Seit Wochen ist der Interviewtermin mit Harald Vilimsky, FPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, fixiert. Kurz davor wackelt dieser plötzlich, dann nimmt sich der Blaue doch Zeit. "DER STANDARD ist so giftig zu mir", begründet Vilimsky seine zwischenzeitlichen Zweifel. Nach 58 Minuten Gespräch bilanziert er: "War eh nicht so schlimm."

"Was erwarten Sie von mir? Dass ich die andere Backe auch hinhalte?": Harald Vilimsky beklagt manipulativen Interviewstil – und plädiert für einen Journalistenaustausch im ORF.
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STANDARD: Seit den Attacken auf "ZiB 2"-Anchor Armin Wolf gelten Sie als Gefährder der Medienfreiheit. Streben Sie einen Journalistenaustausch an?

Vilimsky: Ich war nicht der Einzige, der Wolf kritisiert hat. Auch die Neue Zürcher Zeitung hat sich mit Kritik zu Wort gemeldet oder Ex-RTL-Chef Helmut Thoma. Sie können es mir als Gebührenzahler doch nicht verwehren, dass ich meinen Senf abgebe, wenn etwas schiefläuft.

STANDARD: Danach haben Sie in Linz im Bierzelt nachgelegt: Der ORF sei schon in Ordnung, wenn man gewisse Personen austausche. Wen meinen Sie da konkret?

Vilimsky: Diejenigen, die ihrem Objektivitätsauftrag nicht nachkommen, sodass es eine parteipolitische Schlagseite bekommt, sollte man nicht mehr zum Aushängeschild machen. Man sollte anderen eine Chance geben, die ehrlichen und objektiven Journalismus machen.

STANDARD: War die grenzwertige Karikatur gegen Migranten, die die steirische Parteijugend verbreitet hat, Ihre Aufregung wert?

Vilimsky: Ich wurde in höchst manipulativer Weise in die Nähe der Judenverfolgung und des Nationalsozialismus gerückt. Was erwarten Sie von mir? Dass ich die andere Backe auch hinhalte? Die Karikatur ist nicht meine Herangehensweise, aber sie hat unsere Politik zum Ausdruck gebracht. Sie zeigt islamistische Symbole wie zwei Minarette ...

STANDARD: Minarette sind keine Symbole des Islamismus.

Vilimsky: Gut, aber ich halte fest: Wir hatten nicht nur ein islamistisches Attentat in Europa – und wir dürfen dem nicht Tür und Tor öffnen. Wenn Menschen einem Glauben folgen, der fundamentalen Grundsätzen unserer Republik widerspricht, dann ist das ein Problem. Denn unsere Gesetze sind nicht gottgegeben, sondern im Parlament beschlossen. Auch die Abwertung von Frauen in der islamischen Welt ist für uns nicht hinnehmbar. Dann auch noch der Umgang mit Hunden, die auf der Straße getreten oder vom Balkon geworfen werden – insgesamt die Geringschätzung von Haustieren. Sie wissen ja, dass der Hund in der islamischen Welt ein Problem ist.

STANDARD: Also sollen muslimische Zuwanderer jetzt auch noch Österreichs Hunde ehren?

Vilimsky: Na, jetzt ziehen Sie das Thema in eine polemische Richtung. Tatsache ist, dass es da immer wieder zu unschönen Situationen kommt.

"Es besteht keinerlei Notwendigkeit, dass wir aus der islamischen Welt organisierten Zuzug zulassen", sagt Harald Vilimsky.
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STANDARD: Konstruieren Sie hier nicht ein neues Feindbild? Früher wurde Juden alles Mögliche unterstellt, heute den Muslimen.

Vilimsky: Ich habe kein Problem mit jenen, die dem islamischen Glauben anhängen, aber nach unseren Regeln leben. Aber es ist schwierig, die herauszufiltern, die sich radikalen Tendenzen hingeben. Das sind tickende Zeitbomben. Daher ist weiterer Zuzug aus dem Islam mit unserer kulturellen Prägung nicht kompatibel.

STANDARD: Sie sprechen sich also gegen jeglichen Zuzug aus islamisch geprägten Ländern aus?

Vilimsky: Ja, Zuwanderungspolitik sollte man so gestalten, dass Kulturen, die einander näher sind, zusammenrücken. Es besteht keinerlei Notwendigkeit, dass wir aus der islamischen Welt organisierten Zuzug zulassen.

STANDARD: Ist "organisierter Zuzug" Ihr bevorzugter Ausdruck, um den belasteten Terminus "Bevölkerungsaustausch" zu vermeiden?

Vilimsky: Wenn wir uns um semantische Spitzfindigkeiten streiten wollen, kann ich auch andere verwandte Begriffe verwenden: Islamisierung oder Verdrängung der autochthonen Bevölkerung.

STANDARD: Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sprach im EU-Wahlkampf explizit von "Bevölkerungsaustausch" ...

Vilimsky: Mag sein. Ich verwende andere Begriffe, aber beklage dieselben Missstände.

STANDARD: Angesichts der Austauschtheorien von FPÖ und rechtsextremen Identitären warnte Bundespräsident Alexander Van der Bellen vor dem Gewaltpotenzial solcher Worte, siehe die Attentate in den Moscheen von Christchurch. Warum haben derartige Warnungen für Ihre Partei kein Gewicht?

Vilimsky: Von allen Extremisten droht Gefahr – und Van der Bellen spricht hier schon auch als ehemaliger Obmann der Grünen.

STANDARD: Können Sie für sich selbst jegliche Kontaktpflege zu Identitären ausschließen?

Vilimsky: Ja. Ich bin mit gar niemandem verstrickt. Auch wenn mir gerade vorgeworfen wird, ich würde in einem identitären Magazin Inserate schalten. Ich sehe weder Wochenblick noch Info-Direkt als identitäres Magazin.

