Es hätte kippen können. Einen kurzen Moment sah es vergangenen Freitag so aus, als gäbe es den großen Petzner-Eklat. Stefan Petzner stand in gelb-schwarzem Jogginganzug und schwarzem Strickhauberl da und hatte den starren Blick. Soeben hatte er den "Streetdance" absolviert und wieder wie Pinocchio beim Vogerltanz mit der guten Fee ausgesehen. Versteinert nahm er die hämischen Kommentare der Juroren entgegen, blickte, wie fast immer, aufs Taferl mit der niedrigsten Punkteanzahl eins und hörte unfreundliche Abschiedsgrüße: "Ich hoffe, dass Ihre Reise heute hier endet." Und wir Zuschauer daheim – wir wussten nicht, ob Petzner in der nächsten Sekunde tobt, schreit, weint oder irgendwie anders auszuckt.

Foto: ORF / Hans Leitner

Nichts davon geschah, Petzner war enttäuscht, man sah es ihm an. Aber schlussendlich riss er sich zusammen und trat ab. Heute, Freitag, treten Lizz Görgl, Nicole Wesner und Michael Schottenberg mit ihren Profitanzpartnern an, um Dancing Star 2019 zu werden. Die Ordnung ist wiederhergestellt.

Alles in Ordnung?

Ist sie das? Kann man, nach all dem, was in den vergangenen Wochen geschah, wieder zur Tagesordnung übergehen? Und einfach sagen, es war nichts?

Darüber müssen wir reden.

Aber was ist eigentlich geschehen? Auf den ersten Blick nichts Besonderes. Der ORF konnte nach einer Pause von einem Jahr ein Budget für die zwölfte Ausgabe von Dancing Stars aufstellen. Darin studieren mittelmäßig bekannte Bewohner dieses Landes Standardtänze ein, um sie einmal pro Woche live einer Expertenjury und dem Fernsehpublikum näherzubringen. Dieses stimmt nach nicht näher bekannter Gewichtung darüber ab. Das Paar mit der niedrigsten Punkteanzahl scheidet aus. Der Sieger gewinnt eine Trophäe und für wenige Wochen Titelpräsenz in Boulevardmedien.

Foto: ORF / Hans Leitner

Dieses Mal konnte man sich überzeugen, dass Leiden sehr nahe am Genießen liegt. Petzner litt, wir haben genossen. Gelitten haben auch die anderen Tanzpaare, weil es sehr bald nur noch um ihn ging. Egal, wie sie sich plagten und sich von ihrer wendigsten Seite zeigten: Alle wollten Petzner, ihn leiden und genießen sehen. Gaudi zur besten Sendezeit, besser als die Rosenheim-Cops.

Niemand soll glauben, der ORF hätte nicht gewusst, was er da anrichtet. Nirgendwo sonst wird gründlicher gecastet als bei Realityshows. Die Rollen sind verteilt. Petzner war als "Aufreger" gedacht, er war sich dessen bewusst und regte plangemäß auf. Der Eklat zwischen ihm und der Jurorin Karina Sarkissova war ein Geschenk für dieses Format, das längst den Käsegeruch von abgetragenen Tanzschuhen verströmt.

Foto: ORF / Hans Leitner

Mit Petzners Teilnahme überschritt die ORF-Show mehrere Grenzen. Noch nie zuvor war Dancing Stars in den Emotionsausbrüchen so direkt. Nicht nur Petzner zeigte ein wahres Gesicht. Die schluchzende Görgl beim Warten auf das Votingergebnis (was hätte sie gemacht, wenn sie nicht weitergekommen wäre?), Schottenbergs impulsive Umarmung von Petzner zum Schluss: Das waren Momente der Authentizität, nach denen Fernsehmacher so gierig sind und die diese Dancing Stars in die Nähe des Dschungelcamps brachten.

Foto: ORF / Hans Leitner

Daran wäre grundsätzlich nichts Anrüchiges. Das Dschungelcamp ist tadellose Trashunterhaltung, nur sind Mirjam Weichselbraun und Klaus Eberhartinger nicht Sonja Zietlow und Daniel Hartwich, und der öffentlich-rechtliche ORF ist nicht der Privatsender RTL.

Nicht wundern, was möglich war

Zudem bat der ORF mit dem "Aufreger" Petzner das erste Mal einen Tänzer mit Politvergangenheit aufs Parkett und half so mit, die Erinnerung an die erste rechtspopulistische Regierungsbeteiligung weichzuzeichnen: Sind ja auch nur Menschen, die Rechten.

Dass der ehemalige Politiker einer rechten Partei im Scheinwerferlicht stand, mochte manchem Parteifreund gefallen haben, einige von ihnen werden wohl auch zum Hörer gegriffen haben. "Die Kärntner alleine waren das nicht", vermutete Petzner. Die Taten dieser rechtskonservativen Regierung kosteten die Republik Milliarden. Aber bitte jetzt nicht wundern, was damals schon alles möglich war. Beim Paso doble ist alles wieder gut.

Foto: ORF / Hans Leitner

Der ORF hat gezündelt und gleichzeitig angebandelt. So darf es nicht enden! Noch gibt es vom Küniglberg keinen Mucks, wie und ob es eine Zukunft für Dancing Stars gibt. Der Ruf der Stars ist ramponiert, aber noch nicht vollständig ruiniert. Der Ballsaal muss wieder sauber werden. Raus mit den Voting-Chaoten! Also: aufstehen, Krönchen zurechtrücken und zurück aufs Parkett. Alors, on danse! (Doris Priesching, 10.5.2019)