2019 in Abu Dhabi: Bundeskanzler Sebastian Kurz, Neapolitano Theodorosta und Kronprinz Mohamed bin Zayed Al Nahyan.

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24 von 25 eingeflogenen Lipizzanerhengsten durften nach der Dienstreise in die Vereinigten Arabischen Emirate wieder nach Hause fliegen. Einer musste bleiben. Er war das Geschenk.

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Sonja Klima, Geschäftsführerin der Spanischen Hofreitschule, Alfred Stern, Chef des Kunststoffkonzerns Borealis, der die Reise gesponsert hat, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Lipizzanerhengst Neapolitano Theodorosta machen Kronprinz Mohamed bin Zayed Al Nahyan und dessen Tochter Sheikha Hassa bint Mohamed bin Zayed Al Nahyan ihre Aufwartung.

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1982 in Washington: Maestoso Blanca im Einsatz im Rosengarten des Weißen Hauses – bewundert von US-Präsident Ronald Reagan (2. v. re.), Wirtschaftskammerpräsident Rudolf Sallinger (re.) sowie dem damaligen österreichischen Botschafter in Washington und späteren Bundespräsidenten Thomas Klestil und dessen Frau Edith.

Foto: Ronald Reagan Library

Wien – Sie sind ja fast so etwas wie das inoffizielle Wappentier Österreichs: die Lipizzaner. Die berühmten weißen Pferde, die in der Spanischen Hofreitschule als k. u. k. Erbe nun im Dienste der Republik einen Beitrag zum schönstmöglichen Österreich-Bild draußen in der Welt leisten müssen. Eines von ihnen mit dem edlen Namen "Neapolitano Theodorosta" wurde im März 2019 zum Auslandseinsatz abkommandiert.

Der weiße Hengst wurde nämlich von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei einer Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) als Gastgeschenk für den Kronprinzen von Abu Dhabi überbracht. Und da stand er dann, der Warmblüter im Wüstenstaat. Nicht ganz so blütenweiß wie die Kandura von Scheich Mohamed bin Zayed Al Nahyan, das traditionelle Gewand arabischer Männer, aber doch weiß.

Wie das eben erwartet wird, wenn man einen Lipizzaner geschenkt bekommt. Tatsächlich werden alle Lipizzaner, so ist auf der Homepage der Spanischen Hofreitschule zu lesen, "schwarz, braun oder mausgrau geboren". Erst im Alter zwischen sieben bis zehn Jahren "besitzen die meisten Pferde das schöne weiße Haarkleid des Schimmels".

Dort ist auch eine kleine Namenskunde nachzulesen: "Die Hengste führen einen Doppelnamen, der von ihrer Abstammung abgeleitet wird. Er setzt sich aus dem Namen der Stammlinie des Vaters und dem Namen der Mutter zusammen."

Am Anfang war ein Pferd aus Kristall

Also: Angekündigt war Neapolitano Theodorostas Ankunft bereits ein Jahr davor. Damals hatte Kurz symbolisch ein Swarovski-Kristallpferd und ein Foto seines Gastgeschenks im Gepäck. Im Frühjahr 2019 reisten schließlich insgesamt 25 Lipizzaner in den Nahen Osten, aber nur 24 durften wieder heim nach Wien.

Die Freude aufseiten der Beschenkten war groß, wie Fotos dokumentieren. Eine Tochter des Kronprinzen, Sheikha Hassa bint Mohamed bin Zayed Al Nahyan, streichelte strahlend das vierbeinige Lebendgeschenk aus Österreich. Die Mitglieder der Wirtschaftsdelegation im Tross des Bundeskanzlers machten freundliche Gesichter, und die neue Chefin der Spanischen Hofreitschule, Sonja Klima, hatte ihren ersten großen Auftritt in dieser neuen Rolle.

In Österreich derweil taten sich bei der Opposition ein paar Fragen zu der Reise auf, vor allem zu dem doch recht ungewöhnlichen Mitbringsel. Immerhin hatte, wie sich später herausstellen sollte, Papst Franziskus eine Woche zuvor eine CD überreicht bekommen. Nur, ist man versucht, zu schreiben.

Geschenkter Gaul war nicht geschenkt

Grünen-Bundesrätin Ewa Dziedzic jedenfalls fragte sich, wie viel der geschenkte Gaul denn so gekostet hat – und vor allem, wer dafür aufkommen würde. Da sie es nicht wusste, machte sie vom parlamentarischen "Interpellationsrecht" Gebrauch und fragte die politisch Zuständigen.

Das erwies sich als der Anfang einer langen Odyssee, die nun von der Medienplattform "Addendum" nachgezeichnet wurde. Mit erstaunlichen rhetorischen Pirouetten, Kapriolen und Piaffen, um in der Sprache der hohen Reitkunst zu bleiben. Oder, anders gesagt: rechtlich eingeräumten Umgehungsmöglichkeiten, um eben nicht zu sagen, wie viel so ein Lipizzaner denn nun eigentlich kostet und wer ihn letztlich bezahlt hat.

Unter dem Titel "Wie viel kostet ein Lipizzaner, Herr Bundeskanzler?" zeichnet "Addendum" nach, wie insgesamt fünf parlamentarische Anfragen an das Bundeskanzleramt sowie das Wirtschafts- und dann das Nachhaltigkeitsministerium durch zwei Parlamentsparteien versandeten bzw. unbeantwortet blieben – oder aber letztlich mit einer falschen Information an das Parlament endeten.