STANDARD: Sie haben in den letzten Jahren zehntausende Euro für Inserate in derartige Rechts-außen-Medien gesteckt. Werden Sie das einstellen?

Vilimsky: Ich werde ein Gespräch mit den Betreibern führen: Nur wenn es Verwebungen mit den Identitären gibt, werde ich mich zurückziehen.

"Ich halte es für feig und unanständig, dass er mir das nicht direkt gesagt hat, sondern vor dem diplomatischen Korps zum Besten gab – wissend, dass das an die Presse geht": Vilimsky über Bundespräsident Van der Bellen, der ihn als nicht ministrabel erachtete.
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STANDARD: Haben Sie Van der Bellen nachgesehen, dass er Sie als nicht ministrabel erachtete?

Vilimsky: Das ist mir wurscht. Ich halte es aber für feig und unanständig, dass er mir das nicht direkt gesagt hat, sondern vor dem diplomatischen Korps zum Besten gab – wissend, dass das an die Presse geht. Und seine Begründung schlägt dem Fass den Boden aus: nämlich, dass ich Teil einer EU-kritischen Fraktion bin.

STANDARD: In Ihrem EU-Bündnis ENF sind doch sehr rechte bis rechtsextreme Parteien vertreten.

Vilimsky: Ich mag auch keine Grünen und käme nie auf die Idee, das zu generalisieren und einem Grünen ein Amt zu verwehren.

STANDARD: Moment, Ihre Partei hat immerhin die Bundespräsidentschaftswahl angefochten.

Vilimsky: Logisch. Ist ja nicht so, dass da nichts war. Die Republik war damals nicht fähig, Wahlen ordnungsgemäß durchzuführen.

STANDARD: Zurück zu Ihrer Fraktion: Ihr Bündnispartner, Italiens Innenminister Matteo Salvini von der Lega Nord, posierte unlängst mit Gewehr, dazu wurde die Botschaft gepostet: "Man wird versuchen, Salvini zu stoppen. Doch wir sind bewaffnet."

Vilimsky: Salvini hat als Innenminister beim Besuch einer Spezialeinheit eine Waffe in die Hand genommen. Der Satz war eine unbedachte Meldung seines Medienmanagers nach Morddrohungen und war mit einem Smiley versehen. Da muss man nicht gleich umstürzlerische Pläne unterstellen.

STANDARD: Salvinis Rede vom Mussolini-Balkon stört Sie auch nicht?

Vilimsky: Rein vom Gefühl her sage ich: 40 Prozent der Italiener, so viel Zuspruch hat Salvini, würden niemandem mit faschistischen Ideen auf den Leim gehen.

STANDARD: Es ist ein Symbol. Was wäre, wenn sich ein Politiker auf den Balkon am Heldenplatz stellt, von dem Hitler den "Anschluss" verkündet hat?

Vilimsky: Wenn man es so verkürzt darstellt wie Sie, spricht einiges dagegen. Ich möchte aber zuvor mit der anderen Seite darüber reden – am Freitag treffe ich Salvini in Mailand.

STANDARD: Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich mit seiner Forderung in den Wahlkampf eingeschaltet, dass viele EU-Kompetenzen zurück zu den Nationalstaaten müssen. Fühlen Sie sich bestätigt oder kopiert?

Vilimsky: Sowohl als auch. Zum einen fühle ich mich gebauchpinselt, nachdem ich jahrelang auf die überbordende Bürokratie in Brüssel hingewiesen habe. Zum anderen übernimmt jetzt der Kanzler zwei Wochen vor der Wahl all das von uns Gesagte. Damit sind die Bedenken, dass wir Europafeinde wären, weggewischt. Aber: Kurz hat viele Richtlinien im EU-Rat mitbeschlossen, was er nun beklagt.

STANDARD: Ist es für Sie ein realistisches Ziel, tausend Verordnungen zu streichen?

Vilimsky: Tausend ist nur eine plakative Zahl, eine Überschrift. Kurz und sein Spitzenkandidat Othmar Karas widersprechen einander ja sogar beim verordneten Bräunungsgrad für Pommes.

STANDARD: Wie halten Sie es mit der Pommesverordnung?

Vilimsky: Wir sagen: Wir haben die Europäische Union nicht dazu, um die Bräunungsgrade von Pommes durchzudefinieren, sondern dazu, um Frieden, Freiheit und Wohlstand für alle abzusichern.

"Kurz und Karas widersprechen einander ja sogar beim verordneten Bräunungsgrad für Pommes": Vilimsky zum EU-Kurs des Kanzlers und des ÖVP-Spitzenkandidaten.
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STANDARD: Und was ist mit der Gesundheit? Die Pommesverordnung hat zum Ziel, die Entstehung krebserregender Stoffe, die beim Frittieren entstehen, zu reduzieren.

Vilimsky: Das sollen die österreichischen Behörden sicherstellen, dafür brauche ich nicht Europa – genauso wenig wie für Duschköpfe, Traktorensitze, Krümmungsgrade. Sonst sind wir in dem Europa bald allein zu Haus, das Karas und EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber repräsentieren. Dann sagen immer mehr: Danke, da wollen wir nicht dabei sein.

STANDARD: Für wen als EU-Kommissionschef treten Sie ein?

Vilimsky: Mit Frans Timmermans, Spitzenkandidat der SPE-Fraktion, könnte ich noch weniger als mit Weber. Mein Ziel ist, dass wir unsere Allianz so starkmachen, dass man an uns nicht vorbeikommt. Im Idealfall wären mir Victor Orbán oder Salvini recht. (Marie-Theres Egyed, Nina Weißensteiner, 16.5.2019)