Android ist wie auch schon in den vergangenen Jahren eines der dominierenden Themen auf der Google I/O.

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Wie sieht die langfristige Zukunft von Android aus? Kommt der Wechsel auf Fuchsia und damit eine komplett neue Softwarebasis? Eine Frage, die Google im Rahmen seiner Entwicklerkonferenz I/O einmal mehr offen ließ. Zumindest gibt es aber neue Details zu zeitlich näher liegenden Updates. Unter dem Codenamen Android Q arbeitet der Softwarehersteller derzeit eifrig an der nächsten Generation seines Betriebssystems. Erste Testversionen wurden bereits in den vergangenen Monaten veröffentlicht, mit der Beta 3 gibt es nun aber noch einmal einen ganzen Schwall an Neuerungen.

Es ist eine Versionsnummer

Den Anfang macht dabei eine Ankündigung, die nicht ganz überraschend kommt, nämlich jene der offiziellen Versionsnummer. Android Q wird also offiziell als Android 10 veröffentlicht werden. Und auch etwas anderes brachte Google rasch hinter sich: Ja, es wird einen systemweiten Dark Mode in der neuen Version geben – auch wenn ihn Google aus ungeklärten Gründen Dark Theme nennt. Ganz überraschend kommt das nicht, immerhin war all dies in den ersten Betas bereits mehr oder weniger gut versteckt zu sehen. Google bietet dabei Schnittstellen für Drittentwickler an, damit diese bei Nachfrage der Nutzer ebenso auf den dunklen Stil wechseln können. Dazu passend gibt es einen neuen Eintrag in den Schnelleinstellungen, mit dem rasch auf das Dark Theme gewechselt werden kann.

Wie Tag und Nacht: Das neue Dark Theme in Android 10.
Grafik: Google

Neues Gestensystem

In der Keynote wurde es nur am Rande erwähnt, nach der Installation der Beta 3 zeigt sich aber rasch: Diese bringt eine komplette Überarbeitung des – immer wieder kritisierten – Gestensystems von Google. Und das heißt vor allem: Man orientiert sich recht offensichtlich an den Konzepten von Apple.

Statt der bisherigen Systemnavigation gibt es nur mehr einen einzelnen dünnen Balken am untersten Bildschirmrand. Ein über diesem ausgeführter Swipe nach oben bringt die Rückkehr auf den Home Screen. Dies übrigens mit einer netten Animation garniert, die das Fenster in das passende Icon übergehen lässt. Eine Wischgeste nach oben mit anschließendem Halten ruft hingegen jetzt die Übersicht der geöffneten Apps auf. Und Swipe-Bewegungen nach links oder rechts wechseln flott zwischen den Apps hin und her – wie vom iPhone gewohnt.

Umwege

Mit diesem Konzept geht auch die Entfernung des Back-Buttons einher. Für diesen hat sich Google eine interessante Lösung einfallen lassen. Ein Wischen vom rechten Bildschirmrand nach innen löst ein Zurückgehen im System aus. An sich eine recht schnell lernbare Lösung, aber auch eine, die schon mal den Swipe-Gesten einzelner Apps – etwa auch Googles eigenem Gmail – in die Quere kommt. Ganz generell sind beim aktuellen Zustand noch einige Bugs zu bemerken, darunter auch in der visuellen Umsetzung. Auf Nachfrage betont Google, dass es sich hierbei noch um eine Beta handelt und noch weiterer Feinschliff folgen soll. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass Apps sich teilweise anpassen werden müssen.

Einen Vorteil hat das neue Gestensystem schon mal: Es verbraucht deutlich weniger Platz als die alte Systemnavigation, die Nutzer bekommen also einige zusätzliche Pixel für Inhalte auf ihren Smartphones.
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In der aktuellen Testversion ist die neue Gestensteuerung noch optional, das wird sie wohl auch bei bestehenden Geräten bleiben. Auf dem Pixel 3 kann man damit nun zwischen der neuen Gestensteuerung, der alten von Android 9 und der klassischen Systemnavigation wechseln – Letzteres ging bisher übrigens nicht. Die Problematik, dass unterschiedliche Gestensysteme den Wechsel zwischen verschiedenen Android-Smartphones erschweren, ist Google natürlich ebenfalls bewusst. So war denn auch zu hören, dass künftig alle Hersteller die neuen Gesten von Google ausliefern müssen, damit es hier einen einheitlichen Ansatz gibt. Wie das dann konkret aussieht, gilt es abzuwarten, es ist aber wohl davon auszugehen, dass die Hersteller andere Ansätze dann einfach zusätzlich anbieten können.

Live Caption

Ein großer Schwerpunkt aktueller Google-Entwicklungen ist Maschinenlernen direkt am Smartphone – und die Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben. Neu ist hier in Android 10 die Möglichkeit, Videos, Audiodateien oder auch Podcasts live zu transkribieren – ganz ohne Internetverbindung und systemweit für alle Apps. Google betont auch die sich daraus ergebenden Privacy-Vorteile, da die eigenen Daten nie ins Internet übertragen werden müssen. Dieses Feature ist allerdings noch nicht Teil der aktuellen Beta, es soll später dieses Jahr folgen, wie es Google vage formuliert.

