Das Meer mag zumindest dem Namen nach tot sein, am Strand in Tel Aviv herrscht lebendige Stimmung.

Foto: schreuder

Die Gelassenheit Tel Avivs ist eine Überraschung für jemanden, der die Stadt zum ersten Mal besucht. In der Berichterstattung über Israel dominieren die Bilder einer resoluten Regierung, den Konflikten mit Palästinensern und den Nachbarländern. Die Bilder der Molotov-Cocktails werfenden Palästinenser sind Teil der Medienöffentlichkeit geworden.

Routinierte Security-Checks

Dass die Gelassenheit seine Grenzen hat, wird einem aberdoch bewusst gemacht. Etwa wenn man einen Rucksack bei einem Meeting im Hotel mal kurz in der Ecke stehen lässt, und vergessen hat, ihn bei sich zu behalten. Dann macht sich schnell Nervosität breit. Oder wenn man als Eurovision-Fan anreist, und in den Notizen für die AirBnB Wohnung darauf hingewiesen wird, welcher Raum im Notfall ein brandgeschützter "Shelter Room" ist – nur für den Fall, dass.

Rund um die Arena des Eurovision Song Contest sind die Sicherheitsvorkehrungen dennoch erstaunlich normal. Man hat sogar den Eindruck, in Kiew oder Lissabon wären sie massiver gewesen. "Ach, wir sind das gewohnt. Unsere Sicherheitsbeamte sind so erfahren, da sind diese Checks Routine. In den anderen Städten sind sie die Ausnahme bei Großereignissen, wir haben das jeden Tag. Auf Bahnhöfen, in Theatern und den großen Shopping Malls", sagen dazu israelische Journalisten im Pressezentrum.

ESC überall

Derweil feiert die Stadt. Vorige Woche noch den Unabhängigkeitstag, jetzt die Eurovision. Nahezu jede Werbekampagne stellt einen Song-Contest-Bezug her. In Auslagen von kleinen Shops und großer Ketten finden sich Dekorationen und Hinweise, die mit dem Gesangswettbewerb zu tun haben. In Cafés, Bars und Clubs werden israelische ESC-Songs der Vergangenheit rauf und runter gespielt.

Eurovision-PR

Das Land freut sich Gastgeber des Song Contests zu sein. Es scheint sich bewusst zu sein, dass die politische Meinung über Israel in Europa oft von Vorurteilen oder einseitiger Berichterstattung geprägt ist, umso bemühter ist es, das multikulturelle und weltoffene Tel Aviv in die Auslage zu stellen, die schönen touristischen Ecken des Landes zu bewerben. Journalisten können Ausflüge mitmachen, die vom Jerusalem-Besuch bis zur LGBTQ-Wanderung reichen, vom Plantschen im Roten Meer bis zum Spaziergang durch die Märkte, Gerüche und Küchen Tel Avivs.

"Wir leben in einer Partystadt", sagt Eurovision-Fan Reout. "Wir wissen, dass jeden Moment ein Krieg ausbrechen kann, dass es vorbei sein kann mit dem Spaß und der Freude. Deswegen genießen wir das Leben vermutlich auch so intensiv."

"Gute PR"

Dass ein Krieg ausgerechnet rund um den Eurovision Song Contest ausbricht, glaubt sie aber nicht. Trotz der Raketen, die vor einigen Tagen auf Süd-Israel abgeschossen wurden. Denn die Hamas und andere radikale Gruppen hätten gute PR-Arbeit gemacht. Und Reout ergänzt: "Für viele Europäer sind sie die Guten und wir die Bösen. Den Song Contest anzugreifen wäre daher für sie kontraproduktiv. Auch wenn sie die Queerness des Eurovision Song Contest vermutlich hassen wie die Pest." (Marco Schreuder, 15.5.2019)