In der Regel geht es in der Domaine Dujac im Burgund recht beschaulich zu. Die Winzerfamilie war eine der ersten, die sich der biodynamischen Herstellung von Wein widmeten. Die Rebe stärken, die Trauben als Wein so werden lassen, wie sie die Region, das Klima, in dem sie wachsen und die Menschen um sie herum prägen. Mit Ruhe, Geduld und Wissen um die Kreisläufe der Natur. Das ist eines der Ziele in der vinophilen Bio-Dynastie.

Nur heute, an diesem Novembertag im Jahr 2007, geht es rund am Hofe Dujac. Das Betonei kommt. Es ist, als würde eine Rakete im Weingut landen. Selten laufen Leute im Weingut so aufgescheucht durcheinander. Wie das Eier ohne Bruch und so rasch wie möglich in den Keller bringen? Ein Ei aus Beton wohlgemerkt, zwei Meter hoch und mehrere hundert Kilogramm schwer. Einer der Menschen, der sich an diesem Tag im Jahr 2007, weil auf einer Weinreise, zufällig auch an Ort und Stelle befand, war Markus Altenburger. Er ist Winzer im burgenländischen Jois.

Das will ich auch

Nach diesem Erlebnis und der darauf folgenden Betonei-Verkostungsrecherche in verschiedensten Weingütern stand für den Joiser Winzer fest: "So etwas will ich auch." Und so handhabt er es auch heute noch, zwölf Jahre später. Bei Markus Altenburger kommt die weiße Rebsorte Neuburger ins Ei. Dort bleibt diese dann für sieben Monate. Darauf erfolgt die Ei-Trennung: Ein Teil wird zu Markus Altenburgers Sekt, in der Stillweinversion trägt der Wein den Namen "Neuburger betont".

Und auch wenn die Betoneier als aktueller Hype von Frankreich ausgehend über Südamerika bis nach Österreich gelangt sind, so ist Beton im Wein in der Republik ein alter Hut. Beton-Zisternen für den Weinausbau konnte der Winzer schließlich leichter selbst mauern, als Fässer zu bauen. Und Stahltanks standen zur Zeit der selbst angelegten Betonbehälter noch nicht auf dem Plan.

Markus Altenburger "betont" seinen Neuburger im Ei.
Foto: Markus Altenburger

Im Bordeaux und in Teilen Italiens hält man bis heute an dieser Tradition fest. Die wenigsten wissen, dass einige der bekanntesten Weingüter aus dem Bordeaux, Cheval Blanc oder auch Château Petrus, nach wie vor im Beton vergären. Neben vielen anderen. Natürlich heutzutage nicht mehr in der selbstgemauerten, sondern in Beton als High-Tech-Version.

Denn Wein und Beton sind entgegen der ersten Reaktion der meisten zwar Gegensätze, aber solche, die in Summe ein rundes Ganzes ergeben. Das sagt man zumindest in Bordeaux und Co. Untermauert werden diese Aussagen mit Weinen, die für mehrere hundert Euro zu haben sind und berühmte Namen tragen wie Cheval Blanc oder Château Petrus. Immer mehr österreichische Winzer können dem mit eigenen in Flaschen gefüllten Erfahrungswerten nur zustimmen.

Aktuelle Betongeschichte

Heute setzen Winzer auf Beton, weil sie dem Wein etwas Gutes tun und ihm mehr Raum geben wollen, um ihre Herkunft zu zeigen. Eben darauf zielen auch Amphoren ab, der nächste Trend in der Szene, der älter nicht sein könnte. Schließlich wurde Wein schon vor Tausenden von Jahren in seinem Ursprungsland Georgien in Amphoren ausgebaut.

Preislich befindet man sich mit dieser Art des Ausbaus, sowohl mit Beton als auch mit der Amphore, im oberen Segment. Allein schon von den Mengen her, die so ein Stahltank im Gegensatz zur Amphore fasst. Ganz abgesehen von dem höheren Aufwand, den Betonei und Amphore somit in der täglichen Arbeit bedeuten.

Den Winzern geht es darum, die Weinwelt und vor allem ihre Weine um eine weitere Facette zu bereichern. Sie sollen noch ausdrucksstärker werden. Wichtige Stellschraube ist dabei die Luft, die ein Wein zum Atmen und Reifen braucht. Denn während Stahltanks hermetisch abgeschlossene Systeme sind, lassen Amphoren und auch Betoneier definitiv Luft durch. Ob mehr oder weniger als Holz, kommt auf das jeweilige Holz, die Amphore oder den Betonbehälter an.

Spuren im Wein

Sicher ist, dass es Unterschiede gibt. Schließlich hinterlässt der Grundstoff Holz auch seine Spuren im Wein, je nachdem, wie alt oder stark ausgebrannt das Fass ist. Aber diese Geschichte steht auf einem anderen Blatt. Auch Beton und Keramik hinterlassen ihre Spuren im Wein, nur auf sehr subtiler und noch weniger bekannter Ebene.

