Wien – Wenn einen die Illusion überkommt, auf der Bühne wären annähernd so viele Künstler versammelt wie Publikum im Saal, ist wohl Gustav Mahler am Werk – mit seiner Achten. Die Symphonie, für Dirigent Franz Welser-Möst eine Abhandlung über die ersten und die letzten Fragen des humanen Daseins, wirkt im ersten Teil wie ein dröhnendes Exempel, wie es tönen könnte, würde der ganze Globus mitsingen und -spielen.

Das geht gar nicht anders, das gilt es auch nicht zu verniedlichen. In übervoller Pracht fügt sich das Vokale und das Instrumentale denn auch im Konzerthaus zum hymnischen Aufschrei. Das symphonische Riesengebirge ist natürlich nicht nur voll der Gipfel und Gewitter. Da sind Schluchten, Täler und idyllische Wiesen wie auch herbstschönes Blätterwelken.

Vokale Exaltation

Die Wiener Philharmoniker evozieren die unterschiedlichen Ausdrucksvaleurs mit Delikatesse: Bei flotter Gangart lässt Welser-Möst zwischen den vokalen Exaltationen mitunter instrumental heftig hineinschneiden. Der Ton kann sich allerdings wandeln. Die Geigenkantilenen packt auch jenes typische Fieber, das einen wesentlichen Sangesausdruck bei Mahler ausmacht. Ebenso wird das Filigran-Kontrapunktische des 2. Satzes intim zum Ereignis. Die Balance zwischen dem Monströsen und dem Spieldosenhaften, zwischen dem Jubilieren und dem Wehmütigen ist also stimmig.

Schöne Stille

Rund um die Philharmoniker tadellose Momente des Vokalen durch den Wiener Singverein, die Singakademie und die Sängerknaben. Unter den Solisten kam Respektables von Erin Wall, Emily Magee, Regula Mühlemann, Wiebke Lehmkuhl, Jennifer Johnston und Giorgio Berrugi – Bemerkenswertes von Peter Mattei und Georg Zeppenfeld. Schön und sinnvoll die vom Dirigenten eingeforderten Momente der Stille, bevor der Jubel ausbrach. (Ljubiša Tošic, 12.5.2019)