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Rom – Der italienische Innenminister und Chef der rechten Regierungspartei Lega, Matteo Salvini, rüttelt an den Haushaltsregeln und sorgt im Wahlkampf für Wirbel. Der Mailänder forderte eine Änderung der EU-Haushaltsregeln. Diese ließen einen ganzen Kontinent verarmen und müssten deshalb geändert werden, sagte Salvini bei einer Unternehmerversammlung in Rom am Mittwoch.

Die EU-Haushaltsregeln bezeichnete der Innenminister als "europäischen Käfig". "Es ist nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht, diesen europäischen Käfig zu ändern, der für Arbeitslosigkeit, Armut und unsichere Jobs verantwortlich ist. Es gibt EU-Regeln, die veraltert sind und erneuert werden müssen", sagte Salvini, der seit Wochen einen unermüdlichen Wahlkampf in Italien führt.

Der Chef der rechte Lega hatte am bereits Dienstag mit der Bemerkung für Unruhe an den Finanzmärkten gesorgt, dass er zu einem Bruch der von der EU vorgegebenen Haushaltsregeln bereit sei. Die Einhaltung eines der Maastrichter Konvergenzkriterien, die Defizitschwelle von drei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) in den nationalen Budgets der Euro-Länder, "ist meine letzte Sorge", sagte der 46-jährige Vizepremier.

Koalition uneins

Auch die Erhöhung der italienischen Verschuldung auf 140 Prozent des BIP betrachtet Salvini nicht als Problem, wenn es darum gehe, Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft und der Beschäftigung zu finanzieren. Laut den Euro-Stabilitätskriterien darf der staatliche Schuldenstand nicht mehr als 60 Prozent des BIP betragen.

Anders sieht die Lage Salvinis Koalitionspartner Luigi Di Maio, Chef der Fünf Sterne-Bewegung. Statt die Defizitschwelle zu sprengen, sollte Italien den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Verschwendung in der öffentlichen Verwaltung aktiver bekämpfen. Der Dialog mit der EU-Kommission müsse offen bleiben, mahnte Di Maio.

Der Chef der oppositionellen Sozialdemokraten (Partito Democratico/PD), Nicola Zingaretti, beschuldigte die Regierung, andauernde Spannungen mit Brüssel zu schüren. Die rechtskonservative Oppositionspartei Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi warf dem Regierungsbündnis aus Lega und Fünf Sterne-Bewegung vor, Italien in den "Bankrott" zu treiben.

Löger kritisch

Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) reagierte kritisch auf Salvinis Worte. "Wir sind nicht bereit, für die Schulden Italiens zu bezahlen. Durch das bewusste Vorantreiben der italienischen Schuldenspirale kann nicht länger ausgeschlossen werden, dass sich Italien zu einem zweiten Griechenland entwickelt", so der Finanzminister in einer Presseaussendung am Mittwoch.

"Wenn sich eine Regierung ganz offensichtlich nicht an die Schuldenregeln hält, auf die wir uns in der Europäischen Union geeinigt haben, ungeschoren davonkommt und dann zu allem Überdruss auch noch die Aufweichung der Euro-Stabilitätskriterien fordert, ist das ein klares Zeichen, dass es die von Kanzler Sebastian kurz geforderte EU-Reform mit schärferen Sanktionen braucht", so Löger.

Erst jüngst hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Italien aufgerufen, sich an die EU-Regeln zu halten und die enorme Verschuldung aktiver zu bekämpfen. Man müsse verhindern, dass Italien mit einer "verantwortungslosen Schuldenpolitik" zu einem zweiten Griechenland werde. Salvini erwiderte vorige Woche, niemand dürfe Italien Lektionen erteilen. "Die Staaten müssen die Freiheit haben, in Autonomie ihre Fiskal- und Budgetpolitik zu betreiben", sagte der italienische Innenminister und Vizepremier. (APA, 15.5.2019)