwirtschaften". In Sachen Ökologisierung verwies der Finanzminister neuerlich auf die geplante "aufkommensneutrale" Neufassung von Normverbrauchsabgabe und motorbezogener Versicherungssteuer. (ook, mika, APA, 1.5.2019)