Bild nicht mehr verfügbar.

Zwischen Peniche und Baleal erstrecken sich kilometerlange Sandstrände, die Sonnenhungrige und Wellenreiter anlocken.

Foto: Getty Images/Andrey Danilovich

Wenn die Fischer Netze flicken, sind die Wellen ideal für Surfer.

Foto: Helge Sobik

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Fischer stellen sich den riesigen Sardinenschwärmen, die vor allem von April bis September hier durchkommen, mit ihren Kuttern in den Weg.

Foto: Getty Images/homydesign

Erst durchs Trocknen bekommt Fisch sein volles Aroma, meinen die, die ihn verkaufen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Lee Rogers

Am besten gelingt der Fang im Juni, dann sind die Sardinen groß und dick – und besonders schmackhaft.

Foto: Getty Images/iStockphoto/LuisPortugal

"Wir fürchten uns vor der See", sagt Gonçalo Completo, der früher wie sein Vater Fischer war und das heute nur noch nebenberuflich macht: "Wem die Furcht vor der See fehlt, bringt sich in Gefahr. Wenn der Ozean zürnt, ist es klug, sich fernzuhalten."

Gerade sitzen die Sardinenfischer von Peniche gut 100 Kilometer nördlich von Lissabon wieder einmal fest und flicken ihre Netze. Sie trauen sich nicht auf den Ozean hinaus, obwohl sie zu den Hartgesottensten unter den Atlantik-Fischern gehören. Einfach zu viel Wind. Die meisten von ihnen sind von Kindesbeinen an mit Booten auf dem Meer. Sie sind mit den gewaltigen Wogen aufgewachsen, die heute Wellenreiter aus aller Welt anlocken und Peniche zur "Wave Capital of the World", zur "Welthauptstadt der Wellen" gemacht haben. In den Geschäften der Innenstadt kann man T-Shirts mit diesem Slogan kaufen. Er ist nicht einfach nur ein Werbespruch – er ist wahr.

Abhängig von Wind und Wetter

Normalerweise stellen sich die Fischer den riesigen Sardinenschwärmen, die vor allem von April bis September hier durchkommen, mit ihren Kuttern in den Weg. Sie tun es westlich der vorgelagerten Berlengas-Inseln, wo das Wasser besonders kalt und tief ist. Wenn die See sie lässt. Der Fisch von dort schmeckt außergewöhnlich, hat ein besonderes Aroma. Und dort sind die Wellen am schlimmsten: Ein einziges Wogen auch bei Windstille, ein unaufhörliches Auf und Ab, gegen das jede Jahrmarkt-Schiffsschaukel ein Aprilscherz ist.

Gonçalo ist eine Ausnahme in der Zunft. Er ist noch jung, kaum dreißig. Und er hatte eine Geschäftsidee – eine, die ihn unabhängig von den Sardinenschwärmen machen sollte und doch ganz und gar von Wind und Wetter abhängt: Er fährt während der Sommermonate Bootstaxi und bietet gemeinsam mit seinem Vater Ausflugsfahrten zu den Berlengas-Inseln an. Dort gibt es ein Restaurant, ein kleines Hotel für nur wenige Übernachtungsgäste, dazu einen sehr einfachen Campingplatz. Die meisten, die hin wollen, sind Tagesbesucher. Wenn die Nachfrage zu gering ist, fährt er mit Gästen zum Hochseeangeln hinaus. Fast rund ums Jahr gibt es Anfragen. Vier Boote hat die Familie inzwischen in Betrieb, das größte für über 50 Passagiere, das kleinste für ein paar Kumpel auf Angelausflug.

Ohne Groupies

"Erst", sagt Gonçalo mit beiden Händen in den Hosentaschen seiner Jeans, "haben die Surfer Peniche entdeckt, jetzt kommen zumindest von Juni bis September auch die Strandurlauber – weil sich herumgesprochen hat, was für eine Hammer-Brandung wir hier haben. Und was für Strände dazu!"

