Lauschig warm dürfte der Normalzustand der Erde sein – doch im Verlauf ihrer Geschichte gab es einige drastische Ausnahmen.
Foto: Nicholas Swanson-Hysell, UC Berkeley

Berkeley – Eine Milliarde Jahre sind US-Forscher in der Erdgeschichte zurückgegangen, um ein System in der Klimaentwicklung unseres Planeten zu finden. Ihr Befund: Warm und mild sei die "Default-Einstellung" der Erde: Während drei Viertel dieses immens langen Zeitraums habe es auf der Erde keine Gletscher gegeben.

Reihe von Eiszeiten

Doch immer wieder kam es zu kalten Einschnitten – wir leben selbst mitten in einer solchen Epoche. Seit etwa 2,6 Millionen Jahren wechseln einander Kaltzeiten mit massiver Ausweitung der Eisflächen und Warmzeiten wie derjenigen ab, die vor ungefähr 12.000 Jahren begonnen hat. Selbst in diesen Warmzeiten ist die Erde aber immer noch bedeutend eisreicher als das, was laut der Langzeitanalyse ihr Normalzustand wäre.

Vor dem aktuellen Eiszeitalter gab es zwei wesentlich stärker ausgeprägte Eiszeiten im sogenannten Cryogenium, vor 720 bis 635 Millionen Jahren, bekannt geworden unter dem Schlagwort "Schneeball Erde". Eine weitere Kälteperiode, die sogenannte Anden-Sahara-Eiszeit, ereignete sich vor 450 bis 420 Millionen Jahren, am Übergang vom Ordovizium zum Silur. In diesen Zeitraum fällt das zweitgrößte Massensterben der Erdgeschichte. Es ist nur deshalb relativ unbekannt, weil bis auf einige Pflanzen und Pilze in den Küstengebieten das Leben damals noch auf die Meere beschränkt war.

Der vermutete Prozess

Die Anden-Sahara-Eiszeit ist zugleich das, was Nicholas Swanson-Hysell und Francis Macdonald von der University of California auf die Spur eines potenziellen Eiszeit-Auslösers gebracht hat. Damals sei eine vulkanische Inselkette mit einer der großen Landmassen kollidiert, ein Prozess, der die Appalachen im Osten der heutigen USA aufgefaltet hat.

Und solche Gebirgsbildungen können laut den Forschern zu einem entscheidenden Klimafaktor werden, wenn sie große Mengen von Ophiolithen emporheben. Diese Arten von Gestein sind reich an Kalzium und Magnesium – Elementen, die sich gerne mit dem in der Atmosphäre vorhandenen Kohlendioxid verbinden. Es komme zu einem Verwitterungsprozess, dessen Abfallprodukte über den Wasserkreislauf in die Ozeane gespült werden, Kalkstein bilden und das CO2 über Millionen Jahre hinweg in Ablagerungen binden.

Durch diesen Prozess werde so viel CO2 aus der Atmosphäre geholt, dass das Gegenteil des gegenwärtigen Treibhauseffekts eintrete – die Folge: Die Erde kühlt sich ab, bis hin zu einem Eiszeitalter, das Millionen Jahre anhalten kann. Wenn der Kollisionsprozess und damit die Gebirgsbildung zu Ende geht, kommt dieser Mechanismus langsam zum Erliegen. Ohne Gegenkraft können Emissionen aus Vulkanen – der andere große Faktor im CO2-Kreislauf – den Anteil des Treibhausgases in der Atmosphäre nun langsam wieder auf ein Niveau heben, das für das Erdklima typischer ist als eine Eiszeit.

Die Lage ist entscheidend

Zur Zeit der Anden-Sahara-Eiszeit befand sich die Region der heutigen Appalachen in den Tropen, was laut den Forschern von entscheidender Bedeutung sein soll. Unter den warmen und feuchten Bedingungen der Tropen seien die Verwitterungsprozesse, die das CO2 aus der Atmosphäre holen, nämlich um einiges effizienter. Swanson-Hysell und Macdonald untersuchten eine Reihe von Kollisionen zwischen Kontinenten und vulkanischen Inselketten – Eiszeiten seien aber nur denen gefolgt, die sich in den Tropen abspielten.

Interessanterweise ist ein solcher Prozess auch aktuell im Gange, nämlich zwischen Australien und dem indonesischen Archipel. Allerdings braucht man sich laut Swanson-Hysell keine Hoffnungen machen, dass das den vom Menschen verursachten Klimawandel ausgleicht. Dafür läuft der Prozess viel zu langsam ab. Die Erde werde langfristig wieder zu ihrer Balance zurückfinden – die menschliche Zivilisation müsste sich allerdings auf eine lange Wartezeit einstellen, wenn sie bis dahin nicht selbst Maßnahmen ergreift. (jdo, 8. 6. 2019)