Google

Eine weiteres neues KI-Feature in Android 10: Die mit Android 9 eingeführte Smart-Reply-Funktion steht nun automatisch für sämtliche Apps zur Verfügung. Bisher mussten Entwickler dies aktiv nutzen und selbst Vorschläge bereitstellen. Das geht zwar weiterhin, von Haus aus liefert aber das System von selbst passende Aktionen für die Nutzer. All das passiert ebenfalls komplett am Smartphone, ohne dass Daten an Google übertragen werden.

Privatsphäre

Überhaupt sind Sicherheit und Privacy zwei Schwerpunkte von Android 10, wie Google betont. Die neue Version bringe 50 Features, die gezielt auf entsprechende Verbesserungen abzielen. So wird künftig eine Benachrichtigung angezeigt, wenn Apps auf Location-Informationen im Hintergrund zugreifen. Gleichzeitig kann aber genau das Apps auch generell untersagt werden, die Erteilung Standort-Berechtigung kann also auch auf die Nutzung im Vordergrund begrenzt werden.

Fokus

Eine Art nächste Generation von "Digital Wellbeing" ist der Focus Mode. Dabei können die Nutzer selbst festlegen, welche Apps in diesem Modus noch Benachrichtigungen liefern dürfen – und welche nicht. Das Ganze ist in der aktuellen Testversion allerdings noch nicht enthalten, der Focus Mode soll ab Herbst für Geräte mit Android 9 und 10 verfügbar sein. Vor allem für Eltern interessant: Es lassen sich nun für einzelne Apps gezielt Zeitlimits festlegen, das Ganze ist eine Erweiterung des bestehenden Family-Link-Angebots.

Systemupdate

Unter dem Namen Project Mainline bestätigt Google ein äußerst ambitioniertes Unterfangen zur Verbesserung der Update-Situation – oder zumindest von Teilen davon. Künftig sollen nämlich Teile des Systems zentral von Google über den Play Store aktualisiert werden – etwas, worüber DER STANDARD im Vorfeld bereits berichtet hatte. Zum Start konzentriert sich der Android-Hersteller dabei auf 14 Module, vom Media Framework bis zur Android Runtime (ART), die zur Ausführung von Apps eine zentrale Rolle einnimmt.

Das Ganze ist dabei als ein langfristiges Projekt zu verstehen, es gilt also nur für Smartphones, die schon mit Android 10 ausgeliefert werden – wohl mit Ausnahme des Pixel 3, wo sich entsprechende Pakete schon jetzt finden. Abzuwarten bleibt auch, wie das dann von den Herstellern aufgenommen wird – und wie weit Google all dies vorschreibt. Am Rande der I/O gab es dazu zunächst keine eindeutigen Aussagen, aber unter der Hand war zu hören, dass die Übernahme eines Teils der Google-Komponenten fix vorgeschrieben werden soll und ein anderer optional bleibt. Natürlich alles mit der Option, dass Google diese Regeln mit der Zeit immer weiter verschärft.

Vermischtes

Zu den weiteren Neuerungen gehört das neue Thermal API. Darüber werden App-Entwickler informiert, wenn ein Smartphone zu warm wird, damit sie gezielt den Leistungsbedarf des eigenen Programms reduzieren können, etwa in dem die Videoqualität gesenkt wird. Und dann streicht Google noch den Support für den neuen Mobilfunkstandard 5G heraus, der ebenfalls fixer Bestandteil von Android 10 ist.

Beta-Programm

Wer Android Q testen will, muss zunächst einmal das richtige Smartphone besitzen: Die Beta 3 ist für sämtliche Smartphones aus Googles eigener Pixel-Reihe erhältlich – und das inkludiert die gerade erst vorgestellten Pixel 3a und Pixel 3a XL. Die Anmeldung für den Test erfolgt über die Android-Beta-Seite, anschließend erhalten die Nutzer umgehend ein entsprechendes Update an ihr Smartphone geliefert. Alternativ stellt Google auch komplette Factory Images oder Full System OTAs – Systemabbilder, die ohne Datenverlust installiert werden können – zur Verfügung. Deren Einrichtung setzt aber ein gewisses technisches Grundwissen voraus.

Nicht mehr nur Pixel

Doch im Gegensatz zu den ersten beiden Testversionen beschränkt sich die Beta 3 nicht auf Googles eigene Geräte: Es soll sie nämlich für insgesamt 21 Smartphones von zwölf unterschiedlichen Drittherstellern geben – darunter Nokia, Sony, Xiaomi und LG. Damit baut man das Betaprogramm im Vergleich zum Vorjahr noch einmal gehörig aus.

Probleme

Generell sei darauf verwiesen, dass bei Testversionen immer auch mit kleineren oder auch größeren Bugs zu rechnen ist. Insofern sollte die Teilnahme am Betaprogramm wohlüberlegt sein – vor allem, wenn es um das primäre Gerät für den Alltagseinsatz geht, zumal zwar beim Update auf die Android Q Beta alle Daten erhalten bleiben, will man bei Problemen aber auf Android 9 zurückwechseln, ist ein Zurücksetzen auf den Werkszustand unerlässlich. (Andreas Proschofsky aus Mountain View, 7.5.2019)