Die Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR) ist Teil des österreichischen Impfplans,

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Wien – Das Thema Impfpflicht spaltet: Gegner warnen vor Zwangsmaßnahmen, Befürworter sehen darin die einzige Möglichkeit, die Ausbreitung hochansteckender Krankheiten wie Masern zu stoppen. Die Zahl der Masernfälle steigt jedenfalls: Waren im Jahr 2016 europaweit noch 5.000 Personen betroffen, betraf die gefährliche und hochansteckende Viruserkrankung zwei Jahre später bereits 82.000 Menschen.

Dabei gibt es ein wirksames Gegenmittel, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen – die Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR). Sie ist Teil des österreichischen Impfplans, der Eltern insgesamt neun kostenlose Impfungen nahelegt. Verpflichtung gibt es keine – noch nicht: Denn immer mehr Institutionen sprechen sich für eine Impfpflicht aus. Grund ist die geringe Durchimpfungsrate gegen Masern. Sie liegt in Österreich bei nur 84 Prozent. Um einen Herdenschutz zu erzielen, braucht es 95 Prozent. Österreich gehört zu den Schlusslichtern in der EU.

  • FÜR ALLE:

Die Österreichische Ärztekammer fordert eine generelle Impfpflicht bezüglich aller im österreichischen Impfplan empfohlenen Immunisierungen. Mit diesem sehr weitrechenden Vorstoß steht die Standesvertretung weitgehend allein da. Pflichtimpfungen sind juristisch heikel, da sie dem "Recht auf körperliche Unversehrtheit" widersprechen. Details dazu, wie die Ärzte Menschen zur Impfung zwingen wollen, ließ die Kammer offen.

  • GEGEN MASERN:

Was derzeit sehr viel diskutiert wird – unter anderem auch in Deutschland (siehe Artikel unten) –, ist eine Impfpflicht gegen Masern. Alexander Biach, Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, fordert eine verpflichtende Masern-Mumps-Röteln-Impfung. Laut Berechnungen des Hauptverbands sind 70.000 Kinder derzeit nicht geschützt. Breitet sich die Krankheit weiter aus, sind sie akut gefährdet. Biach begründet seinen Vorstoß damit, dass die Durchimpfungsrate durch die erste Teilimpfung ausreichend hoch sei. Beim zweiten Teil, der ab dem zweiten Lebensjahr verabreicht wird, gibt es aber eine gewisse Impfmüdigkeit, die eben zu der geringen Durchimpfungsrate führt. An einer Verpflichtung führe daher kein Weg vorbei: "Ich bin zwar kein Freund staatlicher Vorgaben, aber wer seine Kinder nicht impft, greift in den persönlichen Lebensbereich anderer ein – von Säuglingen und jenen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können."

Durch eine Pflicht kann man zwar nichts an der Ablehnung der Impfgegner ändern, sie würden etwaige Strafen in Kauf nehmen. Allerdings würde Skeptikern, die die Entscheidung für oder gegen die Immunisierung aus Unsicherheit auf die lange Bank schieben, der Entschluss abgenommen. Schätzungen zufolge gibt es zwei bis vier Prozent Impfgegner, die jegliche Immunisierungen ablehnen, 20 bis 40 Prozent gelten als Skeptiker.

  • FÜR BERUFSGRUPPEN:

Was zuletzt auf einem von der Volksanwaltschaft einberufenen Impfgipfel diskutiert wurde, ist die MMR-Impfpflicht für Gesundheitspersonal. Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ) macht Druck, sie rasch zu realisieren. Auch für pädagogisches Personal sehe er Bedarf. Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) pocht allerdings auf das Recht auf "Selbstbestimmung". Sie baut auf eine Erhöhung der Impfquoten durch den elektronischen Impfpass, der frühestens 2020 kommen soll. Dass die "größtmögliche Freiheit des Individuums" zu wahren ist, betont auch die Bioethikkommission im Bundeskanzleramt. Für Gesundheitspersonal bestehe den Ethikexperten zufolge aber "eine ethische Verpflichtung zur Impfung" .

In der Steiermark, wo im Jänner mehrere Masernfälle aufkamen, gibt es bereits eine Impfpflicht für Gesundheitspersonal: So müssen bestimmte Mitarbeiter der Spitäler der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (Kages) gegen Masern, Mumps, Röteln und Varicellen geschützt sein. Es geht hier um patientennah eingesetztes Personal, etwa in Kinder- oder Krebsstationen. Wer neu eingestellt wird, hat Impfungen nachzuweisen. Weigert sich ein bereits bei der Kages beschäftigter Mitarbeiter gegen eine Impfung, droht ihm eine Versetzung in einen anderen Bereich.

  • SPEZIELL FÜR KINDER:

Zwei mögliche Maßnahmen könnten den Druck auf Eltern erhöhen, mit dem Kind zur Impfung zu gehen: das Einbeziehen des Mutter-Kind-Passes oder die Koppelung an Schul- oder Kindergartenbesuch. Der steirische Landtag will die Masernimpfung verpflichtend im Mutter-Kind-Pass verankern. Derzeit sind mit dem Pass Untersuchungen für Schwangere und Babys nachzuweisen, um das volle Kinderbetreuungsgeld zu erhalten. Der steirische Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) könnte sich weiterführend zudem "vorstellen, dass die Masernimpfung für den Eintritt in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen Voraussetzung ist". Diese sanfte Impfpflicht sähe auch Volksanwalt Kräuter positiv. Was auch Druck für eine Immunisierung erzeugen könnte: Beim Masernausbruch in Kärnten mussten Kinder ohne entsprechenden Impfnachweis 21 Tage lang zu Hause betreut werden. (Marie-Theres Egyed, Gudrun Springer, 10.5.2019)