Manche der Wellenreiter haben sogar ihre eigene Gefolgschaft dabei – zumindest dann, wenn hier die Weltcup-Rennen ausgetragen werden. Sie werden von Fans belagert, von schönen Frauen angehimmelt. Die Fischer dagegen müssen seit jeher ohne Groupies auskommen. Sie machen einfach ihren Job – aber genießen dafür den Respekt der Leute aus Peniche.

Sie sitzen auf viel zu kleinen Hockern an Land in der Sonne, die Knie fast unterm Kinn, auf dem Pflaster am Hafen von Peniche an der portugiesischen Atlantikküste: inmitten riesiger Fischernetze, die dort ausgebreitet sind. Sie schweigen, flechten, flicken, schauen sich jede einzelne Masche an und sind in ihrem Tun erstaunlich fingerfertig. Mit großen Händen und filigranen Werkzeugen, allesamt kräftige Kerle, mehr Ältere von über 50, sogar über 60 Jahren, als Jüngere. In Karohemd, Jacke und Jeans, mit Drei-, Fünf- und Sieben-Tages-Bärten. Sie wirken deplatziert hier, wie unfreiwillig festgehalten. Und so ist es ja auch: zu viel Wind zum Hinausfahren. Wieder einmal.

Wetterleute und Seemänner

Zu manchen Zeiten brauchen die Sardinenfischer auf dem rot-weiß getünchten Kutter Aventureiro – "Abenteurer" auf Deutsch – die Netze nur ins Wasser fallen zu lassen, um sie wenig später mit ihren leistungsstarken Seilwinden prallvoll an Bord zu hieven. Am besten gelingt es im Juni, dann sind die Sardinen groß und dick – und besonders schmackhaft. "Der Fisch aber", erzählt Jacinto Galego von der Aventureiro, "ist seltener geworden. Und die Schwärme nehmen oft andere Wege, kommen unserer Küste nicht mehr so nah. Es war immer ein hartes Brot. Und es ist noch härter geworden." Auf dem Höhepunkt der Sardinenfischerei gab es 60 Boote wie die Aventureiro in Peniche, heute sind es noch 15. Auf einigen davon fahren ausschließlich Pensionisten – weil sie nicht vom Ozean lassen können, weil sie diesen Kick brauchen. Und das Geld.

Morgen, spätestens übermorgen, sollen sie wieder rauskönnen. Der Sturm wird durchgezogen sein. Sagen die Meteorologen. Die Fischer lachen darüber. Sie kennen das Meer besser. "Die Wetterleute", sagt Jacinto, "haben ihre Instrumente und ihre Satelliten. Aber sie waren nie da draußen. Sie kennen das Meer nicht. Der Sturm wird bleiben. Noch mindestens vier, fünf Tage. Wie fast immer in dieser Jahreszeit."

Der Sturm bleibt

Lucindo Verissimo Tacôa war lange nicht mehr da draußen. Mit Fisch hat er aber noch immer zu tun. Er verkauft jetzt Trockenfisch in seinem Geschäft gegenüber der alten Festung am Platz Campo da República. Jeden Morgen breitet er Wolfsbarsche, Sardinen, Schollen und sogar Rochen auf einem Tapeziertisch in der prallen Sonne aus. Wenn es hier nicht nach Fisch riecht, dann tut es das nirgends. Binnen kurzer Zeit trocknen Wind und Sonne all das aus und konservieren es. Wer etwas kauft und zubereiten will, muss es "wiedererwecken". Unter kaltem Wasser abspülen, eine Nacht in Wasser einlegen, danach wie Frischfisch verarbeiten: "Trockenfisch ist viel besser. Erst durchs Trocknen bekommt Fisch sein volles Aroma", sagt Tacôa.

Ob Jacinto Galego selber sich eigentlich als "Sardinenmann" sieht? "Nein", sagt er. "Ich nehme, was die See mir gibt. Alles, was sie uns ins Netz legt. Und dann sortieren wir. Aber es gibt diese Jahreszeit, wenn es fast ausschließlich Sardinen sind. Dann bin ich Sardinenmann." Welchen er selber am liebsten isst? "Die Makrele. Vom Grill."

Das Sturmtief ist geblieben, noch volle vier Tage und Nächte. Die Meteorologen lagen falsch. Wieder einmal. (Helge Sobik, X.5.2019)