Zudem soll alleine die Form, insbesondere die des Beton-Eis zu runderen Ergebnissen führen. Macht man die Probe aufs Exempel mit Markus Altenburgers Schaumwein aus dem Ei und dem "Neuburger betont", so steht fest: Ja, das ist eine runde Sache.

Der Schaumwein aus dem Hause Altenburger, der die zweite Gärung (wie Champagner das auch tut) in der Flasche vollzieht, überzeugt mit einer lebendigen Mousseux, die Samtigkeit am Gaumen – die wahrscheinlich der Lagerung auf der Hefe zu verdanken ist und der vorteilhaften Form des Eis? – macht den Wein besonders. Subtil und trotzdem nachhaltig. "Neuburger betont", hält es ebenso. Wer sich die Zeit nimmt genau hinzuschmecken, der erkennt die Finesse des Weins.

"In your face" ist da nichts. Neuburger, eine an sich recht neutrale Rebsorte, zeigt sich ungeschminkt. Der Beton lässt ihr den Raum, um die feinen, kräuterigen Nuancen mit einem Hauch Zitrus zu entwickeln und zu zeigen. Das ist eine Klarheit im Wein, die Eindruck hinterlässt. Auf ganz unaufgeregte Weise, aber auf eine, die im Gedächtnis bleibt.

Orange schwingt mit

Und auch wenn der Begriff "Orange Wine" in diesem Kontext noch an keiner Stelle richtig gesetzt gewesen wäre; wer die Schlagwörter "Beton", "Amphore" und vielleicht noch "Natural Wine" in den Mund nimmt, der bekommt unweigerlich relativ bald im Gespräch ein "Orange Wine" zurückgeschleudert. Letzterer ist dabei in der Regel auch ein "Natural Wine", der aber auf spezielle Weise ausgebaut wird.

Orange Wine ist Weißwein, der auf der Maische (also dem Mix aus Trauben, -stengeln und Co) vergoren wird. Oft kommt er in die Amphore, aber nicht immer. Und nicht immer ist ein Wein aus der Amphore ein Orange Wine. So wie der Wein "Weißburgunder Erde Luft Gras und Reben" aus der Lage Edelgraben von Claus Preisinger aus Gols. Ein Amphorenwein, ganz ohne Orange.

Preisinger: "Für mich werden die Weine durch die Amphoren noch ehrlicher. Ich möchte Herkunft zeigen." Die Amphore hilft ihm dabei. Je höher die Temperatur ist, mit der sie gebrannt wurden, umso kleiner sind die Poren in der Keramik, und umso weniger Luft lässt diese durch. Und trotzdem ist es immer noch mehr als beim Stahltank. Außerdem finde er Amphoren für seinen Betrieb passender als Stahltanks. Von der Haptik über die Form bis hin zum Endergebnis: dem Wein.

Claus Preisinger findet Amphoren in jeder Hinsicht für seine Weine gut.
Foto: Claus Preisinger

Der "Weißburgunder Erde Luft Gras und Reben" sowie der "Blaufränkisch Erde Luft Gras und Reben" stellen das in der Verkostung unter Beweis. Pure Eleganz. Klare Ansagen. Blaufränkisch wie Weißburgunder sind feingliedrige Zeugen ihrer Herkunft, die in Weiß mit Rauchigkeit und Kräuterwürze bestechen. Der Blaufränkisch punktet mit dunkler Frucht, Lakritze und belebenden Kräuteraromen.

Genauso wie man es nicht ganz greifen kann, was einen Wein mit Seele von einem durchaus perfekt gemachten unterscheidet, der aber keine Persönlichkeit hat, verhält es sich mit Amphoren und Beton. Man kann nicht genau feststellen, was sie beitragen, und dennoch sind sie eine Facette im Wein, auf die immer mehr nicht mehr verzichten wollen.

So sind auch die Winzer Gernot und Heike Heinrich auf den Geschmack der Amphore gekommen. Und zwar von im Jahr 2017 zwei Stück auf heute 140. "Mein Mann kann nicht klein", lächelt Heike Heinrich. Das hat Gernot Heinrich schon oft unter Beweis gestellt. Immer in Hinblick auf Qualität und Authentizität.

Denn es ist schon eine Hausnummer, einen Betrieb von 100 Hektar auf biodynamische Bewirtschaftung umzustellen und somit auch die Art, Wein zu sehen und entstehen zu lassen, komplett umzukrempeln. "Ich bin sehr zufrieden mit unserer Arbeit. Die Amphoren komplettieren unsere Art, Wein zu machen", sagt Gernot Heinrich. Das heißt nun ja auch nicht, dass in genannten Weingütern kein einziges Holzfass mehr zu finden ist.

Die Amphore bringt nur noch eine Facette zusätzlich, noch ein Quäntchen mehr Komplexität in die bunte Welt des Weins mit ein. In der Verkostung besonders spannend ist der Vergleich der beiden Fassproben (Anm.: Weine, die sich noch im Reifestadion und somit in Fass oder Amphore befinden). Die entstammen derselben Lage wie Claus Preisingers Weine, nämlich der Lage "Edelgraben".

