Wider die Empörungskultur: Bret Easton Ellis, Literaturstar der Generation X, kann sich nur wundern über die neuen Zeiten.

Zum alten Eisen zu gehören, das war für einen Autor wie Bret Easton Ellis eigentlich immer unvorstellbar. Mit 21 schrieb er bereits einen Bestseller über den notorischen Hedonismus seiner Generation X (Unter Null), noch unter dreißig legte er American Psycho nach, einen Roman, der lange als Inbegriff von Coolness galt, weil er die Yuppie-Dekadenz der Reagan-Ära an einem Serienmörder exemplifizierte.

Ellis verkörperte Zeitgeist wie kein anderer. Er wusste Ironie mit beißender Gesellschaftskritik zu verbinden und konnte damit sogar auf attraktive Weise moralisch erscheinen – auch wenn das damals nicht alle so sehen wollten. Aber die Zeiten haben sich geändert. Das imperiale Zeitalter, in dem sich Ellis zwar unbehaglich, aber dennoch immer irgendwie zu Hause gefühlt hatte, weil er mit dessen Sicherheiten aufgewachsen war, wurde vom Post-Empire der Ära nach 9/11 abgelöst.

Die gesellschaftliche Verschiebung, die sich mittlerweile fast überall in der westlichen Welt in einer wachsenden Polarisierung äußert, gibt dem einstigen Bad Boy zu denken. Oder besser: Anlass zu ätzender Kritik. Allerdings anders, als man vermuten würde. Ellis mag nicht mehr so hip wie früher sein, ein Querdenker ist er geblieben.

Gegen liberale Eliten

Denn Weiß, eine Sammlung essayistischer Texte, die immer wieder ins Biografische abzweigen, ist keine Abrechnung mit dem Neokonservatismus und dessen Speerspitze Trump. Der ist ihm eher egal. Im Visier hat er dafür jene urbanen liberalen Eliten, zu denen er irgendwo selbst gehört und deren weinerliche Klagen über den Hegemonieverlust er nicht mehr hören kann.

Ellis beginnt seine Textsammlung mit dem Geständnis, dass er keinen Roman mehr schreiben werde. In den vergangenen Jahren hat er immer wieder mit neuen Formaten experimentiert. Sein Podcast, in dem er sich Pop-, Film-, aber auch Gesellschaftsthemen widmet, gilt als einer der besten seiner Art. Er nutzte auch Twitter, um mit Gespür für kontroverse (und politisch inkorrekte) Einschätzungen zu provozieren.

Die hasserfüllten Reaktionen, die der Filmfan mit nächtlichen Tweets etwa über Kathryn Bigelow geerntet hat, haben Ellis verblüfft und seine Auseinandersetzung mit der Empörungskultur in sozialen Medien wohl mitinitiiert. Ellis wettert gegen den moralischen Puritanismus der Millennials, die er als "Generation Wuss", also "Generation Weichei", schmäht. Diese flüchte sich allzu oft in Sentimentalität und habe das Opfertum zu ihrer Leitkultur ernannt – die daraus gefilterte "moralische Überlegenheit" muss einem ironischen Ästheten wie Ellis zuwider sein. Entsprechend energisch faucht er gegen den Zwang zur Inklusion:

"Ich weiß genau, dass ich, schon bevor die Maxime der 'Zugänglichkeit' so schrecklich wucherte – die Einbeziehung aller in die gleiche Geisteshaltung -, ganz entschieden nicht wollte, was unsere Kultur verlangte. Anstelle von Respekt und Nettigkeit, Inklusion und Sicherheit (...) wollte ich konfrontiert werden."

Wenn man will, kann man es als Generationenkonflikt betrachten: Denn Ellis fühlt sich von den Millennials um sein Recht auf Rebellion gebracht. Seine Kritik reicht über simples Bashing von Identitätspolitik, wie es gerne von rechter Seite betrieben wird, glücklicherweise hinaus. Ellis beklagt nicht das Ausblenden einer alternativen Identität, sondern die Einschränkung der Denk- und Meinungsfreiheit – nicht zuletzt bedingt durch Unternehmen, die Politik zum Marketingtool verkehren. Und auch wenn man seine Analysen von Filmen wie Moonlight oder von Autoren wie David Foster Wallace nicht teilen will, stets erweist er sich als kluger Kulturkritiker, der seine Positionen anschaulich aufbereitet.

Verbeugung vor Didion

Schon dass sich das Buch Weiß nennt – vom deutschen Verleger wurde es in einen schwarzen Einband gehüllt, als müsste es sich dafür schämen -, ist ein Verwirrspiel, eine Camouflage, die Widerspruch anstacheln will. Denn Ellis, diesem verkappten Dandy, geht es nicht ausdrücklich um "Whiteness", auch wenn es im Buch nur zwei Begegnungen mit Schwarzen gibt, mit dem wegen seiner Pro-Trump-Tweets kritisierten Musikstar Kanye West und mit Jean-Michel Basquiat auf einer Toilette eines New Yorker Restaurants beim Kokainkonsum.

Weiß ist vor allem als Reverenz an die Essayistin Joan Didion zu verstehen, die in Das weiße Album den Umbrüchen einer vergangenen Ära nachspürte. Didion, eine "typische Goldwater-Republikanerin, (...) die Hippiekultur hasste, genau wie die Beatniks und den Feminismus der Siebziger", so Ellis schwärmerisch, hat mit ihren Texten auf die Verschiebungen von 1968 reagiert, die sie taumeln ließen. Auf vergleichbare Weise nimmt Ellis nun eine Ära in den Blick, an der ihm vieles widerstrebt. Die er aber auch von ihren inneren Dämonen kurieren will. (Dominik Kamalzadeh, 10.5.2019)