Es ist wie mit Deckel und Topf, Faust und Auge oder Tom und Jerry – zu jeder Wohnung gehört ein Parkplatz. Zumindest wenn es nach den Bauvorschriften in den allermeisten Städten geht. Gut, nicht immer ist der Schlüssel gleich – mancherorts, etwa in Wien, ist ein Parkplatz pro 100 Quadratmeter Wohnnutzfläche Vorschrift.

In Niederösterreich muss pro Wohnung ein Parkplatz errichtet werden. Eine Vorgabe, die für die sieben Gemeinden Amstetten, Hollabrunn, Krems, Mödling, Schwechat, St. Pölten und Tulln Anlass war, bei der TU Wien eine Studie in Auftrag zu geben, die das Stellplatzregulativ in Niederösterreich analysiert und hinterfragt.

Oft nutzen Bewohner die Stellplätze nicht, die zuvor gebaut werden mussten.
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Denn: Der Zwang, Stellplätze zu bauen, wird immer wieder kritisiert. Arthur Kanonier, Leiter des Forschungsbereichs Bodenpolitik und Bodenmanagement an der TU Wien, nennt ein Beispiel: Bereits jetzt zeige sich, dass die vorgeschriebenen Stellplätze in dichter besiedelten Bereichen mit guter öffentlicher Anbindung zum Teil gar nicht nachgefragt werden. "Oft müssen diese aber mitgemietet oder mitgekauft werden, was den Wohnraum entsprechend verteuert." Kanonier spricht damit einen ersten Kritikpunkt an. Denn Stellplätze kosten Geld. Müssen sie in der Stadt – vielleicht sogar unterirdisch – errichtet werden, steigen die Baukosten enorm an. "Da ist man schnell bei 20.000 Euro pro Stellplatz, bei Tiefgaragenplätzen sind die Kosten in manchen Fällen noch höher", so Kurt Weninger von der TU Wien, der die Studie gemeinsam mit Arthur Kanonier verfasst hat.

Für Ausgleich sorgen

Können aus technischen Gründen, weil es wirtschaftlich unzumutbar oder aufgrund des Bebauungsplans verboten ist, keine Stellplätze errichtet werden, sind Bauträger zu Ausgleichszahlungen verpflichtet. In St. Pölten sind das etwa pro Stellplatz 6245 Euro.

Die Konsequenz von gestiegenen Baukosten sind höhere Miet- oder Kaufpreise für die zukünftigen Bewohner, sofern die Gebäude überhaupt errichtet werden. Denn eine weitere Folge ist, dass Bauträger statt in Stadtzentren Projekte zu entwickeln, lieber auf den Siedlungsrand ausweichen. "Dort sind Grundstücke günstiger, das spart Kosten, fördert aber auch die Zersiedelung", so Weninger. Gleichzeitig, so die weiteren Ergebnisse der Studie, wird die Nachverdichtung in Zentren sowie die Umnutzung bestehender Gebäude erschwert.

Nicht genutzt

Besonders bitter ist die Situation, wenn die Bewohner die errichteten Stellplätze dann gar nicht nutzen. So berichtet auch Kanonier von einigen Beispielen, "dass Autobesitzer ihre Fahrzeuge im öffentlichen Raum abstellen, obwohl sie sogar eigene Stellplätze besitzen".

Zudem, so haben zahlreiche Studie gezeigt, ist die Stellplatzverpflichtung ein Instrument, mit dem sich das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung beeinflussen lässt, ähnlich wie bei Rauchverboten, die am Ende auch dazu führen, dass die Menschen weniger rauchen. Weninger erklärt: "Die Menschen treffen eine Entscheidung, sobald sie aus dem Haus gehen: Nehme ich das Auto oder ein anderes Verkehrsmittel?" Steht das Auto vor der Tür, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es auch genutzt wird. "Wenn der Weg zu öffentlichen Verkehrsmitteln ähnlich weit oder kürzer und der Zugang zum Auto etwas aufwendiger ist, überlegt man zweimal", so Weninger.