Dziedzic wollte zuerst vom Bundeskanzleramt wissen, wer für das edle Tier und seinen Transport in die heißen Gefilde des Emirats Abu Dhabi aufgekommen ist. Ein ähnliches Auskunftsbegehr folgte eine Woche danach vom SPÖ-Abgeordneten Jörg Leichtfried. Unter Ausreizung der gesetzlich eingeräumten Maximalfrist von acht Wochen kam schließlich folgende Antwort aus dem Kanzleramt, dokumentiert "Addendum": "Die gesamten Kosten werden von go-international getragen, einer Internationalisierungsinitiative zur Unterstützung von Exporteuren und Investoren bei ihren Handelsaktivitäten im Ausland."

Der Finanzier ohne passende Förderschiene

Das erwies sich als falsch. Denn zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung durch Kanzler Kurz war die Finanzierungszusage der Außenhandelsinitiative der Wirtschaftskammer Österreich noch gar nicht geklärt, schreibt "Addendum". "Die go-international wird letztlich keinen Euro bezahlen – aus rechtlichen Gründen, wie es aus der Wirtschaftskammer heißt." Das Staatsgeschenk habe in keine der möglichen Förderschienen gepasst.

Im Kanzleramt wurde betont, dass "zum Zeitpunkt der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage" geplant gewesen sei, "dass die Kosten für den Lipizzaner von go-international übernommen werden würden". Jedenfalls sei "die Antwort des Bundeskanzlers auf einer faktisch-sachlichen Grundlage erfolgt".

Eine andere Frage der Grünen und der SPÖ wurde dabei überhaupt übergangen, nämlich: Wie viel kostet so ein Lipizzaner eigentlich?

Dziedzic probierte es bei Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Auch sie brauchte volle acht Wochen, bis sie ebenfalls auf Go International als Finanzier verwies. Die Spanische Hofreitschule habe um Unterstützung gebeten. Im Übrigen sei das Geschenk vor allem eine Werbemaßnahme und "Teil eines Gesamtpakets von Maßnahmen im Rahmen einer strategischen Kooperation zwischen der Spanischen Hofreitschule und den Vereinigten Arabischen Emiraten", hieß es aus Schramböcks Ressort.

Auch Leichtfried wandte sich zwecks Auskunft an Schramböck. Auch er bekam keinen Betrag für das verschickte Pferd genannt. Ein weiterer Versuch der Grünen-Bundesrätin, diesmal bei Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), deren Nachhaltigkeits- und Tourismusressort auch für die Spanische Hofreitschule und das Gestüt Piber zuständig ist, scheiterte ebenfalls. Die Kosten für den Lipizzaner blieben hinter einer Mauer des Schweigens geschützt wie ein Staatsgeheimnis. Köstinger verwies darauf, dass das Interpellationsrecht der Abgeordneten nicht für ein ausgegliedertes Staatsunternehmen gelte.

Drei Anfragen, drei Nichtantworten, eine "Ungeheuerlichkeit"

Drei parlamentarische Anfragen und dreimal keine Antwort empfindet Ewa Dziedzic als "Ungeheuerlichkeit, die nicht ohne Konsequenz bleiben darf", wird sie von "Addendum" zitiert: "Wenn der neue Stil dieser Regierung ist, dass parlamentarische Kontrolle außer Kraft gesetzt wird, dann muss sich der Kanzler selbst dafür verantworten."

Tatsächlich hat das Parlament – abgesehen von Eigentümer- und Gesellschafterrechten des Bundes – fast keinen Einblick in die Gebarung von Staatsbetrieben, etwa der ÖBB, der Bundesbeschaffungsagentur oder der Bundesforste. Nachfragen von Abgeordneten werden in vielen Fällen pauschal verweigert.

Ironie – oder demokratiepolitisch brisanter Kern – der Geschichte: Das, was die Abgeordneten nicht erfragen konnten, ermöglicht das Auskunftspflichtgesetz jedem Bürger und jeder Bürgerin. Demnach können nämlich Anfragen an Bundesbehörden gestellt werden, und die müssen auch verpflichtend beantwortet werden – auch Fragen, die die Privatwirtschaftsverwaltung betreffen.

15.000 Euro für einen Lipizzaner

Und das ist der Grund, warum schlussendlich doch noch herausgekommen ist, wie viel der Lipizzaner für den Scheich gekostet und wer ihn finanziert hat. "Addendum" hat eine fast wortgleiche Anfrage wie die letzte parlamentarische Anfrage an das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus gestellt. Ergebnis: Der Lipizzaner hatte einen Nettowert von 15.000 Euro. Davon kamen 12.000 Euro aus dem Köstinger-Ministerium, also aus dem Bereich der Hoheitsverwaltung, und 3.000 von der Spanischen Hofreitschule.

Bleibt noch zu sagen: Die Freude in Abu Dhabi über das Gastgeschenk war zwar sichtbar groß, allerdings nicht so groß, dass es dafür auch ein Gegengeschenk gegeben hätte.

Sallingers Hengst für Reagan

In die geografisch andere Richtung wurde übrigens schon vor 37 Jahren ein Lipizzanerhengst verschickt. Im Jahr 1982 beschenkte der damalige Wirtschaftskammerpräsident Rudolf Sallinger (ÖVP) US-Präsident Ronald Reagan, einen ausgemachten Pferdenarren, damit.

Die Geste war auch als Dank für die Rettung der Lipizzaner durch General George Patton im Jahr 1945 gedacht. Die Disney-Studios haben die Geschichte der Evakuierung der Lipizzaner aus der Spanischen Hofreitschule im Zweiten Weltkrieg 1962 sogar verfilmt – zu großen Teilen in Wien, unter dem Titel "Flucht der weißen Hengste".

Da ein US-Präsident offiziell keine Geschenke annehmen darf, wurde der Lipizzaner namens "Maestoso Blanca", der allerdings schnell den Spitznamen "Amadeus" erhalten hatte, übrigens zur "lebenslangen Leihgabe" erklärt. (Lisa Nimmervoll, 13.5.2019)