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Donald Trump ist stets im Fokus, doch zumindest die jüngste Iran-Politik des US-Präsidenten wurde von dem Mann im Hintergrund ersonnen und durchgesetzt: Sicherheitsberater John Bolton.

Foto: Reuters/Ernst

Über John Bolton sagt man in Washington, er kenne keinen Konflikt, der sich nicht militärisch regeln ließe. Als er im April 2018 das Amt des Nationalen Sicherheitsberaters antrat, war er der, der aus der Versenkung auftauchte. Ein Anhänger bewaffneter Interventionen, auf die den USA nach dem Fiasko im Irak der Appetit gründlich vergangen war. 13 Monate später hat er seine aggressive Linie gegen Iran in der Regierung offenbar durchgesetzt. Vorsichtigere Köpfe wie Verteidigungsminister James Mattis gehören dem Kabinett nicht mehr an. Wenn nicht alles täuscht, ist es der Hardliner Bolton, der die Iran-Strategie an sich gerissen hat.

Auf die Frage, worauf sie hinausläuft, gibt es zwei Antworten: eine offizielle und eine inoffizielle. Gemäß ersterer soll das Anziehen wirtschaftlicher Daumenschrauben Teheran so unter Druck setzen, dass sich die Abgesandten Hassan Rohanis zurück an den Verhandlungstisch begeben. Diesmal aber soll es nicht nur um das Nuklearprogramm gehen, sondern auch um Raketen und Regionalpolitik; von der iranischen Einmischung in Syrien und im Jemen bis hin zur Unterstützung der Hisbollah im Libanon.

Sanktionsspirale

Folgt man indes der inoffiziellen Version, dann versprechen sich Falken wie Bolton von der Sanktionsspirale ein Szenario, in dem eine akute Wirtschaftskrise einen Volksaufstand nach sich zieht – und in der Folge einen Regimewechsel. Seit dem Irak-Kapitel gibt es nicht mehr viele in Washington, die Gefallen an dem Gedanken finden. Donald Trumps 70 Jahre alter Sicherheitsberater gehört ohne Zweifel dazu.

Gemäß der Logik der Eskalation reagierte der US-Präsident auf die Ankündigung Irans, seine Verpflichtungen aus dem Atomabkommen nicht mehr vollständig umzusetzen, noch am Mittwochabend mit zusätzlichen Strafmaßnahmen. Sie sollen die Exporte von Eisen, Stahl, Kupfer und Aluminium treffen – etwa ein Zehntel der iranischen Ausfuhren. Mit bereits zuvor verhängten Sanktionen will Washington zum einen die Ölindustrie des mittelöstlichen Landes in die Knie zwingen und zum anderen Firmen in aller Welt davon abschrecken, Handel mit Teheran zu treiben.

Dass dies vor allem die Europäer in ein Dilemma stürzt, hat Wendy Sherman, als Emissärin Barack Obamas federführend an den Atomgesprächen beteiligt, im Fernsehsender PBS auf den Punkt gebracht: Kein Unternehmen, das vor der Wahl stehe, dürfte seinem Iran-Geschäft den Vorzug vor jenem in Amerika geben. Doch dies sei nur ein taktisches Mittel, ohne dass ein schlüssiges Konzept erkennbar wäre. Was man denn erreicht habe seit Trumps Ausstieg aus dem Atomdeal? Im Nahen Osten verhalte sich der Iran eher noch konfrontativer, das iranische Volk erfreue sich keiner größeren Freiheiten, und das Weiße Haus dränge Teheran zurück auf einen Pfad, der zu einem Kernwaffenarsenal führen könnte.

Dessen ungeachtet treibt Trump die "Kampagne des maximalen Drucks" voran. Der Präsident und sein interventionistischer Sicherheitsberater, auf den ersten Blick passt das nicht recht zusammen. Als er gewählt wurde, stand Trump für weltpolitischen Rückzug, nicht für weltweites Eingreifen, auch wenn er das Iran-Abkommen als schlechtesten Deal aller Zeiten kritisierte. Er predigte militärische Stärke als Mittel der Abschreckung.

Scheinbare Widersprüche

"Wir werden aufhören, ausländische Regierungen zu stürzen, über die wir nichts wissen und mit denen wir nichts zu tun haben", sagte Trump 2016. Bolton dagegen steht im Ruf, der offensivste Außenpolitiker in den Reihen der Konservativen zu sein. Als er seinen Posten übernahm, soll ihn Trump im Scherz mit den Worten begrüßt haben, er müsse ihm versprechen, keine neuen Kriege vom Zaun zu brechen.

Einen Meinungsbeitrag für die New York Times setzte er einst, in der entscheidenden Phase der Nuklearverhandlungen, unter die Zeile: "To Stop Iran's Bomb, Bomb Iran" – um den Iran am Bau der Bombe zu hindern, muss man den Iran bombardieren. "Ich denke nach wie vor, es war richtig, Saddam Hussein zu stürzen", sagte er in einem Interview 2015, als jegliche Begeisterung für "Regime Change" längst verraucht war.

Zwei Jahre nach dem Einmarsch im Irak war er von George W. Bush zum UN-Botschafter ernannt worden. Sollte das Hauptquartier der Vereinten Nationen zehn Stockwerke verlieren, würde das nicht den geringsten Unterschied machen: Mit dieser saloppen Bemerkung hat Bolton einmal seine Weltsicht umrissen.

Multilaterale Institutionen bewirken in seinen Augen nichts Gutes, da sie genauso auf Kosten amerikanischer Souveränität gehen wie multilaterale Verträge. In dem Punkt trifft er sich dann wieder mit Trump, dem Präsidenten: "America first". (Frank Herrmann aus Washington, 9.5.2019)