Wer an der Höheren Technischen Lehranstalt (HTL) in Ottakring Täter, wer Opfer ist – man vermag es nicht zu sagen. Die gesamte Angelegenheit, besser bekannt unter "Spuckattacke", mittlerweile auch "Mobbing" und "Causa HTL Ottakring", wirkt verworren – so, als hätten vorübergehend alle Beteiligten ihren Verstand an der Schulgarderobe abgegeben.

Es geht um einen Lehrer, der (augenscheinlich) einen argen Auszucker hat und einen Schüler attackiert; es geht auch um Schüler, Teenagerbuben, die diesen Lehrer (ebenso augenscheinlich) bis aufs Blut piesacken und verhöhnen – in der Klasse herrscht Chaos statt Unterrichts. Und schließlich geht es um das auf einer (mittlerweile gesperrten) Facebook-Seite verbreitete Gerücht, hinter all dem Wahnsinn steckten womöglich weitere Lehrer, die diese Klasse angestiftet hätten. Dass sich nach all dem sogar der zuständige Volksanwalt Peter Fichtenbauer (FPÖ) einschaltet und ein Prüfverfahren anordnet, ist nur logisch – und im Übrigen sehr zu begrüßen.

Die Frage ist nicht nur, wie diese Schule aus ihrem selbstverschuldeten Schlamassel wieder herauskommt. Rücktrittsforderungen an die Schuldirektion sind eine – naheliegende – Reaktion. Allerdings greift sie, ebenso wie nachträgliche Disziplinarmaßnahmen gegen involvierte Schüler und den Lehrer, viel zu kurz. Die drängenden Fragen lauten: Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Und, beinahe noch wichtiger: Wie können derartige Übergriffe und Entgleisungen für alle Zukunft verhindert werden?

Respektvolles Miteinander

Dass die Schulleitung nicht mitbekommen haben will, dass es über Monate massives Mobbing – oder zumindest massive Unruhe – in einer Klasse gibt, ist alarmierend. Gibt es an dieser Schule keine verbindlichen, transparenten Regeln und klare Sanktionen bei Verstößen? Und abseits klarer Regeln: Gab es einen von Lehrern und Schülern gemeinsamen getragenen Prozess, der ein respektvolles Miteinander fördert? Gibt es Peer-Mentoring, soziales Lernen, einen Leitfaden für den Umgang mit Mobbing-Opfern und -Tätern? Wurde Mobbing als Problem überhaupt je im Unterricht thematisiert? Ist es gar so, dass sich die Schulleitung für solche zentralen Vorgaben gar nicht verantwortlich fühlt, weil sie die "Schulautonomie" bisher als hohles Schlagwort erlebte? Wieso wendet sich ein Lehrer in so großer Bedrängnis nicht an seine vorgesetzte Stelle?

Es braucht mehr Psychologen und Sozialarbeiter an Schulen allgemein und an Brennpunktschulen im Besonderen; es braucht auch Lehrer mit Spezialausbildungen in Sachen Mobbing. Das ist umso dringlicher, als gezielte Psychoattacken gegen Menschen via Whatsapp, Instagram und Co sehr schnell ihr böses Ziel erreichen und beim Opfer verheerende psychische Schäden hinterlassen können.

Schließlich zeigt der Fall der HTL Ottakring einmal mehr, wie wichtig Diversität an Schulen ist. Dass HTLs einen eklatanten Burschenüberhang haben, ist seit Jahrzehnten bekannt. Dennoch wird viel zu wenig getan, um Mädchen für technische Berufe zu begeistern. Die Folge sind – neben sich hartnäckig haltenden Berufsklischees bei Männern und Frauen – homogene Klassen voller Pubertierender, in denen sich die Konflikte exzessiv hochschaukeln.

Wie man es dreht und wendet: Mit einem Rücktritt der Direktion und ein paar Schulverweisen wird diese Affäre nicht beendet sein. (Petra Stuiber, 6.5.2019)