Historiker Stefan Litt zeigt den unerwarteten Fund.
Foto: APA/AFP/THOMAS COEX

Jerusalem – Anlässlich des Holocaust-Gedenktags hat die israelische Nationalbibliothek ein Dokument veröffentlicht, das eine seltsame Episode aus der NS-Zeit mit neuen Details versieht.

Bereits bekannt und unter anderem in dem 2011 erschienenen Film "Die Wohnung" dokumentiert war, dass der hochrangige Nazi Leopold von Mildenstein im Jahr 1933 das damalige britische Mandatsgebiet Palästina bereiste – zusammen mit einem befreundeten jüdischen Ehepaar. Ein jetzt veröffentlichter Gästebucheintrag zeigt, dass Mildenstein damals auch den Schriftsteller Moshe Yaakov Ben-Gavriel besuchte. Der in Wien als Eugen Hoeflich geborene Autor trat für die Idee des Pansemitismus ein, eine Vereinigung aller semitischen Völker.

"Nicht sicher, was ich davon halten soll"

"Das war unglaublich", sagt der Historiker Stefan Litt über den Fund des Gästebucheintrags. Er habe dann in Ben-Gavriels Tagebuch weitere Hinweise gesucht. Dieser habe zum Besuch Mildensteins auf einer privaten Veranstaltung zur jüdischen Kultur notiert, er sei sich "nicht sicher, was ich davon halten soll".

Einige Gäste hätten die Veranstaltung verlassen, andere hätten sich mit dem deutschen Gast unterhalten. Mildenstein habe "versucht, einige Worte Hebräisch zu sprechen, und war bemüht, sich kultiviert zu verhalten", schrieb Ben-Gavriel.

Mildensteins Besuch bei Ben-Gavriel und seine Freundschaft mit Juden seien "eine unglaubliche Geschichte, die zeigt, dass die Geschichte in Wirklichkeit niemals nur schwarz und weiß ist", kommentiert Litt den Archivfund.

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Mildenstein vertrat damals den Standpunkt, dass die deutschen Juden nach Palästina auswandern sollten. 1936 wurde er als Leiter der entsprechenden SS-Abteilung von Adolf Eichmann abgelöst, der später die Deportation der europäischen Juden in die NS-Vernichtungslager koordinierte und mitverantwortlich für die Ermordung von sechs Millionen Juden war.

Ab 1938 war Mildenstein Nahost-Referent im Propagandaministerium von Joseph Goebbels. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er unter anderem für die deutsche Vertretung von Coca-Cola, soll aber auch Kontakte zu US-Geheimdienstkreisen gehabt haben. Er starb 1968. (APA, red, 3.5.2019)