Jederzeit verfügbar

Der Stellplatz vor der Tür bedeute, dass das Auto jederzeit verfügbar ist. Somit habe das Stellplatzangebot einen direkten Einfluss auf die Wahl des Verkehrsmittels, sagen Experten. Ähnlich sei es auch mit den verfügbaren Parkplätzen am Arbeitsplatz oder vor dem Supermarkt. "Wenn dort keine Parkplätze frei sind und ein gutes öffentliches Verkehrsangebot vorhanden ist, wird man dieses eher nutzen." 2011 kam eine Studie im Auftrag der Wiener Umweltanwaltschaft zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber die Bauträger zur Bereitstellung von Stellplätzen zwingt und so "einen zusätzlichen Anreiz zur Benutzung des motorisierten Individualverkehrs" schafft.

Im Hinblick auf das Erreichen der Klimaziele ist die Stellplatzpflicht demnach kontraproduktiv. Kanonier und Weninger schreiben in ihrer Arbeit von weiteren Vorteilen, etwa dem sparsamen Umgang mit Boden, weniger Zersiedelung, dem Erhalt des Ortsbildes und der Ortskerne, dem gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung durch weniger Verkehr und der vermehrten Schaffung von leistbarem Wohnraum.

Besser differenzieren

Die Vorteile liegen also auf der Hand. Und wie sollen Gemeinden nun reagieren? Zunächst brauche es laut Weninger eine bessere Differenzierung. "Der vorgegebene Schlüssel – ein Stellplatz pro Wohnung – ist in Kernbereichen vielleicht zu hoch, in peripheren Regionen zu niedrig." Sowohl zwischen als auch innerhalb der Gemeinden müsse räumlich differenziert werden. "Etwa innerhalb von St. Pölten gibt es Bereiche, die unterschiedlich gut an den öffentlichen Verkehr angebunden sind", sagt Weninger.

Und er scheint damit auf Gehör gestoßen zu sein. Denn die Stadt St. Pölten hat bereits verkündet, ein Zonenmodell aus vier Stufen einzuführen. Projektentwickler sollen damit im großvolumigen Wohnbau die Möglichkeit bekommen, auf bis zu 33 Prozent der bisher üblichen Pkw-Stellplätze beim Wohnungsbau zu verzichten.

Die vier Zonen sind nach Lage des Projektstandortes im Stadtgebiet und der Anbindung an den öffentlichen Verkehr festgelegt. Die Gemeinden dürfen den Stellplatzschlüssel nach oben hin unterschiedlich adaptieren. Bisher – das hat die Stadt so festgelegt – mussten in St. Pölten 1,5 Stellplätze pro Wohneinheit gebaut werden.

Wenn das Auto gleich vor der Tür steht, wird es auch genutzt. Weniger Stellplätze reduzieren das Verkehrsaufkommen.
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Im Kernstadtbereich ist es künftig ein Stellplatz, in angrenzenden Bereichen 1,2 bzw. 1,35. "Bei geeigneter Anpassung, wie es hier in St. Pölten geschieht, werden ohnehin nur die nicht benötigten Stellplätze wegfallen", sagt TU-Forscher Kanonier.

Weninger gibt weiters zu bedenken, dass auch bei den Wohnungsgrößen differenziert werden sollte. "Bei kleinen und großen Wohnungen passt der Schlüssel ‚ein Stellplatz pro Wohnung‘ nicht unbedingt."

Individuell festlegen

Die Studienautoren empfehlen am Ende ihrer Arbeit, dass die Anzahl der Stellplätze immer individuell nach Standort festgeschrieben werden sollte. "Seit 2016 gibt es Güteklassen für den öffentlichen Verkehr, also eine Normierung, die die Anbindung pro Standort einheitlich berechnet. Diese sollte auch für die Berechnung des Stellplatzschlüssels genutzt werden, das ist unsere Empfehlung", so Weninger, der außerdem einwirft, dass differenzierte Untergrenzen zusammen mit Obergrenzen eine politische Vorgabe sein sollten. Mancherorts, etwa bei Einkaufszentren, seien Betreiber gewillt, mehr als die erforderlichen Stellplätze zu errichten. In peripheren Regionen gehe der Trend sogar zum Dritt- oder Viertauto, "verkehrspolitisch und hinsichtlich der Klimaziele ist das nicht wünschenswert", so Weninger.

Er und sein Kollege attestieren, dass das Instrument von Gemeinden nicht oder nicht ausreichend angewandt wird und hier eine Chance zur Steuerung des Verkehrs überwiegend ungenutzt bleibt. (Bernadette Redl, 15.5.2019)