Heike und Gernot Heinrich haben von 2017 zwei Amphoren auf heute 140 ausgebaut.
Foto: Gernot und Heike Heinrich

Beide sind sie im selben Jahr gekeltert, nämlich 2018. Nur ging der eine Teil ins Fass und der andere in die Amphore. Beides sind große Weine, die durch ihre Vielschichtigkeit bestechen. Freilich sind sie noch zu jung, um jetzt getrunken zu werden. Sie sind ja noch gar nicht fertig. Und doch punktet der erste Edelgraben aus dem Fass schon ganz wie die ausgewachsenen Weine mit etwas mehr Körper sowie bekannteren, wärmeren Aromen von Leder und dunklen Beeren als der Wein aus der Amphore.

Dieser wiederum zeigt sich straffer in der Struktur und etwas fruchtbetonter mit salzigem Abschluss hintenraus. Beides sind sie Abbilder ihrer Herkunft, die richtig gut schmecken.

Auch der Wein kann eine Insel sein

Wie ein Amphorenwein aus Mallorca schmeckt, zeigt "Motor Callet" vom Weingut "4Kilos". Die Besonderheit hierbei: Der Wein ist in offenen Amphoren vergoren. Den Deckel und damit den Schutz vor zu viel Sauerstoff bildetet die Maische selbst. Als Wein ein fröhlicher Gruß aus feingliedriger Frucht, ziselierender Säure und Leichtigkeit.

Dabei bringt "Motor Callet" zugleich eine Menge an Facetten mit ins Spiel, die bei jedem Schluck in einer anderen Ausprägung schillern. "Einer der stärksten Weine im Flight", heißt es vom Winzer in der Verkostungsrunde, die sich zusammengefunden hat, um Beton und Amphore im Wein auf die Probe zu stellen. Er selbst hat in etwa 90 spanische Tinajas bei sich zu Hause stehen. Tinaja ist die spanische Version der Amphore.

Zu Hause, das ist für ihn Mezzolombardo im italienischen Trentino. Der Winzer Emilio Foradori ist Sohn der Winzerin Elisabetta Foradori und macht Wein. Seit einigen Jahren vorwiegend in Tinajas, auch wenn dem einen oder anderen Tropfen nach seiner Zeit in der Amphore noch ein Weilchen im Fass angediehen wird. "Das Endergebnis Wein ist entscheidend", sind sich alle Winzer einig.

Den Wein auf seine Ausbauart in der Amphore oder im Beton zu reduzieren wäre schade. Der Ausbau ist eine wichtige Komponente, ja. Mit der Betonung auf "eine". Der Wein Emilio Foradoris, der "Teroldego Morei", überzeugt mit lebendiger Frucht, straffer Struktur und der Strahlkraft, an die Worte nicht heranreichen, die große Weine zu ebensolchen machen.

Andere Zeiten, andere Sitten

Ein Winzer, der den Beton mit einer Generation Pause wieder in sein Weingut geholt hat, ist Franz Weninger. "Als ich ein Kind war, war hier eine riesige Betonzisterne", sagt Franz Weninger und deutet auf den Bereich, in dem heute die großen Holzfässer stehen. "Mein Vater hat die Zisterne meines Großvaters entfernt." Vor einigen Monaten sind drei Stück Betongärständer aus Italien am Weingut Weninger im burgenländischen Horitschon angekommen. Noch stehen sie vor dem Hof. Der Statiker schläft noch nicht so gut bei dem Gedanken, diese Riesenbetontanks in die obere Ebene des Gebäudes zu verfrachten.

Franz Weninger setzt auf Ei, Keramik und Beton.
Foto: Katharina Gossow

Früher oder später werden sich die drei kubischen Betonriesen aber zu Betonei und Amphoren im Weinhause Weninger gesellen. Im Betonei lagert gerade der Zweigelt. Zur Verkostung gelangt der "Blaufränkisch Balf" aus dem ungarischen Teil des Weinguts. Er ist im Beton vergoren und hat sein Finish im Holz erlebt.

Ein aufgeweckter Geselle, der vielschichtig, aber nahbar die Runde von sich überzeugt. Der "Grüne Veltliner Kafka 2014" ist in der Amphore vergoren. Hier handelt es sich um ein in die Flasche gefülltes Energiebündel, das belebt. Der Wein zeigt sich in tausend Facetten: von salzig über Feuerstein und grasig tänzelnder Kräuterwürze, die da über die Zunge tänzelt. Auf dem Etikett steht: "Lebe, bis du satt geküsst und des Trinkens müde bist."

Ein Spruch, den sich die Weinmacher von Gotthold Ephraim Lessing ausgeborgt haben. Und ein Zustand, der noch lange nicht erreicht ist. Schon gar nicht, wenn die Winzer immer weiter neue Gegensatzbabys aus ihren Zaubertrankbehältern zaubern. (Nina Wessely, RONDO, 9.6.2019)