Vom Wehrsport zum Sportminister? Der Satiriker Jan Böhmermann inszeniert ein altbekanntes Foto als raumgreifende Installation.

Foto: Markus Krottendorfer

Die Kronen Zeitung hat er ziemlich sicher noch nicht übernommen. Auch wenn er behauptet, genau daran zu arbeiten – "zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchenvilla auf Ibiza".

Zum zweiten Mal in Folge durfte sich Jan Böhmermann unlängst für eine Auszeichnung mit dem Kurier-Fernsehpreis Romy "bedanken". Er tat es nicht leibhaftig, sondern schickte aus kugelsicherer Entfernung seines Kölner ZDF-Studios eine Videobotschaft der satirischen Hausmarke: Immer dahin, wo es wehtut!

Böhmermanns Grüße an "den durchgeknallten österreichischen Kinderkanzler" und "schweigenden Fascho-Helfer mit den großen Ohren" nahmen denn auch nicht alle mit Humor: Kurier-Chefredakteurin Martina Salomon sprach von einem "Eklat", "grottenschlechter Satire" und ganz einfach "schlechtem Benehmen".

Satire auf der Höhe der Zeit

Leibhaftig erschien der deutsche Satiriker nach seinem Wien-Konzert im Februar nunmehr als bildender Künstler in Österreich. Im Grazer Künstlerhaus eröffnete er am Freitag seine Ausstellung Deuscthland#ASNCHLUSS#Östereich, eine austriakisierte Fassung seiner 2017 im Düsseldorfer NRW-Forum gezeigten Schau.

Zum Romy-Geplänkel wollte Böhmermann nicht mehr viel sagen, außer dass er dem Kurier zum internationalen Tag der Pressefreiheit "alles Gute" wünsche. Und damit ist man mittendrin im Werk von Jan Böhmermann, der mit seiner Show Neo Magazin Royale seit 2013 intelligente Mediensatire auf der Höhe des digital-viralen Zeitgeschehens produziert; und es damit immer wieder schafft, im Wust der Populismen und Scheinvernünftigkeiten zu überraschen, zu unterhalten und aufzuklären.

Selektion am Eingang

Am Eingang zur Schau müssen Besucher nach "Österreicher" und "Ausländer" selektiert zunächst eine Passkontrolle überstehen und ihre Mobiltelefone abgeben. Für Faschisten gibt es ein Schlupfloch in Form einer Hundeklappe. Die Ausstellung zeige er in Graz, sagt Böhmermann, weil es schon nahe an Italien liegt, "dem zweiten Problemland" nach "Ungarn light" (Österreich). Die dafür Verantwortlichen nimmt Böhmermann mit einer offenen Unverfrorenheit aufs Korn, die er als Spiegelbild jener Zustände sieht, gegen die er sich wendet. Seit Christoph Schlingensiefs "Ausländer raus"-Aktion in Wien im Jahr 2000 unter Schwarz-Blau I hat wohl kein Künstler mehr derart direkt politisch gearbeitet.

Böhmermann und sein Team haben einen Parcours an Installationen gestaltet, denen gemeinsam ist, dass sie digitalen Raum, u. a. medial vermittelte Bilder, analog anfassbar machen sollen.

Wandern mit Sebastian Kurz

Kernstück der Schau ist eine lebensgroße Nachstellung eines Fotos, das den heimischen Vize-, oder wie Böhmermann sagt, "Witzekanzler", maskiert und in bundesdeutscher Tarnuniform bei mutmaßlichen Wehrsportübungen im Wald zeigt. Ein Baseballschläger, zu kurz angebunden, lässt sich nicht nach dem Uniformierten schwingen, sondern maximal nach einem baumelnden Bundesverfassungsgesetzbuch.

Sebastian Kurz widmet sich Böhmermann anders: Reliquienartig präsentiert er dessen wetterfeste Wanderbekleidung, die vom Bundeskanzleramt zur Verfügung gestellt wurde – "so gut wie ungetragen", wie es in einem offiziellen Schreiben heißt. Von den Socken bis zu den Schnürbändern wird die Rüstung fühlbar, die man bisher nur von PR-Fotos kannte. Kurz' Outfit soll fast dreimal so teuer gewesen sein wie die Nordic-Walking-Kluft Angela Merkels, die daneben gezeigt wird.

Trifft ins Schwarze

Raum ist auch für einige retrospektive Blicke auf Böhmermanns Wirken mit dem Neo Magazin: etwa auf jenen Messestand für einen fiktiven "Reichspark", der den Nationalsozialismus "Edutainment"-gerecht "erlebbar" machen sollte – eine Breitseite gegen die kommerziell-mediale Ausschlachtung der NS-Geschichte.

Böhmermanns Installationen treffen allesamt ins Schwarze: politische Kunst, die sich nicht hinter sperrigen Worthülsen versteckt. Dem Grazer Künstlerhaus ist ein Coup gelungen. (Stefan Weiss, 4.5.2019)